Fortsetzungsroman
Geh hin, wo der Pfeffer wächst – Teil 10

Geh hin, wo der Pfeffer wächst schrieb Erika Hager. | Foto: Hager
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BEZIRK NEUNKIRCHEN/NÖ. Fortsetzungsroman: Mit der Buchverkauf wird das Projekt "AIDS-Waisenkinder in Theni", Indien, unterstützt.

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Was kann ich jetzt noch tun? Irgendwie kann ich nicht begreifen, warum ich wegen eines Stücks Papier mit Stempel eine Woche in Singapur herumsitzen und warten muss.
»Schreiben Sie einen Aufsatz, in dem Sie erklären, warum Sie unbedingt nach Indien reisen wollen«,
sagt Mr. Rathore. Aus Erschöpfung in eine Art Trance versetzt, schreibt sich der Text von selbst. Mr. Rathore nickt zufrieden und fragt nach meinem Beruf:
»Ich bin Englischlehrerin.« »Lieben Sie Poesie? Wer ist Ihr Lieblingsdichter?«
Mir fällt Wordsworth zuerst ein und die Anfangs­zeilen von
»I wandered lonely as a cloud that floats on high over vales and hills, When all at once I saw a crowd, a host of golden daffodils…«
und er fährt fort:
»Beside the lake, beneath the trees, fluttering and dancing in the breeze.«
Abwechselnd zitieren wir die Zeilen von Words­worth’s Gedicht, bis wir zum Schluss kommen:
»And then my heart with pleasure fills, and dances with the daffodils«.
Wir haben uns gefunden in der Begeisterung für die englische romantische Dichtung, die größer ist als die Ansprüche der indischen Bürokratie. Am nächsten Tag ist das Visum bereitgestellt und ich fliege vom sauberen Singapur zurück nach Cochin im chaotischen Indien.
Wenn man durch die Altstadt von Cochin flaniert, glaubt man sich in die Zeit der frühen portugiesischen Entdecker versetzt: Es duftet aus den offenen Jutesäcken nach Kardamon, Pfeffer, Zimtstangen und was es sonst noch an Gewürzen aus den nahen Hügeln gibt. In einer engen Gasse findet man die vielleicht einzige Synagoge Indiens, wundervoll gestaltet, jede der weiß-blauen Fliesen ist anders bemalt.
Wir freuen uns, wieder Rose und ihren Ehemann Anthony zu treffen, die mit Sozialprojekten in Südindien betraut sind, und den Fortschritt in den begonnenen Projekten zu sehen. Father Tony will uns mitnehmen nach Talavadi in den Nilgiris Bergen, wo er mit Behinderten und mit Adivasi arbeitet. Da gibt es allerdings eine Hürde: Nilgiris ist zu dem Zeitpunkt für Ausländer gesperrt, denn der Bandit Veerapany hat gedroht, ­ausländische Touristen zu kidnappen, um auf seine ­Anliegen und Ziele aufmerksam zu machen. Als eine Art Robin Hood hält er sich in den undurchdringlichen ­Wäldern versteckt und die Dorfbewohner versorgen ihn mit allem Nötigen. Im Vorjahr hatte er einem hippen Bollywood-Schauspieler eine Unmenge Geld abgeknöpft.
Es gelingt Father Tony, die Polizei zu überreden, uns zum Schutz zwei bewaffnete Polizisten mitzugeben. Eigentlich wird die indische Polizei mehr gefürchtet als geachtet, sie ist bekannt für ihre Willkür und das Abkassieren von Erpressungsgeldern. Uns gegenüber ist ihr Verhalten distanziert-korrekt. Sie begleiten uns bei jedem Schritt, sitzen mit ihren Gewehren bei Tisch und stehen nachts vor der Schlafzimmertür. Als wir uns einmal einen Spaziergang gönnen, fahren sie hinter uns her. Veerapany war nirgends zu sehen, erst einige Jahre später gelang es der Polizei, ihn zu stellen. Er wurde ohne Verhandlung auf schnellstem Weg durch eine Kugel »beseitigt«. Erleichtert verlassen wir die herr­liche Berglandschaft von Nilgiris.
Wir beschließen, uns nach all den Aufregungen am Ende der Reise eine Ayurveda-Kur zu gönnen. An der empfohlenen Adresse, wo wir erstaunt feststellen, dass nur einige indische Frauen da sind, wird uns das »beste« Zimmer zugeteilt. Wir freuen uns auf eine feine Ayurveda Massage, die allerdings auf einem schwarzen, schmierigen Öltuch auf einer Art Schlachtbank durchgeführt wird. Für die Schlammpackungen sitzen wir in finsteren Löchern und die feuchten, weißen Handtücher sehen am zweiten Tag grau aus, weil sie von Ungeziefer bedeckt sind. Glücklicherweise bekommt Mrs. Salmon, eine Inderin, die ebenfalls hier eine Ayurveda-Kur »genießt«, täglich Besuch von ihrem Sohn, der gut Englisch spricht und in uns sehr willkommene Gesprächspartnerinnen findet. Als sie am Ende ihrer Kur das nach ranzigem Öl riechende, von böse blickenden Betreuerinnen geführte Haus verlässt, lädt sie uns ein nach Palliport. Schon am nächsten Tag besuchen wir sie an diesem Ort, der uns wie ein Paradies erscheint. Sofort kündigen wir unsere Kur, doch erklärt man uns, wir müssten bleiben, da die öffentlichen Verkehrsmittel streikten und wir gar nicht wegfahren könnten.
Über so viel Hinterlistigkeit ärgern und amüsieren wir uns, aber als wir am nächsten Morgen auf der Straße auf den Bus warten, kommt tatsächlich keiner. Doch Mrs. Salmon’s Sohn Anthony und sein Freund haben dies vorhergesehen und kommen auf Motorrädern, um uns abzuholen. Mit dem Rucksack auf der Maschine sitzend, den heißen Fahrtwind im Gesicht und mit dem jungen Mann durch die üppige Landschaft rauschend, verschwinden alle unangenehmen Gefühle und Gedanken. Wir kommen an die Küste in unmittelbarer Nähe ihres Heimatortes und nehmen Quartier im Cherai Beach Resort. Beim Blick aus dem Bungalow sieht man auf einer Seite einen unglaublich schönen, endlosen Sandstrand, auf der anderen Seite die Backwaters, wo morgens Männer tauchen, um Sand in Körben nach oben zu bringen. Das alles ist ein Traum − oder doch Indien − mit der hauchdünnen Wand zwischen Dunkel und Licht, Armut und Reichtum, fantastischer Schönheit und erschreckendem Elend.


Sehnsucht – 2008/2009


»Wer einmal nicht nur mit den Augen, etwa als Luxusreisender auf einem Touristendampfer, sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland, an welches jedes leiseste Zeichen ihn mahnend erinnert«. So schreibt Hermann Hesse über sein Verhältnis zum geistigen Indien. So etwas wie ein Heimwehland ist Indien auch für mich geworden.
Ganz eintauchen in das Leben und die Kultur eines fremden Landes gelingt am besten, wenn man längere Zeit dort sein und auch dort arbeiten kann.

Zur Sache
Geh hin, wo der Pfeffer wächst
Reisenotizen aus Nepal und Indien | A travelogue from Nepal and India
Erika Hager
ISBN: 978-3-99028-491-9
19 x 12 cm, 174 S
€ 18

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