Forschung
Forscherin Irene Frischauf: Potenzial gibt es in Österreich genug"

Irene Frischauf aus Ansfelden forscht an der JKU Linz. | Foto: Frischauf
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  • Irene Frischauf aus Ansfelden forscht an der JKU Linz.
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Forscherin Irene Frischauf aus Ansfelden spricht über ihr aktuelles Projekt an der JKU Linz sowie die heimische Forschung.

An was genau forschen Sie?
Frischauf:
Jeder weiß, dass Kalzium (Ca2+) wichtig ist für unseren Knochenaufbau. Die wenigsten wissen aber, dass Kalzium weitaus mehr lebenswichtige Rollen in unserem Körper spielt: Dieses Ion ist wichtig bei der Befruchtung (direkt nach dem Verschmelzen von Eizelle und Spermium kommt es zu einer sogenannten Kalzium-Welle, die alle nachfolgenden Reaktionen auslöst). Weiters ist Kalzium wichtig für unsere Entwicklung, den Muskelaufbau, unsere Nervenzellen, Blutplätten und ist auch essenzieller Faktor unseres Immunsystems.
Um all diese Funktionen korrekt ausführen zu können, muss eine bestimmte Konzentration von Ca2+ in unseren Zellen vorherrschen. Menschliche Zellen halten auch immer eine gewisse Balance.
Wenn diese Konzentration allerdings ungewollt verändert wird, so kann dies schwerwiegende Folgen haben: zu viel an Kalzium in der Zelle kann zu autoimmunen Prozessen führen (hier greift unser Immunsystem körpereigene Zellen an). Des Weiteren kann ein Überschuss an Kalzium Gewebsentzündungen und andere pathologische Zustände auslösen. Im gegenteiligen Fall – also zu wenig Kalzium in der Zelle – können viele „normale“ Prozesse nicht korrekt ausgeführt werden, was wiederum zu krankhaften Veränderungen führen kann (zB verliert unser Immunsystem seine Fähigkeit reaktive T-Zellen zu bilden, was das Ausbleiben einer Immunreaktion bei bakteriellen oder viralen Infektionen zur Folge hat). Kalzium spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Infektion mit Viren (auch SARS-COV-2) indem es die Bindung, das Eindringen und die Vermehrung des Virus in unseren Zellen beeinflusst. Um nun diese wichtige, regulierte Konzentration von Ca2+ in Zellen aufrechterhalten zu können, muss es quasi einen „refill“ geben, der verbrauchtes Ca2+ wieder in die Zelle zurückbringt. Dieses Auffüllen geschieht über sogenannte Ionenkanäle in der äußeren Hülle von Zellen. Man hat bereits entdeckt, dass eine Fehlfunktion dieser Kanäle mit schweren menschlichen Krankheiten in Zusammenhang steht: SCID (severe combined immunodeficiency – eine schwere Immundefizienzerkrankung), TAM (tubular aggregate myopathy – eine Muskelerkrankung), Stormorken-Syndrom (äußert sich in Veränderungen von Muskeln, Augen und Haut) und auch bei verschiedenen Krebsarten (Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs und viele mehr) konnte ein Zusammenhang von Krebstentstehung und Kalzium nachgewiesen werden. Mein derzeitiges drittmittel-gefördertes Projekt des FWF untersucht genau diesen Zusammenhang von Veränderungen in Ca2+ Ionenkanälen und der Entstehung von verschiedenen Krebsarten. Beispielsweise kann der Kanal durch eine Mutation (geerbt oder im Laufe des Lebens erworben) so verändert werden, dass plötzlich vermehrt Ca2+ in die Zelle gelangt. Dies hat zur Folge, dass die Zelle beginnt, sich unaufhörlich zu teilen und zu wachsen – dies ist ein Zeichen einer Krebszelle.

Warum haben Sie sich für die Forschung beziehungsweise Ihre Fachrichtung entscheiden?
Meine Mama erzählt immer, dass ich schon als Kind alle „Viecher“ eingesammelt bzw gerettet habe. Ich denke, seit ich klein war, wollte ich Biologie studieren. Schlussendlich habe ich mich dann für den Studienzweig Genetik an der Universität Salzburg entschieden und dies bis heute nicht bereut. Mehr durch Zufall bin ich dann an die JKU Linz gelangt um dort meine Masterarbeit zu schreiben. Und wie es der Zufall so will, bin ich jetzt schon fast 18 Jahre an der JKU. Mein Themenbereich war immer die Kalzium-Forschung, allerdings hat sich mein Forschungsfeld in den letzten Jahren mehr in Richtung Krebsforschung gewandelt. Wenn ich nochmal die Wahl hätte, dann würde ich auf alle Fälle bei Biologie bleiben – das ist einfach das spannendste Gebiet der Naturwissenschaften!

Welchen Mehrwert hat Ihre Forschung für die Gesellschaft beziehungsweise wo kommen Ihre Ergebnisse in eine praktische Umsetzung?
Wenn wir rausfinden können, welche Veränderungen in den Kalzium-Kanälen Krebsentstehung begünstigen, dann kann man versuchen, therapeutische Ansätze dafür zu entwickeln. Dh rein theoretisch kann man diese Kanäle dann wieder „gesund“ machen und somit auch dem Krebs vorbeugen. Welt weit gibt es erst wenige Pharmafirmen, die Medikamente testen, welche darauf abzielen (zB Calcimedica in den USA). Die Forschung dazu steckt auch noch mehr oder weniger in ihren Kinderschuhen, aber ich bin zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren immenser Fortschritt gemacht wird.

Wie sieht der Arbeitsalltag einer Forscherin aus ?
Während meiner Dissertation war ein Arbeitstag natürlich komplett geprägt vom Labor, Versuche durchführen, Auswertungen machen. Da war es auch selbstverständlich, dass man bis spät in die Nacht oder auch am Wochenende im Labor steht. Wir arbeiten viel mit lebenden Bakterien und Zellen – die kennen einfach kein Wochenende!
Jetzt, als Projektleiterin hat sich der Arbeitsalltag natürlich ein bisschen gewandelt: Teambesprechungen, Versuchsplanungen, viel organisatorische Arbeit wie Projektanträge und Publikationen schreiben. Nicht zu vergessen, zahlreiche Vorlesungen, Seminare und Praktika vorbereiten und Studierende betreuen. Soll heißen, das Labor kenne ich fast nur noch durch „Erzählungen“ meiner Studis. Aber auch diese Arbeit mache ich sehr gerne.

Wie steht um die Rahmenbedingungen für Forschung an der JKU?
Grundsätzlich bietet die JKU ein sehr angenehmes Arbeitsumfeld zum Forschen. Nachteil natürlich, dass es immer zu wenige fixe Stellen gibt und man sich mit der Einwerbung von drittmittel-Projekten über Wasser halten muss. Das bedeutet auch, dass man eigentlich immer nur 3 Jahre Forschungsgelder zur Verfügung hat und danach erneut ein Projekt beantragen muss. Die Förderquote beim FWF liegt bei ca 15-20% - es braucht also auch ein Quäntchen Glück, sein Projekt bewilligt zu bekommen. Ich hatte dieses Glück auch auf meiner Seite, denn in den letzten Jahren, konnte ich 5 FWF-geförderte Projekte lukrieren und so die Personalkosten für mich selbst aber auch für Dissertant*innen und Masterstudent*innen sichern. Seit Ende letzten Jahres habe ich eine halbe Stelle an der School of Education im Bereich MINT-Didaktik. Hier bin ich stark involviert in der Lehre für das Lehramtsstudium Biologie. Ehrlichgesagt – ich wollte nie Lehrerin werden (da können Sie meine Mama fragen, die ist Lehrerin) – aber seitdem ich das hauptsächlich mache, tue ich das irrsinnig gern und es macht mir Freude, mein Wissen weiterzugeben. UND - es macht Sinn – unsere zukünftigen Biologielehrer*innen sollen bestens über die Biologie Bescheid wissen, da sie ihr Wissen ja an die junge Generation weitergeben. Und da muss man natürlich auch bestens Bescheid wissen über die aktuellen Themen in der Biologie wie DNA, RNA, PCR, Krebsentstehung, Immunsystem, CRISPR/Cas) (die „Genschere“, mit Hilfe dieser man DNA im Menschen gezielt verändern kann),… und natürlich auch über Viren und im speziellen SARS-CoV-2 – das alles versuche ich in meinen Vorlesungen zu vermitteln. Mir ist sehr wichtig, dass meine Student*innen Wissenschaftskompetenz besitzen und diese in ihrer späteren Laufbahn and die Schüler*innen korrekt weitergeben!

Welches Potenzial schlummert in Österreich Forschung?
Ein sehr großes, wenn Sie mich fragen. Ich kenne sehr viele Leute, die wirklich ihr Herzblut in die Forschung stecken. Allerdings wird uns allen von der Regierung ein großer Stein in den Weg gelegt: das UG2002 mit seiner Kettenvertragsregelung in §109. Dieser besagt, dass man nur eine gewisse Zeit eine befristete Anstellung an einer Universität haben darf. Natürlich wäre die Intention dahinter, dass dann eine Entfristung folgt. In der Praxis ist dem aber nicht so: die Forscher*innen verlassen die Unis, weil sie keinen unbefristeten Vertrag von ihrem Arbeitgeber bekommen. So geht natürlich immenses know-how für die Unis verloren (eine Schande und völlig unnötig, wie ich meine). Österreich könnte im weltweiten Forschungs-Spitzenfeld liegen, wenn auch die „Vertragsbedingungen“ an den Unis passend wären – so wandern viele in die Privatwirtschaft ab.

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