Kunst in der Leopoldstadt
Ein Arbeiter reißt seinen Gemeindebau ein
Der Georg-Emmerling-Hof wurde erst im vergangenen Jahr generalsaniert. Seither ziert ein markantes Kunstwerk seine Außenwand: Ein Arbeiter, der ein Loch in den Bau schlägt. Die BezirksZeitung hat mit den Leopoldstädter Künstlern gesprochen.
WIEN/LEOPOLDSTADT. Hoch oben in der Fassade des Georg-Emmerling-Hofs in der Obere Donaustraße klafft ein großes, rundes Loch. Ein Arbeiter, der auf einem Balken mittendrin steht, schlägt mit einem Hammer weiter an dessen Ränder ein. Ganz so, als wollte er das Loch größer schlagen und das Gebäude einreißen. Neben ihm sitzt ein scheinbar unbeteiligter Kollege, der auf die Straße hinunterschaut.
Die Szene stammt aus einem Kunstwerk, glücklicherweise sind die beiden Genossen nur Statuen. Die Skulptur stammt vom Künstlerkollektiv "Steinbrener/Dempf & Huber", das fest in der Leopoldstadt verwurzelt ist. Es besteht es aus Bildhauer Christoph Steinbrener, Fotograf und Grafiker Rainer Dempf und Architekt Martin Huber.
Inspiriert an Anarcho-Film der 1970ern
Fünf Meter breit und sechs Meter hoch ist das Kunstwerk, das den Georg Emmerling-Hof ziert. Das Gebäude aus den 1950er-Jahren liegt am Donaukanal, direkt gegenüber des Schwedenplatzes, und ist wohl einer der meist gesehenen Gemeindebauten in ganz Wien.
Von 2019 bis 2021 wurde der Gemeindebau generalsaniert und dabei dieses Kunstwerk angebracht. Steinbrener und sein Team kannten den Bau in der Leopoldstadt aber schon länger. "Wir leben alle hier, die Tochter von Martin ging sogar im Georg-Emmerling-Hof in den Kindergarten", erzählt Christoph Steinbrener.
Ihr Kunstwerk tauften sie "Themroc". Das ist an einen französischen Anarcho-Film aus dem Jahr 1973 angelehnt, in dem ein Arbeiter auf radikale Weise seinem öden Alltag entkommen will und dabei (auch) ein Loch in die Außenwand seiner Wohnung schlägt.
"Stilistisch ist unser Themroc ein Mix. Wir haben uns dabei an klassischen Skulpturen aus den 20er-Jahren orientiert, wo Arbeiter oft ähnlich dargestellt wurden", sagt Steinbrener. Das steht generell für die Arbeitsweise des Kunstkollektivs: Im Prinzip sind die Werke Collagen aus verschiedenen Kunst- und Stilrichtungen. Filme und Fotografien spielen oft eine wichtige Rolle. Deshalb tragen mehrere ihrer Ausstellungen, Werke und Aktionen Filmtitel – so wie Themroc.
Die Arbeiterschaft reißt ihre Häuser ein
"Themroc" könne man laut Steinbrener nun auf verschiedene Arten verstehen. "Eine Lesart wäre, dass die Arbeiter ihre eigenen Burgen einreißen", sagt er. Demnach wählen viele Arbeiterinnen und Arbeiter heutzutage verstärkt rechte Parteien und stimmen dabei teils gegen ihre eigenen Interessen. Schließlich fallen diese Parteien oft nicht gerade damit auf, etwa den sozialen Wohnbau fördern. Und so reißt die Arbeiterschaft – überspitzt gesagt – ihre eigenen Wohnbauten ein.
"Aber das ist nur eine von vielen Arten, das Bild zu interpretieren", betont der Bildhauer. Und so bleibt zu hoffen, dass zumindest der Georg-Emmerling-Hof noch länger stehen bleibt. Trotz seinem Loch.
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