Lavanttaler Industrie
Was passiert, wenn kein Gas mehr kommt?
Ein Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland hätte auch für die Lavanttaler Industrie schwerwiegende Folgen.
LAVANTTAL. Die Situation rund um die Erdgas-Lieferungen spitzt sich immer weiter zu. Experten sind sich einig, dass es mit der kalten Jahreszeit zu Engpässen kommen wird, einige befürchten gar einen kompletten Lieferstoff von russischem Erdgas. Die Abhängigkeit von Russland ist groß – immerhin stammen rund 80 Prozent des im Land verbrauchten Erdgases von dort.
Kärnten: 12.000 Jobs betroffen
"Die Kärntner Wirtschaft ist mit 500 gewerblichen Unternehmen von Erdgas abhängig. Schwerpunktmäßig sind es nahezu 50 größere Unternehmen, der Rest verteilt sich auf viele regional bedeutende Unternehmen in den Regionen", sagt Diane Tiefenbacher, Bezirksstellenleiterin der WK Wolfsberg. "Eine grobe Abschätzung der Unternehmungen zeigt, dass rund 12.000 Arbeitsplätze durch einen Gas-Stopp direkt oder indirekt betroffen wären."
Notfallplan
Bereits ausgerufen wurde die Frühwarnstufe des Österreichischen Gasnotfallplans. Die nächste Stufe wäre die Alarmstufe, bei der die Industrie aufgerufen wäre, Gas zu sparen und es durch andere Energieträger zu ersetzen. Das ist freilich leichter gesagt als getan. Kommt es tatsächlich zu einem Lieferstopp, wird die „Notfallstufe“ und damit die Energielenkung durch das „Bundesministerium Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“ (BMK) bzw. die E-Control aktiviert. Vereinfach bedeutet dies, dass der Staat bestimmt, welche Betriebe noch wieviel Gas bekommen. Zusätzlich wird dann der Verbrauch durch weitere Preissteigerungen und Aufrufe, freiwillig Energie zu sparen, reduziert. Ausgenommen von diesen Lenkungsmaßnahmen wären systemrelevante Verbraucher, etwa die Nahrungsmittelindustrie.
„Abstellung wäre Riesenproblem“
Viele Chefs der heimischen Industriebetriebe halten sich bedeckt, kaum einer will eine Aussage tätigen, was die Konsequenzen eines Lieferstopps tatsächlich wäre. Fest steht: Kommt es zum Gas-Stopp, wird in einigen Unternehmen der Betrieb nicht wie gewohnt aufrecht zu erhalten sein. Dieser Meinung ist auch Horst Jöbstl, Geschäftsführer des Stahlbauunternehmens Schwing in St. Stefan – der größte Arbeitgeber in der Region mit rund 550 Mitarbeitern: „Eine Reduktion der Gasmenge kann man durch gutes Management wahrscheinlich bewältigen, eine komplette Abstellung wäre aber ein Riesenproblem für die gesamte Industrie in Österreich“, meint Jöbstl.
Stahlzulieferer betroffen
Die Heizung der Schwing-Hallen wurde schon vor einigen Jahren von Gas auf Fernwärme umgestellt, wobei Abwärme von Mondi Frantschach genutzt wird. Für die Arbeitsvorgänge an sich benötigt Schwing nur geringe Gasmengen, etwa in der Trocknung oder für den Nitrierofen. Das größte Problem wäre jedoch die Abhängigkeit von Zulieferern. Jöbstl: „Wir sind kein Großabnehmer von Gas. Kommt es zu einem Totalausfall, wären wir aber trotzdem betroffen, weil wir unseren Stahl von großen Werken in Österreich, Deutschland und Schweden beziehen. Sollten diese kein Gas mehr haben, steht die Industrie zu einem großen Teil still.“
Hohe Umrüstungskosten
Auch bei NCA Container-und Anlagenbau in St. Paul wird Erdgas zu Heizzwecken, aber auch als Energieträger für Maschinen- und Verarbeitungsprozesse gebraucht. „Erdgas kann bei uns zwar zu einem Großteil durch andere Energieträger ersetzt werden, dies ist aber mit hohen Investitionskosten und Umrüstungsarbeiten verbunden“, erklärt Geschäftsführer Christian Schrammel. Ein Gas-Lieferstopp würde zu unbeheizten und damit eingeschränkt nutzbaren Fertigungshallen führen, ebenso zur Einstellung diverser Maschinen- und Verarbeitungsprozesse, für die Gas erforderlich wäre.
Umstieg auf Biomasse
„Zur Vermeidung einer solchen Situation wurde rechtzeitig der Umstieg auf Biomasse für die Beheizung gewählt, wir befinden uns derzeit in der Umsetzung eines Eigenprojektes“, so Schrammel. Zusätzlich wurde für nächstes Jahr die Umsetzung einer Eigenverbrauchsphotovoltaikanlage initialisiert, um auch den gestiegenen Strompreisen längerfristig zu einem gewissen Anteil entgegenzuwirken zu können sowie damit auch eine Alternative für den Energieträger Gas zu haben.
Auch Mondi betroffen
Mondi Frantschach erzeugt über 90 Prozent seines Energiebedarfs selbst. Dies geschieht hauptsächlich mit Biomasse-Nebenprodukten aus dem Papierherstellungsprozess. "Durch Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz unserer Produktionsprozesse konnten wir in den letzten Jahren den Einsatz von Erdgas reduzieren. Dennoch sind unsere Prozesse immer noch auf Erdgas angewiesen, insbesondere bei der Zellstoffproduktion", sagt Geschäftsführer Gottfried Joham. "Wir sind dabei, alternative Energiequellen zu evaluieren, die mittelfristig mehr Möglichkeiten bieten könnten."
Einschränkungen möglich
Die bei der Zellstoffproduktion anfallende Wärme wird von Mondi Frantschach in das Fernwärmenetz Wolfsberg eingespeist. Damit stellt das Werk die Fernwärmeversorgung für zahlreiche Haushalte in Wolfsberg und Frantschach-St. Gertraud, das Landeskrankenhaus Wolfsberg und einige Industriebetriebe sicher (über 150 Millionen Kilowattstunden pro Jahr).
Alle Standorte von Mondi sind derzeit in Betrieb, jedoch könnte die Produktion in den Werken in Mittel- und Osteuropa (einschließlich Frantschach) beeinträchtigt werden, wenn die Gasversorgung eingeschränkt wird. Art und Umfang der Auswirkungen würden vom Ausmaß der Beschränkungen abhängen.
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