Lebenshilfe OÖ
Es herrscht noch immer "Notstand" bei Wohnplätzen
Neues Präsidium der Lebenshilfe drängt auf die Schaffung von weiteren Wohnplätzen für Menschen mit Beeinträchtigungen.
LINZ. Nach dem ereignisreichen Jubiläumsjahr – die Lebenshilfe wurde 50 – startet der größte Träger der oö. Behindertenhilfe mit neugewähltem Präsidium in die neue Amtsperiode. Helga Scheidl wurde als Präsidentin bestätigt, ebenso wie Vizepräsident Josef Stockinger. Neu im dreiköpfigen Präsidium ist der Linzer Stefan Hutter, der hauptberuflich Vorstandsobmann der Wohnbaugenossenschaft WSG ist. Der Bauingeneur hat einen sehr persönlichen Bezug zur Lebenshilfe, denn seine Schwester wird in der Lebenshilfe Werkstätte Linz Urfahr begleitet.
"Als meine Eltern 2004 erkrankten, war ich plötzlich in der Verantwortung und sehr froh, rasch einen Kurzzeitplatz gefunden zu haben. Aufgrund der familiären Notsituation konnte schließlich ein Wohnplatz in der Volkshilfe für sie gefunden werden", erzählt Hutter.
Nun möchte er mit einem sozialen Engagement etwas bewirken.
"Es darf keinen Stillstand geben"
Entstanden aus einer Elterninitiative versteht sich die Lebenshilfe auch heute noch als Lobby für Menschen mit Beeinträchtigungen. "Wir sind eine starke und manchmal auch sehr unangenehme Stimme für Inklusion", sagt Stockinger. Die größte Herausforderung sieht die Lebenshilfe nach wie vor in der Schaffung von Wohnplätzen. Trotz der 400 von Landeshauptmann Thomas Stelzer bis 2021 zugesagten zusätzlichen Plätze, fehlen weitere 400 bis 500 Plätze in Oberösterreich. "Erst dann kommen wir vom Notstand in den Normalzustand", so Stockinger.
"Große Zukunftssorgen"
Der große Nachholbedarf erklärt sich einerseits mit der gestiegenen Lebenserwartung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Andererseits ist der Mangel an Betreuungsplätzen ein Erbe der Nazi-Zeit. Weil Behinderte im Dritten Reich als "lebensunwertes Leben" bezeichnet und umgebracht wurden, gab es 1945 in Oberösterreich schlichtweg kaum noch jemand. Die erste Nachkriegsgeneration ist mittlerweile im Pensionsalter, die Angehörigen oft schon wesentlich älter und mit der Betreuung überfordert. Daraus ergeben sich immer wieder dramatische Situationen.
"Fehlende Perspektiven auf einen Wohnplatz bereiten Angehörigen große Zukunftssorgen. Es kann nicht sein, dass Menschen mit Beeinträchtigungen erst mit 50 von daheim ausziehen können und auch für Angehörige ist es eine Zumutung, dass erst ein familiärer Notfall eintreffen muss, damit ein Wohnplatz angeboten werden kann", sagt Scheidl.
Integrative Beschäftigung
Besser ist die Situation in Oberösterreich im Arbeitsbereich. Alleine die Lebenshilfe unterhält 41 Werkstätten, die es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Mehr als 300 Personen arbeiten zudem mehr als vier Stunden pro Woche in Wirtschaftsbetrieben oder ausgelagerten Cafés und Hofläden – 100 Partner hat die Lebenshilfe in diesem Bereich. In fast allen Unternehmen lassen sich bei gutem Willen Tätigkeiten finden, bei denen Lebenshilfe-Klienten einen echten Beitrag leisten können.
"Die Reife einer Gesellschaft und eine demokratische Kultur zeigt sich darin, wie die Gesellschaft mit ihren Schwächsten umgeht", so Stockinger.
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