Mini Med Studium zum Thema 24-Stunden-Rundum-Betreuung
Das Mini Med Studium im Rathaus Linz befasste sich vergangene Woche mit dem Thema dezentralisierte wohnortnahe Basisversorgung der Bevölkerung in der Zukunft. „Primary Health Care“ (PHC), also die Primärversorgung aller Patienten ist ein wesentliches Ziel der österreichischen Gesundheitsreform. Der Allgemeinmediziner soll in seiner Rolle als erster Ansprechpartner des Patienten im System gestärkt werden. Dazu bedarf es vor allem einer engeren Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und anderen medizinischen und sozialen Berufen, um PatientInnen noch besser versorgen zu können.
Hausärzte im Mittelpunkt
Hausärzte stehen im Mittelpunkt dieses neuen Modells. Sie sind die Lotsen im Gesundheitssystem und sorgen für die Orientierung der Patienten dahingehend ihm den „best point of service“, sprich die beste Versorgung für sein Anliegen zu organisieren. „Viele Jahre lang redet man schon davon, die Hausärzte zu stärken, passiert ist leider wenig“, kritisiert der Allgemeinmediziner und Kurienobmann-Stellvertreter der niedergelassenen Ärzten, Wolfgang Ziegler.
„Das System ist spitalslastig. Jeder vierte Österreicher liegt ein Mal im Jahr im Spital. Damit stehen wir an der Spitze in Europa. Mit dem PHC-Konzept sollen die Spitalsambulanzen entlastet werden. Weitere Vorteile sind etwa die vertiefte Langzeitbeziehung zwischen Arzt und Patienten, chronisch Kranke werden optimal versorgt, um besser und länger zu leben, die Überweisung zu Fachärzten erfolgt gezielt und mit kürzeren Wartezeiten, die Mortalität von früh behandelbaren Krebsarten soll sinken“, sagt Allgemeinmediziner und Vorstandsmitglied der oö Gesellschaft für Allgemein-und Familienmedizin, Erwin Rebhandl.
Versorgung im Team
Zum Kernteam einer Primärversorgungseinheit, die in einem Zentrum oder als Netzwerk organisiert werden kann, zählen Hausärzte, Ordinationsassistenten und eventuell Pflegepersonen. Zum erweiterten Netzwerk gehören auch Diätologen, Ergotherapeuten, Psychotherapeuten oder Psychologen, Hebammen, Logopäden, medizinische Hauskrankenpflege, mobile Dienste, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter. „90 Prozent aller medizinischen Leistungen sollen von der Primärversorgung und extramural abgedeckt werden. Anfang 2016 wird ein Pilotprojekt in Enns mit vier Hausärzten und einem interdisziplinären Kernteam gestartet. Der Patient hat für alle Leistungen in diesem Zentrum nichts zu bezahlen“, sagt Franz Kiesl, Ressortleiter der OÖGKK und meint, dass zur Zeit die finanzielle Abgeltung und Spektrum der spezifischen Leistungen anderer Berufsgruppen, die im Ennser Pilotprojekt gebraucht werden, mit dem Land Oberösterreich verhandelt und definiert werden.
Persönliche Betreuung
Die Pflege ist ein wesentlicher Fixbestandteil des Kernteams. „Wir haben sehr gut ausgebildetes Personal mit Zusatzbefähigungen etwa im Wundmanagement, der Geriatrie oder für Demenz, die in der Primärversorgung hilfreich sind. Die Vernetzung lässt sich rasch umsetzen“, erläutert Eva Siegrist, Leiterin des Kompetenzmanagementes Pflege in der gespag. In manchen Bereichen bisher vernachlässigt und im neuen Konzept mit eingebunden ist auch die psychologische Betreuung. „Die Psychologie kann von der Prävention über die Diagnostik bis zur Krankheitsbewältigung viel leisten“ sagt die Klinische- und Gesundheitspsychologin Claudia Hockl aus Enns.
Eine enge Zusammenarbeit des Primärversorgungs-Netzwerkes sollte auch mit Apotheken, BandagistInnen, FachärztInnen, den Gemeinden, in denen das Zentrum tätig ist, aber auch mit Krankenanstalten, Pflegeeinrichtungen, Sozialversicherungsträgern sowie weiteren Organisationen, wie Rettungs- und Bereitschaftsdiensten erfolgen. Das Ziel einer solchen Einrichtung liegt auf der Hand: Je besser die einzelnen Organisationen vernetzt sind, desto rascher, exakter und erfolgreicher können Patienten betreut werden. Das spart Zeit und Geld. Zudem können sich Patienten in diesem neuen System auch freiwillig für längere Zeit an eine solche Primärversorgungseinheit binden. Für chronisch kranke Menschen ist es vorteilhaft, immer die gleichen AnsprechpartnerInnen zu haben und nicht jedes Mal ihre gesamte Krankengeschichte berichten zu müssen.
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