Leserbrief einer Lehrerin
Endlich Lehrpläne entrümpeln!

- Die Bezirksblätter hat wieder ein Leserbrief erreicht. (Symbolbild)
- Foto: Julia Hettegger
- hochgeladen von Angelika Illedits
Sehr geehrte ALLE!
Wer mich kennt weiß, dass ich Lehrerin aus Leidenschaft bin und meine Profession als Berufung sehe. Die aktuellen Diskussionen, die unbestritten sehr wichtig und notwendig sind, haben mich dazu veranlasst, diesen Brief zu verfassen. Viele verschiedene Meinungen, Ansichten und Ergebnisse von unterschiedlichsten Untersuchungen werden aufgezeigt.
Aber wie oft werden wir, diejenigen, die unmittelbar an und in den Schulen arbeiten, nach unserer Meinung befragt?
Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich mich für oder gegen eine Schulschließung im Bereich der Mittelschule aussprechen soll. Schüler würden langfristig riesige, unaufholbare Rückstände im Bildungsbereich haben, heißt es. Wer sagt das? Studien? Untersuchungen?
Mut zur Lücke
Ich bin für mich zu folgendem Schluss gekommen: Ich glaube nicht daran, dass unsere Kinder schwerwiegende Bildungsrückstände im Bereich der 10 – 14 Jährigen haben werden. Vielleicht ist es Zeit, endlich unsere Lehrpläne zu entrümpeln und Mut zur Lücke zu haben? Sich auf die wirklich notwendigen und wichtigen Themenbereiche zu konzentrieren?
Dafür ist ein enormes Vertrauen in uns Lehrer notwendig. Seitens des Bildungsministeriums, seitens der Eltern und seitens der Schüler. Beziehung und Vertrauen sind die Basis jedes Unterrichtens. Unterricht findet nicht in einem Ministerium statt. Unterricht findet in den Schulen statt. Lernen kann nur aufgrund von Beziehungen und Vertrauen zwischen Schülern, den Lehrern und den Eltern stattfinden. Davon bin ich überzeugt. Es gibt keine Pauschallösungen, denn jedes Kind, jede Situation, jeder Lehrer und jeder Elternteil ist individuell und speziell und hat ein Recht, als solches gesehen und behandelt zu werden.
Gewerkschaft
Ich möchte an dieser Stelle auch meine Bedenken der Gewerkschaft gegenüber ausdrücken, die meines Erachtens nach momentan den Berufsstand der Lehrerinnen und Lehrer in ein schlechtes Licht rückt. Warum sollten wir, der Lehrerstand, gerade jetzt, in einer Situation, die uns alle mit Sicherheit an unsere Grenzen stoßen lässt, mit zusätzlichen Abgeltungen belohnt werden? Weil wir unseren Unterricht vorbereiten müssen? Ich sehe diese Aufgabe als meine Pflicht, die in meiner Jahresnorm verankert und transparent aufgezeigt ist. Sind wir uns ehrlich - jede verantwortungsbewusste Lehrerin und jeder verantwortungsbewusste Lehrer weiß, wovon ich rede.
Meine sehr geehrten Gewerkschafter, mit diesen und ähnlichen Aussagen und Forderungen helfen Sie uns engagierten Vollblutlehrern nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Sie ruinieren unseren Ruf, unseren Stellenwert und unser Ansehen in der Gesellschaft.
Warum sollen wir eine Sonderbehandlung in Anspruch nehmen? Ich sehe keinen Unterschied zu allen anderen Berufsgruppen in systemerhaltenden Bereichen. Eines haben all diese Menschen gemeinsam – sie haben sich irgendwann dazu entschlossen, in unserem Sozialstaat mit und für Menschen zu arbeiten.
Da die Infektionen exponentiell gestiegen sind, müssen Maßnahmen ergriffen werden um diese zu senken auch wenn es bedeuten sollte, Schulschließungen vorzunehmen. Es liegt an uns Lehrerinnen und Lehrer, mit bestem Wissen und Gewissen daran zu arbeiten, alle Schüler bestmöglich in dieser Zeit zu begleiten, zu erreichen und ihre Eltern zu unterstützen.
Vertrauen und Beziehungen zwischen Schülern, Lehrern, Eltern und der Bildungsdirektion bzw. dem Bildungsministerium haben dabei eine Schlüsselfunktion und sind die Grundvoraussetzungen diese äußerst schwierige Zeit zu bewältigen.
Mit freundlichen Grüßen
Eine Lehrerin
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