Interview mit Johanna Mikl-Leitner
100 Jahre Niederösterreich: Gestern, heute, morgen

Foto: BBNÖ/Daniela Matejschek

2021 war kein Jahr wie jedes andere, 2022 wird es auch nicht sein. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Interview im Gespräch mit Christian Trinkl, Chefredakteur der RegionalMedien Niederösterreich für die BezirksBlätter und MeinBezirk.at

Wir stehen am Anfang von 100 Jahre Niederösterreich, eines Jubiläumsjahres. Gibt es einige Eckpfeiler in der hundertjährigen Geschichte, die für Sie zeigen, welchen Weg das Land eingeschlagen hat?
Die Geschichte Niederösterreichs ist selbstverständlich noch viel weitreichender, tiefgreifender und umfangreicher als die letzten 100 Jahre. Aber die offizielle Trennung von Wien vor 100 Jahren hat die Eigenständigkeit Niederösterreichs stark vorangetrieben. Darüber hinaus haben wir es im Land immer wieder verstanden historische Ereignisse, wie etwa den Fall des Eisernen Vorhangs, den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, die EU-Erweiterung wie auch die Entscheidung hin zu einer eigenen Landeshauptstadt, positiv zu nutzen und neue Wege zu gehen. Wir können stolz darauf sein, dass Niederösterreich heute nicht nur Agrarland Nummer eins ist, sondern auch ein attraktives Wirtschafts-, Wissenschafts- und vor allem Kulturland. Und selbstverständlich wollen wir diese Einzigartigkeit und Vielfalt Niederösterreichs auch in den Mittelpunkt unseres Jubiläums 100 Jahre Niederösterreich stellen, um die Landesidentität weiter zu stärken. Mir persönlich ist es aber wichtig, nicht nur in die Vergangenheit zu schauen, sondern auch einen klaren Plan für die Zukunft zu haben. Und deshalb arbeiten wir auch parteiübergreifend an unserer Landesstrategie 2030, ganz nach dem Motto „Ein Land denkt an morgen“, die wir im kommenden Herbst vorstellen werden.

Von Siegfried Ludwig bleibt die Wahl der Landeshauptstadt, von Erwin Pröll unter anderem die Kultur im Land. Welche Fußspuren wollen Sie im Land hinterlassen?
Ich wünsche mir einfach, dass die Menschen einmal sagen können: Ja, sie hat zur richtigen Zeit das Richtige getan. Sie hat in Kultur, Wissenschaft und viele weitere Bereiche investiert und damit unser Bundesland noch lebens- und liebenswerter gemacht.


Bis vor 100 Jahren waren Wien und NÖ eins. Und auch nach der Trennung bestanden enge Bande – etwa die Pröll-Häupl-Connection. Wie ist die jetzige Zusammenarbeit mit Ihrem Gegenüber Michael Ludwig?

Ein Motto von mir lautet: Politik darf nicht an der Landesgrenze enden, sondern muss in den Lebensräumen der Menschen denken. Und Niederösterreich und Wien sind für viele Bürgerinnen und Bürger ein gemeinsamer Lebensraum. Und eines der zentralsten Themen, die unsere beiden Regionen verbindet, sind die Verkehrsprojekte – im besonderen die Thematik rund die S1, S8 und den Lobautunnel. Tatsache ist, diese Projekte sind im Alleingang und aus ideologischen Gründen von Bundesministerin Gewessler abgesagt worden. Und beide Bundesländer können und werden diese Entscheidung nicht so stehen lassen, weil sie ein Schlag ins Gesicht der gesamten Ostregion ist. Ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger, die in dieser Region seit etwa 20 Jahren auf eine Verkehrsentlastung warten. Michael Ludwig und ich werden weiterhin Hand in Hand gehen. Und wir erwarten uns hier auch ein Umdenken seitens der Frau Bundesminister. Denn es wird auch in Zukunft eine moderne Straßen-Infrastruktur für umweltfreundlichen Verkehr brauchen.

Und dieses "Umdenken" wollen Sie wie erreichen, Gewessler hat sich ja ziemlich festgelegt?
Niederösterreich und Wien prüfen in enger Allianz, welche gesetzlichen und rechtlichen Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen. Wir werden auch jedes rechtliche Mittel einsetzen, um diese Entscheidung zu bekämpfen. Ich appelliere aber auch an die Vernunft und den Hausverstand der Ministerin. Denn wer diese Diskussion ernsthaft führen will, der weiß, dass auch in Zukunft Lkws nicht vom Himmel fallen werden, sondern Straßen brauchen.

Kommen wir zum Top-Thema 2021: Corona. Wie ist Ihre Analyse – wie gut ist Niederösterreich durchgekommen, sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich?
Für jede Region weltweit ist es ein Kraftakt, einerseits die Gesundheit der Menschen zu schützen sowie Systeme und Personal nicht zu überlasten, und andererseits die Wirtschafts- und Arbeitswelt mit Einschränkungen nicht zu überfordern. Diese Verantwortung erfordert sehr viel Energie, Solidarität und Zusammenhalt von allen Landsleuten. Die große Mehrheit der Bevölkerung lebt diesen Zusammenhalt vorbildlich und so ist es auch möglich, dass wir heute in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt vergleichsweise ganz gut dastehen. So prognostizieren uns die Wirtschaftsforscher in Niederösterreich für heuer und im nächsten Jahr ein ordentliches Wachstum von plus 4,4 Prozent und bei den Arbeitslosenzahlen liegen wir aktuell zehn Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau. Das sind Zahlen, die uns allen – und auch jedem und jeder Einzelnen – Mut und Zuversicht geben können, dass der wirtschaftliche Aufschwung im Land weiter anhält.

Generell zum Krisenmanagement, der Bundeskanzler hat ja gerade erst gesagt, wir alle sind Lernende. Gilt das auch für Sie? Wie ist der Rollenwechsel von der Politikerin, die normalerweise die Richtung vorgibt, hin zur Krisenmanagerin, die mehr auf das Virus reagiert als agiert.

Es gibt kein Lehrbuch hinsichtlich Covid-19, für niemanden. Vor allem passt sich dieses Virus permanent an und fordert uns aufs Neue. Da ist es meines Erachtens das Wichtigste zusammenzustehen und zusammenzuhalten. Und ja, auch mir wäre lieber gewesen, wir hätten etwa die Impfpflicht erst gar nicht gebraucht und ich verstehe die Sorgen jener Menschen, die sich aus persönlichen Gründen nicht impfen lassen wollen. Aber was ist in der Gesellschaft unsere Alternative? Die Schutzimpfung ist einfach alternativlos und wir brauchen sie, weil es einfach nicht sein kann, dass wir von einem Lockdown in den nächsten gehen. Hier geht es schließlich um die Gesundheit und Existenzen Tausender Menschen im Land, und die müssen wir schützen.

Es sind ja einige politische Versprechen gebrochen worden: Kein Lockdown mehr für Geimpfte, keine Impfpflicht. Trauen Sie sich noch irgendwas dezidiert auszuschließen?

Jede und jeder hat mittlerweile gelernt, dass dieses Virus weitestgehend unkalkulierbar ist. Die Schutzimpfung ist jedenfalls das einzige Mittel, um dieses Virus nachhaltig zurückzudrängen. Deshalb bitte ich darum auch alle Landsleute, sich impfen zu lassen, sich selbst zu schützen und damit auch andere zu schützen. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas Allgemeines sagen – nämlich ein großes Dankeschön an alle, die im vergangenen Jahr so viel Einsatz in der Pandemie-Bekämpfung gezeigt haben. Sei es unser Gesundheitspersonal, das Übermenschliches leistet, unsere Pädagoginnen und Pädagogen, die Betriebe und Arbeitnehmer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Handel und alle Einsatzorganisationen, die abseits von Corona auch Herausforderungen wie den Waldbrand in Hirschwang zu bewältigen hatten. Sie alle sorgen dafür, dass Niederösterreich auch in schwierigen Zeiten ein lebenswerter Platz bleibt.

Es war innenpolitisch ein sehr turbulentes Jahr für die ÖVP und einige Kommentatoren sagen jetzt zum Beispiel mehr oder weniger schmeichelhaft: Die wirkliche Herrscherin in Österreich ist die niederösterreichische Landeshauptfrau. Ich frage jetzt einfach gerade heraus, stimmt das?
(lacht) Ich glaube den Menschen geht es nicht darum, wer ist die Mächtigste oder wer hat mehr oder weniger Macht. Das Entscheidende ist, dass die Anliegen der Bevölkerung, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu den wichtigsten Aufgaben der Politik gemacht werden. Das ist unser Anspruch in Niederösterreich, und das erwarte ich mir auch von jeder und jedem, der politische Verantwortung trägt. Mir war in dieser turbulenten Situation jedenfalls wichtig, dass es rasch wieder Stabilität und Geschlossenheit in dieser Regierung gibt. Und ich traue hier dem neuen Bundeskanzler und Parteiobmann Karl Nehammer sehr viel zu.

Ist der Rückzug von Sebastian Kurz eine persönliche Enttäuschung und Niederlage für Sie, Sie waren ja eine seiner durchaus gewichtigen Unterstützerinnen?

Allen war bewusst, dass diese Situation, so wie sie war, nicht von Dauer sein kann. Das hat auch Sebastian Kurz gespürt und deswegen auch seine höchstpersönliche Entscheidung getroffen. Dieser Entscheidung gebührt Respekt, aber genauso verdient auch seine Arbeit Respekt, die er zehn Jahre lang für die Republik geleistet hat.

Warum ist eigentlich das Innenministerium so Niederösterreich-affin: Also Mikl-Leitner, Sobotka – und jetzt Karner. Hat die ÖVP NÖ auf diesen Posten quasi die Hand drauf oder wie erklärt sich diese Reihe?

Niederösterreich hat ganz offensichtlich viele Persönlichkeiten mit Kompetenz, die auch auf bundespolitischer Ebene erfolgreich sein können. Das macht mich stolz, und ich werde mich mit Sicherheit nicht dafür entschuldigen, dass so viel Niederösterreich in der Bundesregierung vertreten ist. Aber klar ist, dass man Bundesminister nicht nur eines Bundeslandes ist, sondern Bundesminister und Bundesministerin ist man für die gesamte Republik. Das ist ein Faktum und das weiß ich aus bester Erfahrung.

Eine Frage noch: Das Palais Niederösterreich sollte ja eigentlich an Wien zurückgehen, sobald Niederösterreich eine eigene Landeshauptstadt hat. Ich glaube, Erwin Pröll und Michael Häupl haben dann an einem Abend bei ein paar Glaserln beschlossen, dass es doch bei Niederösterreich bleibt. Wird dieser Vertrag noch einmal aufgemacht – und werden Sie dem Wiener Bürgermeister zum Beispiel anbieten das Palais gegen ein anderes Grundstück zu tauschen?
(lacht) Never ever, niemals. Diese paar Flaschen Wein waren das beste Investment, das Niederösterreich jemals gemacht hat. So bleiben unsere Wurzeln auch weiterhin in Wien verankert an einem ganz besonderen Ort. Denn im Palais Niederösterreich sind ja die Erste und Zweite Republik gegründet worden. Und wann immer es wichtige Gespräche in der Zukunft braucht: Das Palais Niederösterreich war immer ein fruchtbarer Boden und steht auch weiterhin offen für alle.

Im Jahr 2022 feiern wir 100 Jahre Niederösterreich. Alle Geschichten über das Land in Blau-Gelb finden Sie gesammelt hier – und jede Woche kommen neue dazu: 100 Jahre Niederösterreich – Geschichten von damals bis heute

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