Interview: Wolfgang Katzian
"Sozialstaat kein Millimeter z'groß"

Interview in Zeiten der Krise: Wolfgang Katzian macht ein Foto vom Gespräch, das per Videokonferenz geführt wurde. | Foto: Katzian
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NIEDERÖSTERREICH. Das Interview mit ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: über Lehren aus der Krise. 

Der ÖGB hat bei der Kurzarbeit rasch Lockerungen zugestimmt. Wenn sowas passiert, dann kriegt der Österreicher das Gefühl, es ist ernst ...
Wir haben vor eineinhalb Wochen erfahren, dass das eine richtig schlimme Pandemie wird. Ich hab dann mit dem Präsidenten Mahrer gesprochen. Und wir haben innerhalb von einem Tag ein neues Kurzarbeitsmodell ausgehandelt.

Warum war es notwendig?
Weil das alte Modell aus der Krise 2008/2009 war stark ausgelegt für große Industriebetriebe und wir haben jetzt eines gebraucht, das auch der kleine Friseur oder der Wirt ums Eck nutzen kann.

Es gibt aber immer noch Schwachstellen beim Modell.
Das ist ein Work-in-Progress, das wird von Stunde zu Stunde besser. Mittlerweile können wir sagen: Das ist ein einzigartiges Modell in Europa. Auf das sind wir stolz und drum sagen wir auch, es gibt keinen Grund die „Leit' ausez'schmeissn“.

Wird das Modell missbraucht?
Wir bekommen erste Fälle herein. Ich hab meinen Leuten gesagt, wir geben nichts auf Zurufe, wir schauen uns das ganz genau an, weil ich will nicht vorschnell urteilen. Wenn wir draufkommen, dass das so ist, dann sagen wir: „Leute, ihr macht euch strafbar, wenn ihr Kurzarbeit anmeldets und ihr tuts die Leut' aber trotzdem Vollzeit hackeln lassen.“ Wenn dann aber das Unternehmen sagt, das ist mir wurscht, dann bringen wir es zur Anzeige.

Wenn ich mich im Homeoffice verletze, ist das kein Arbeitsunfall. Wird das nachgebessert?
Ja, da sind wir mitten dabei. Jetzt wird im Ministerrat sichergestellt, dass für Homeoffice während der Corona-Krise jedenfalls die Unfallversicherung gewährleistet ist.

Gibt es Lehren aus der Krise?
Die Krise zeigt einige Dinge auf. Etwa: Wer hält das System am Laufen, wer steht an der Front, wer ist auch den Gefahren ausgesetzt? Das sind meistens die, die sonst nicht auf der Butterseite sind. Jene, die eher zu den niedrig bezahlten Bereichen gehören. Ich hoffe sehr, dass man nach der Krise nicht wieder sagt „Na ja, die haben halt a Pech g'hobt“, sondern dass man sich nicht nur daran erinnert und dass auch an fairen Arbeitsbedingungen und am fairen Einkommen etwas getan wird.

Auch der Sozialstaat erlebt gerade eine Renaissance.
Jetzt sieht man: Auch wenn jemand arbeitslos wird, gibt es eine Arbeitslosenversicherung. Wir haben weiterhin eine Krankenversicherung, es gibt ein Krankengeld. Das sind alles Dinge, die in anderen Ländern nicht selbstverständlich sind. Ich bin täglich in Kontakt mit Gewerkschaftskollegen in Europa und auch in den USA und die täten sich so ein System wünschen. Alle die gesagt haben, der Sozialstaat ist überbordend und den muss man z'ruckfahren und bla, bla bla, die sind jetzt ganz still und so klein mit Hut. Weil endlich alle erkennen, dass wir genau diesen Sozialstaat brauchen und dass er keinen Millimeter z'groß ist.

Man sieht jetzt auch die Gefahren der Globalisierung.
Ich glaub nicht, dass die Globalisierung on the long run tot ist, aber ich glaube schon, dass die Staaten bestimmte Schlüsselproduktionen wieder in den eigenen Ländern aufbauen, damit man im Krisenfall nicht abhängig ist.

Ein Gewinner ist der Onlinehandel. Ist es unfair, dass die profitieren, die nichts einzahlen?
Da bin ich hundertprozentig Ihrer Meinung. Es braucht Spielregeln, die muss man auf europäischer Ebene machen. Da sind wir uns auch mit den Arbeitgebern einig, dass die, die Umsatz bei uns machen und keine Steuern zahlen, auch zur Kasse gebeten werden. Ich hoffe sehr, dass wenn man die Lehren aus der Krise zieht, das auch ein Thema sein wird.

Sie haben gesagt, man sieht in der Krise, wer da momentan das System erhält. Werden diese Menschen genug geschützt?
Überall wo die Leute jetzt an der Front arbeiten, am Menschen arbeiten, muss man dafür sorgen, dass wir die Sicherheitsstandards drastisch erhöhen. Das gilt auch für den Bau und für die Industrie, wenn dort noch gearbeitet wird. Die einen sind im Homeoffice, die anderen müssen genauso weiterarbeiten wie vorher. Das geht nicht. Wir müssen dort schauen, dass Sicherheitsabstände eingehalten werden, dass Hygienemaßnahmen gesetzt werden, also dass desinfiziert wird. Alle die nahe am Menschen arbeiten, für die brauchen wir auch Schutzmasken und Schutzbekleidung.

Wie geht es mit dem Arbeitskampf in Sozialberufen weiter?
Dieser Streit um Arbeitszeitverkürzung im Sozialbereich, der wurzelt darin, dass die Arbeitsbedingungen schon vor der Krise nicht gepasst haben. Und wir werden daher wirklich mit voller Kraft schauen, dass nachher die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Jetzt in der Krise schaut jeder, dass er bis zum maximalen Anschlag unterwegs ist, um Menschen zu helfen.

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