Stille Dankbarkeit als Lohn
Bauern helfen Bauern in Srebrenica – unter ihnen fünf Mühlbacher, die eigenhändig ein Heim errichten.
Zwei bosnische Arbeiter zeigen mit ihren Händen auf einen Bretterhaufen, Backsteine und Dachschindeln in der Wiese. Niemand versteht ihre Sprache, aber Peter Kontriner und seine vier jugendlichen Begleiter deuten ihre Gesten richtig – aus diesem „Materialhaufen“ soll ein echtes Haus entstehen und das in nur wenigen Tagen. Das Land um die vier Mühlbacher, weit weg von ihrer Heimat, ist fruchtbar und hügelig, die Bewohner sind arm und traumatisiert. Nach einer zwölfstündigen Autofahrt stehen sie in einem Dorf bei Srebrenica (Bosnien), dem Ort, an dem 1995 ein großes Massaker stattfand – Häuser wurden niedergebrannt, Frauen vergewaltigt und 10.000 Männer ermordet – und fragen sich, wie sie mit diesem Material bloß ihr Vorhaben umsetzen sollen.
Ein Mann und vier Teenies zum Hausbau in Bosnien
Peter Kontriner, mit seinen beiden Kindern Anna (14) und Markus (17), sowie zwei 16- und 14-jährige Schulfreunde (Vanessa Rebernig und Julian Plenk) spendeten über den Verein „Bauern helfen Bauern“ nicht nur ein Haus, sondern stellten jenes in Srebrenica auch selbst auf. Seit 1992 bringt die private, unabhängige Organisation „Bauern helfen Bauern“ humanitäre Unterstützung in Form von Sachspenden oder dem ehrenamtlichen Aufbau einfacher Holzhäuser zu den Menschen in Bosnien.
„Ich bin über Michael Kowarsch, der in Mühlbach und Bosnien jährlich den Zirkuscamp für Kinder veranstaltet auf diese Idee gebracht worden“, berichtet Kontriner, der sich sofort begeistert davon zeigte und seine Kinder mit dem Enthusiasmus zum Helfen ansteckt. Was als Idee im Frühjahr 2011 entstand, ist nun Realität geworden. Die bosnischen Arbeiter von „Bauern helfen Bauern“ sind skeptisch, als sie den Mann mit seinen Begleitern sehen. Sie fragen sich, ob vier Jugendliche diese Arbeit überhaupt verrichten können. „Aber zu Mittag waren wir bereits ein Team“, so Kontriner, der aus Berufswegen Erfahrungen mit der Arbeit im Ausland hat.
„Statiker und Bauzeichner hätten ihre Freude gehabt“
Alle am Bau Beteiligten setzen sich. Auf einem Blatt Papier wird der Plan des späteren „zweistöckigen“ 28 Quadratmeter-Hauses gezeichnet. Da der Grund uneben ist, wird das Fundament auf Ziegelsteinen „aufgebockt“ – „ich dachte, das hält nie. Aber ein, seit 15 Jahren stehendes, Haus mit gleichem Fundament hat mich eines Besseren belehrt“, lacht der Mühlbacher, „trotzdem, Statiker und Bauzeichner hätten ihre Freude mit uns gehabt.“
Holzbretter um Holzbretter werden zusammengenagelt, die Isolierung kommt dazwischen. Motorsäge, Hammer und 9.000 Nägel sind die einzigen Werkzeuge, aber – „das reicht aus, um ein Haus zu bauen“, erfährt Kontriner. Das junge Paar, Mirnes und Sena Kharic, das im Anschluss das Haus bewohnen wird, ist dabei und hilft mit. Sie sind schüchtern und gehemmt, man erkennt, dass die Kriegswirren ihnen zugesetzt haben. „Es hat den Menschen dort viel bedeutet, dass ihr Haus keine anonyme Spende war und sie uns persönlich kennen lernen konnten. Ihre stille Dankbarkeit hat uns alle sehr glücklich gemacht“, so die Hausbauer, „das Problem dieser Region ist, dass die Regierung nichts unternimmt, um die missliche Lage der Bürger zu ändern. Die zerstörten Fabriken wurden nicht wieder aufgebaut und die Felder der Bauern sind vermint, weshalb sie nicht bebaut werden können. Alles was sie zum Überleben brauchen, bauen sie im Garten an, dazu halten sie Schafe und Hühner, mehr gibt es dort nicht.“
Jede Kultur hat ihren eigenen Ausdruck der Dankbarkeit
„Einmal haben die Dorfbewohner für uns Lamm gekocht und als Dank bekam ich das Auge eines Schafbocks zu essen“, erzählt Peter Kontriner, „es schmeckte wie ein rohes Ei.“
Am Ende der vier Tage steht das Häuschen und wird mit dem Hab und Gut des jungen Paares ausgestattet. Dazu gesellen sich ein Ofen, Matratzen und weitere Sachspenden, welche die Familie Kontriner mit Unterstützung der Familien Plenk und Rebernig mitgenommen hat. Die Zugabe: Das neue Häuschen wird komplett elektrifiziert. Mit dem Gefühl etwas geschaffen zu haben, fah-ren die Pongauer nach Hause.
Fotos: Peter Kontriner
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