Interview
Ulrike Huemer: "Innovation ist geprägt von Fehlerkultur"

Die Verwaltungsjuristin und gebürtige Linzerin Ulrike Huemer ist seit zwei Jahren die höchste Beamtin in der Linzer Stadtverwaltung. | Foto: BRS/Gschwandtner
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  • Die Verwaltungsjuristin und gebürtige Linzerin Ulrike Huemer ist seit zwei Jahren die höchste Beamtin in der Linzer Stadtverwaltung.
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Magistratsdirektorin Ulrike Huemer im Interview über zu schnelles Tempo, fehlende Fehlerkultur, unausweichliche Generationenwechsel, Hacker-Angriffe und vieles mehr.

LINZ. Seit zwei Jahren arbeitet Ulrike Huemer als höchste Beamtin der Linzer Stadtverwaltung auf Hochtouren im Hintergrund. Uns verrät sie, woran.

Sie sind jetzt seit zwei Jahren wieder in Linz? Was hat Sie am meisten an der Stadt überrascht?
Was mich am meisten fasziniert, ist, wie dieser Wandel von sich gegangen ist. Ich kenne Linz aus meiner Studienzeit vor 20 Jahren. Da hat sie schon diesen Nimbus der grauen, dreckigen Industriestadt gehabt. Insgesamt strahlt Linz heute einfach unglaublich viel Modernität aus. 

"Ich finde Linz einfach toll"

Gibt es etwas, das Sie eher nicht so toll finden?
Eigentlich nicht. Ich gehe extrem gerne ins Büro und ich finde Linz einfach toll.

Pendeln Sie immer noch zwischen Linz und Wien?
Ich pendle, das liegt daran, dass mein Mann seine Firma in Wien hat. Aber ich bin natürlich regelmäßig in Linz und erkunde die Stadt. 

Sie waren zuvor in den Stadtverwaltungen in Villach und Wien tätig. Was ist in Linz Ihrer Meinung nach anders?
Am besten ist der Vergleich mit Wien und da ist es einfach die Größe. In Wien sind 25.000 Mitarbeiter alleine im Magistrat. Das ist einfach was ganz anderes, in so einem Großunternehmen arbeiten und gestalten zu wollen, als im Magistrat Linz mit 4.000 Mitarbeitern. Man kann den Linzer Magistrat leichter gestalten. 

Ulrike Huemer ist Expertin für Digitalisierungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung. | Foto: BRS/Gschwandtner
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Sie haben zu Beginn betont, Ihre Türen stehen allen offen. Wie viele der 4.000 Mitarbeiter sind schon bei Ihnen aufgeschlagen?
Ich habe es nicht gezählt, aber durchaus viele, wenn auch nicht alle persönlich. Wir haben ein Postfach eingerichtet, wo Kollegen Feedback geben. 

Sie sind mit dem Anspruch angetreten, vieles in der Linzer Verwaltung zu verändern. Was ist Ihnen in den zwei Jahren konkret gelungen?
Wir haben eine völlig neue Unternehmensstrategie entwickelt. Dazu gibt es eine Roadmap bis 2023 mit konkreten Projekten. Begleitet war das alles natürlich vom Krisenmanagement, das uns in Linz sehr gut gelungen ist. Wir sind beim Contact Tracing nie so ganz ins Trudeln gekommen. Es war auch ein guter Zusammenhalt spürbar. Ich alleine kann den Magistrat nicht verändern und auch einzelne Mitarbeiter können nicht alleine Projekte schaffen. Wenn wir diesen Weg gehen wollen, braucht es einfach Zusammenhalt. 

"Wir haben keine ausgeprägte Fehlerkultur"

Und für welche Ideen war die Zeit noch nicht reif?
Ich habe schon den Eindruck gewonnen, dass viele Dinge möglich sind, aber man muss aufpassen, welches Tempo man geht. Wenn wir einen Zeitplan definieren, wollen viele auf der sicheren Seite sein und bauen Puffer ein. Wir haben keine ausgeprägte Fehlerkultur. Wenn ein Projekt im Dezember fertig sein soll und es das erst im Jänner ist, dann steht in der Zeitung, dass es die öffentliche Verwaltung wieder nicht geschafft hat. Da braucht es einen Kulturwandel, denn Innovation ist geprägt von Fehlerkultur. 

Kann eine Einzelperson einen Kulturwandel einleiten, vom alten Magistrat zum digitalen Amt einer Smart City?
Aus meiner Sicht braucht es, um eine Organisation zu verändern, immer ein Team. Man kann als Führungskraft den Weg vorgeben, muss aber immer Vorbild sein. Die Mitarbeiter müssen das Gefühl bekommen, da gibt es eine Führungskraft, die steht zu dem, was sie sagt, steht zum Team und nimmt auch auf das Team Rücksicht. Ich habe schon meine Vorstellungen, bin aber nicht eine, die nicht nach links oder rechts schaut. Man muss wissen, wo man Kompromisse macht, ohne den Weg aufzugeben.   

"Die Pandemie hat uns gefordert"

Was waren die größten Herausforderungen in den letzten zwei Jahren?
Wir waren durch die Pandemie schon gefordert. Dann sind zusätzliche Projekte dazugekommen, das ist schon viel. Aber uns ist extrem viel gelungen und es hat keinen fundamentalen Widerstand gegeben. 

Ihr neuer IKT-Co-Geschäftsführer Markus Hein ist ein Linux-Fan. Was halten Sie davon?
Ich bin durchaus eine Verfechterin von Open-Source-Software, aber nicht dafür, den gesamten Magistrat von Microsoft auf Linux umzustellen. Da ist es mir lieber, wir bringen die Digitalisierungsprojekte voran, die wir uns vorgenommen haben. Wenn da aber Open-Source-Produkte dabei sind, mit denen wir arbeiten können, dann machen wir das.

Eine große Herausforderung ist das Finden neuer Mitarbeiter. | Foto: BRS/Gschwandtner
  • Eine große Herausforderung ist das Finden neuer Mitarbeiter.
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Ein Problem könnte das Personal werden. Wie gehen Sie mit der anstehenden Pensionierungswelle um?
Wir haben einen großen Generationswechsel vor uns und setzen daher ganz stark auf ein neues Employer Branding. Wir wollen uns als Magistrat Linz als modernen, flexiblen Arbeitgeber verkaufen, denn wir sind mit allen anderen Unternehmen im Wettbewerb um die besten Köpfe.

Wo gibt es die meisten Engpässe beim Personal?
Bei Juristen haben wir immer noch gute Bewerbungen, aber so wie alle anderen tun wir uns bei Technikern oder Kindergartenpädagoginnen schwer. Bei den Mitarbeitern der Zukunft geht es in erster Linie ums Wohlbefinden, ein hohes Maß an Flexibilität, also Homeoffice und freie Zeiteinteilung, und das Gefühl, dass man sich innerhalb des Unternehmens verändern kann.     

Können Sie ausschließen, dass so etwas wie die Aktenaffäre noch einmal passiert?
In der Dimension würde ich es ausschließen. Durch IT-Systeme weiß man einfach, wo Rückstände sind. Und es gibt gerade in den Bereichen der Hoheitsverwaltung ein extrem gutes Berichtswesen.

Eine neue "Aktenaffäre" schließt Huemer "in dieser Dimension" aus. | Foto: BRS/Gschwandtner
  • Eine neue "Aktenaffäre" schließt Huemer "in dieser Dimension" aus.
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Wie gut ist die Stadt gegen Hackerangriffe gerüstet?
Wir haben nach dem „Fall Kärnten“ noch einmal sehr kritisch nachgefragt. Unser Standard ist durchaus gut, aber die größte Gefahrenquelle ist der Mitarbeiter selbst, aufgrund von Fishing- oder Ransomware-Attacken. Wir setzen sehr stark auf Bewusstseinsbildung. Im Herbst wird es ein Planspiel geben, wo wir tatsächlich ein Fishing-Mail versenden. 

Sie wollen Sicherheitsschleusen im Neuen Rathaus einbauen. Wann ist es so weit?
Die werden mit Jahresende in Betrieb gehen – hoffen wir, denn es gibt Lieferverzögerungen. Im Alten Rathaus kommt man ohnehin nur mehr mit Läuten rein. Im August starten aber die Umbauarbeiten, dann wird die Portiersloge so gedreht, dass man direkt darauf zugeht und sich anmeldet. 

"Wir haben immer wieder Vorfälle"

Gibt es da noch Schwierigkeiten? Fühlen sich Mitarbeiter unsicher?
Wir haben immer wieder Vorfälle. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, die Unruhe in der Gesellschaft spiegelt sich im Verhalten wider. Das ist für die Mitarbeiter unangenehm, teilweise machen wir uns auch Sorgen. Auch im öffentlichen Dienst muss man sich nicht beschimpfen lassen. 

In Österreich gibt es immer noch das Idealbild vom Josephinischen Beamten, der den Laden schupft, egal wer gerade kurzfristig an der Macht ist. Das Bild einer grundsätzlich professionellen Verwaltung hat in der Corona-Krise durchaus Risse bekommen, vieles hat nicht so funktioniert, wie wir uns das gedacht haben, Stichwort Verordnungen. Wie gut ist die heimische Verwaltung wirklich? 
Ich glaube schon, dass die Verwaltung die Pandemie insgesamt extrem gut gemeistert hat und ich habe es manchmal schon als sehr ungerecht empfunden, wie auf Beamte hingehauen wurde. Gerade jene im Ministerium standen unter einem enormen Druck. Natürlich habe ich mich auch manchmal geärgert, wenn ich am Sonntagabend eine Verordnung bekommen habe und mein Team hätte die schon ab 0 Uhr umsetzen müssen. Aber grosso modo ist gut gearbeitet worden.

Sie waren beim Maiaufmarsch der SPÖ dabei. Gehört das als Linzer Spitzenbeamtin dazu?
Es gibt immer eine Vertretung des Magistrates und ich stehe ja auch dazu, dass ich dieser Partei ideologisch verbunden bin. Aber ich pflege zu allen Linzer Parteien einen sehr guten Kontakt und versuche eine Äquidistanz zu haben und zu schauen, dass die Verwaltung gut funktioniert.

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