Stadtarchiv
Zu Besuch im Gedächtnis der Stadt Linz
Im Archiv der Stadt Linz wird nicht nur klassisch archiviert, sondern auf Hochtouren digitalisiert. Wir haben Direktor Walter Schuster und seinem Team einen Besuch abgestattet.
LINZ. Das Gedächtnis der Stadt befindet sich tief in den Kellern des Neuen Rathauses. In endlos langen Regalen lagern derzeit mehr als 10.000 Regallaufmeter an Archivbeständen – darunter rund 600 Urkunden des Mittelalters und der frühen Neuzeit ab dem Jahr 1298. Fast 90 Prozent der Bestände sind aber Verwaltungsakten des 20. Jahrhunderts. Das hat zwei Gründe: Einerseits ist das Archiv der Stadt Linz kein rein historisches Archiv, wie Direktor Walter Schuster erklärt, sondern auch ein "Zwischenarchiv" für die Linzer Stadtverwaltung: "Wir archivieren Bestände für den Magistrat, die noch benötigt werden", so Schuster. Andererseits fielen ein Großteil der älteren Akten und Handschriften der sogenannten "Archivkatastrophe" von 1823 zum Opfer.
"Da blutet das Herz"
Damals wurde aus Platzgründen ausgemistet und fast alles weggeworfen. "Als Historiker blutet einem das Herz", sagt Archivwissenschaftler Johannes Kaska. "Man hat wirklich nur das Allerwichtigste behalten", ergänzt seine Kollegin Maria Altrichter. Dabei wären etwa Rechnungsbücher zur Erforschung der Alltagsgeschichte besonders wichtig. "Wenn man zu alltäglicheren Dingen forschen will, die in einer Stadt passiert sind, braucht man die Masse der Akten und nicht nur die Highlights", so Altrichter. Sehenswert sind die verbliebenen Highlights aber trotzdem.
Schätze im Archiv
Besonders zwei Urkunden heben Kaska und Altrichter hervor: Die Landeshauptstadt-Urkunde, verliehen von Kaiser Friedrich III, aus dem Jahr 1490 hat Linz auch offiziell zur Landeshauptstadt gemacht und eine Reihe von Rechten, wie die Wahl eines Bürgermeisters, festgehalten. Spannend ist auch das "Linzer Brückenprivileg". Der Kaiser erlaubte der Stadt im Jahr 1497 eine Brücke über die Donau zu bauen und die Maut zu kassieren – sehr zum Ärger der Urfahraner auf der anderen Seite der Donau, deren Fährleute auf einen Schlag ihre wichtigste Einnahmequelle verloren.
Mammutaufgabe Digitalisierung
So beeindruckend die alten Urkunden auch sind. Heute dreht sich im Archiv der Stadt Linz vieles um Digitalisierung. Dadurch sollen die wertvollen Bestände nicht nur erhalten, sondern auch besser zugänglich gemacht werden. Was für ein Mammut-Projekt das ist, zeigt eine einfache Rechnung: Um alle Bestände einzuscannen, würde eine Person rund 770 Jahre beschäftigt sein. Dabei ist der Scan nicht einmal der Hauptaufwand, die Dokumente müssen dann noch aufbereitet und zugänglich gemacht werden.
Die Uhr tickt
Dazu kommt, dass bei vielen Datenträgern die Uhr tickt, wie bei seltenen Ton- oder Filmaufnahmen. etwa ein Film von der Eröffnung der Diesterwegschule 1931. Der 35mm-Nitrofilm wurde eines Tages in einem Kasten im Archiv gefunden und mit Unterstützung des Programmkinos Moviemento zum Laufen gebracht. "Der Kollege damals hat gleich mitgefilmt, damit man den Film nicht immer angreifen muss", erzählt Walter Mittermayr, der sich im Stadtarchiv mit der Digitalisierung dieser Aufnahmen beschäftigt. Immer wieder haben Mitarbeiter in den vergangenen Jahrzehnten gezielt Tonbandinterviews mit Zeitzeugen gemacht oder zu Dokumentarzwecken in der Stadt gefilmt. Diese gilt es zu sichern, denn es wird immer schwieriger, die passenden Abspielgräte zu finden oder zu erhalten. 200 bis 300.000 Digitalisate gibt es aktuell im Archiv der Stadt Linz, allerdings nur zum Recherchieren. Die Langzeitsicherung ist eine Herausforderung, die Archive überall beschäftigt.
Die richtige Auswahl
Die Vorstellung, dass alles aufgehoben wird, täuscht aber, denn das ist schon aus Platzgründen nicht möglich. Das Auswählen ist deshalb eine wichtige Aufgabe für die Mitarbeiter des Archivs, für das man historisches Gespür braucht. "Man muss versuchen vorherzusagen, was theoretisch einmal relevant sein könnte", sagt Kaska. Man hebt etwa Muster auf, also nicht alle Akten aus einem Jahr sondern nur ein Monat, damit dokumentiert ist, wie ein Verwaltungsvorgang damals ausgesehen hat.
Privatspenden willkommen
Auch über Spenden von Privaten ist man froh. Diese sind zwar nicht immer von großer historischer Relevanz, aber durchaus als Beispiele für Alltagsgeschichtliches, sagt Altrichter. Selbst sammeln die Mitarbeiter natürlich auch, wenngleich nicht jeder Flohmarktstand mit alten Fotos gleich abgeräumt wird. "Man kriegt sicher eine gewisse Abgebrühtheit", so Altrichter. Private Fotos seien zwar nett, aber ohne Kontext helfen sie nur bedingt. Aber das heiße nicht, dass so etwas nicht wert sei, aufgehoben zu werden. Das könne ja auch einen dekorativen Nutzen haben.
Aktuelle Projekte
Die 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zwei Lehrlinge sind aber nicht nur mit Ablegen, Einordnen und Digitalisieren beschäftigt. Immer wieder stehen größere Projekte an, wie Publikationen, Bildbände oder andere Forschungsarbeiten. Besonders beliebt sind die Online-Angebote, wie etwa die Denkmaldatenbank oder das Straßenverzeichnis, wo man erfahren kann, warum und wonach die Linzer Straßen benannt sind. "Gerade des Straßenverzeichnis hat hohe Zugriffe", sagt Schuster. Aktuell läuft etwa ein Projekt, bei dem die Protokolle der Linzer Gemeinderatssitzungen aufbereitet werden. Außerdem durchforsten Schuster und sein Team Linzer Straßennahmen auf möglicherweise problematische Namenspatronen. Damit liefert das Archiv der Stadt Linz auch wichtige Grundlagen für politische Entscheidungen.
Mehr Informationen zum Archiv der Stadt Linz finden Sie hier.
Die beliebte BezirksRundSchau-Serie mit alten Aufnahmen aus dem Archiv der Stadt Linz finden Sie unter diesem Link.
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