Melker in "sozialer Hängematte"

- Ist die bedarfsorientierte Mindestsicherung tatsächlich eine "Soziale Hängematte"?
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410 Melker waren 2014 "arbeitsfähige" Mindestsicherungsbezieher, künftig sollen sie - wenn es nach Landesvize Wolfgang Sobotka geht - gemeinnützig arbeiten.
BEZIRK MELK. Schlecht ausgebildet, chronisch krank, niedriges Gehalt: Alles Gründe für den Bezug bedarfsorientierter Mindestsicherung (MS). 2014 waren es 1.117 Menschen im Bezirk (410 "arbeitsfähig"). Diese Gruppe will Landesvize Wolfgang Sobotka künftig gemeinnützige Arbeit verrichten sehen (siehe Interview). Die Bezirksblätter haben sich im Bezirk umgehört und Meinungen dazu eingeholt.
Die Eignung ist wichtig
"Wir haben immer Bedarf an ehrenamtlichen Mitarbeitern, aber das hat nichts mit dem Einkommen zu tun", sagt etwa Stefan Draxler, Geschäftsführer der Rot-Kreuz-Bezirksstelle Melk. AMS-Chef Josef Mayer hält die Idee für sinnvoll, aber: "Gemeinnützige Arbeit ist mir zu allgemein formuliert, da fällt viel darunter. Es gab auch bisher schon Beschäftigungs-Programme für Langzeitarbeitslose, etwa in den Gemeinden. Das wurde wenig angenommen."
Anton Grubers Kommune nahm es an. Der Bürgermeister erzählt: "Wir beschäftigen gerne schwer vermittelbare Menschen für einige Monate. Doch die Personen müssen auch für die Arbeit geeignet sein", glaubt Gruber, dass nicht jeder Mensch für jede Arbeit geschaffen ist. "Freiwillig immer gerne, aber bei Zwang muss man vorsichtig sein", so Gruber, der die Höhe der Mindestsicherung betreffend anmerkt: "Ich habe selbst mit Mindestsicherungs-Anträgen zu tun: 827 Euro hat noch nie jemand bekommen." Tatsächlich müsse erst das Gesamtvermögen (Wohnung, Auto, Erspartes, etc.) bis zu einem Freibetrag von 4.000 Euro aufgebraucht werden, ehe Mindestsicherung bezahlt wird.
Den Hürmer Rasen trimmen
Grubers Kollege Johannes Zuser findet Sobotkas Ansatz gut: "In Hürm hätten wir saisonal für drei bis fünf Monate Bedarf, etwa für die Rasenpflege." Er sieht das Problem, dass die Arbeiter angelernt werden müssten. Melks SP-Chef und Sozialstadtrat, Jürgen Eder, betont: "Keiner ist vor so einer misslichen Lage gefeit. Im Notall ist die Unterstützung der solidarischen Gesellschaft wichtig", sei es laut Eder niemandes Lebensziel von 827 Euro zu leben. Sobotka richtet er aus: "Der Landesrat soll sich darauf konzentrieren, Unternehmer dazu zu bringen, Jobs anzubieten, von denen die Menschen auch leben können." Mehr: www.meinzbezirk.at/melk
Zur Sache
Bezirkszahlen 2014 zur Mindestsicherung: Im Jahr 2014 waren im Bezirk 1.117 Menschen MS-Bezieher, das sind 1,46 Prozent der Bezirksbevölkerung; NÖ-weit ist das der zwölfte Platz; Von den 1.117 Personen waren 410 arbeitsfähig; 20 Prozent der Kosten tragen die Gemeinden. Im Bezirk Melk waren das 383.821 Euro - im Schnitt ca. 9600 Euro pro Gemeinde. Den Rest tragen Land NÖ (20 Prozent) und Bund (60 Prozent).
Stimmen aus dem Bezirk
Anton Gruber, Bürgermeister, Marbach: "Ich habe auf der Gemeinde mit Anträgen auf Mindestsicherung zu tun, eine Person, die tatsächlich 827 Euro bekommt, war noch nie darunter. Mit derartigen Debatten und dem Begriff soziale Hängematte wird nur Neid geschürt. Die Mindestsicherung ist für mich keine Belastung, sondern ich halte es für die Pflicht der Kommunen, sich um die Schwächeren zu kümmern."
Johannes Zuser, Bürgermeister, Hürm: "Die Idee ist grundsätzlich nicht schlecht als Wiedereinstieg. Wie man sie umsetzen könnte, ist die Frage. Wir hätten saisonal für drei bis fünf Monate im Jahr sicher Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräfte, etwa für die Rasenpflege, etc. Aber die Hilfe brauche ich relativ schnell und wenn ich eine neue Arbeitskraft zuerst wieder zwei Wochen anlernen muss, mache ich es lieber gleich selbst. Außerdem muss man sich anschauen, warum eine Person in der Mindestsicherung ist, ob dauerhaft oder nur kurzfristig. Da gibt es viele unterschiedliche Fälle."
Josef Mayer, Chef des AMS Melk: "Grundsätzlich halte ich die Sobotka-Idee für sinnvoll. Aber gemeinnützige Arbeit ist mir zu allgemein formuliert. Es gab schon bisher Aktionen mit Gemeinden, die finanziell unterstützt wurden, wenn sie Mindestsicherungsbezieher oder Langzeitarbeitslose waren. Das wurde aber von den Gemeinden im Bezirk kaum angenommen."
Stefan Draxler, Geschäftsführer der Rot-Kreuz-Bezirksstelle Melk: "Ehrenamtlichkeit muss man sich auch leisten können. Ich meine nicht in finanzieller Hinsicht, sondern was die Zeit betrifft. Außerdem sollte man, wenn man sich wie bei uns um die Probleme anderer Menschen kümmert, möglichst selbst weniger Probleme haben."
Jürgen Eder, Stadtrat für Soziales in Melk: "Zwei Drittel der Bezieher sind sogenannte Aufstocker. Das heißt, dass sie zu wenig verdienen, um sich den geringsten Lebensstandard leisten zu können. Es ist traurige Realität, dass viele Menschen - viele davon Frauen - mit ihrem Einkommen nicht das Auslangen finden. Der Herr Sobotka ist als Spitzenverdiener wohl schon etwas zu weit entfernt von der Realität, um erahnen zu können, dass von der Mindestsicherung zu leben sicher von Niemandem das Lebensziel ist. Er könnte sich bei seinen Parteifreunden dafür einsetzen, den Leuten eine Perspektive zu geben, anstatt sie in die Mindestsicherung zu drängen."





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