Skelett auf der Keplerwiese ausgegraben
Seit mittlerweile 14 Jahren begibt sich jeweils im August ein Team aus Wissenschaftlern, Studenten der Universitäten Graz und Wien sowie archäologisch interessierten freiwilligen Mitarbeitern auf Spurensuche nach dem mittelalterlichen Linz. Unter bewährter Projektleitung des Linzer Stadtarchäologen Erwin M. Ruprechtsberger (Nordico) und Otto H. Urban vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien hat die heurige Forschungskampagne völlig neue Aspekte der Stadtgeschichte des frühen Mittelalters und der Zeit der napoleonischen Kriege ergeben.
Gegraben wurde bis über 2,5 Meter in die Tiefe auf einer Fläche von sechs mal fünf Metern. Hier traf das Team völlig unerwartet auf das Mauerwerk eines Rundbaus aus Stein mit Innenverputz aus Mörtel. Die oberste Verfüllung, bestehend aus „Müll“ der 1930-er Jahre, zeigt an, dass die Steinlage damals noch sichtbar gewesen sein musste. Interessanter Kulturschutt, bestehend aus kleinen Fläschchen, Bierflaschen mit Verschluss und Aufschrift, Porzellan, Pfeifenköpfen mit Aufschrift, Emailgeschirr, Eisenteilen oder Keramikgefäßen, als Besonderheit eine Porzellantasse mit der Aufschrift „Gruß aus Linz“, wurde hier vorgefunden.
Der Rundbau selbst stammt voraussichtlich aus der Zeit Napoleons. Es dürfte sich um ein Munitionsdepot handeln, das in Verbindung mit jenem Schanzwerk für eine Kanonenstellung zu sehen ist, deren breiter und tiefer Graben in den vorangegangenen Kampagnen erstmals topographisch fixiert werden konnte.
Aus dem ersten Jahrhundert nach Christi stammen Reste von Holzbauten. Im vierten Jahrhundert nach Christi standen dort Häuser, nach deren Aufgabe Bestattungen vorgenommen wurden. Ein freigelegtes Grab mit einem Skelett aus der Zeit um 500 nach Christi sorgte für besondere Aufmerksamkeit. Aufgrund des robusten Knochenbaus wird ein bestatteter Mann vermutet. Die unteren Extremitäten wurden bei der Anlage eines breiten Grabens aus dem späten Mittelalter beziehungsweise der frühen Neuzeit abgetrennt. Die anthropologische Untersuchung wird noch im Naturhistorischen Museum in Wien vorgenommen. In der obersten Schicht sind schließlich noch Betonfundamente von Baracken aus der NS-Zeit gefunden worden.
Unter idealen Wetterbedingungen konnte die heurige Ausgrabungskampagne auf der Keplerwiese am Schlossberg nun erfolgreich abgeschlossen werden. Vizebürgermeister Dr. Erich Watzl stattete dem Forschungsteam Anfang dieser Woche einen Besuch ab, um sich persönlich ein Bild von den neuesten Funden und Erkenntnissen zu machen. „Die Erforschung urgeschichtlicher Siedlungen in und um Linz bringt jährlich erstaunliche und wichtige Erkenntnisse zur geschichtlichen Entwicklung unserer Stadt zu Tage“, weist der Linzer Kulturreferent auf die wertvolle Arbeit der Grabungsteilnehmer hin.
Ziel der nächsten Grabung im August 2013 ist die Untersuchung des Rundturms und des Mauerwerks, wobei die Tiefe eruiert werden soll.
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