Vier Fäuste für Europa
Wirtschaftskammerpräsidentin Sonja Zwazl und Arbeiterkammerpräsident Markus Wieser kämpfen in Brüssel gemeinsam gegen Sozialdumping und faireren Wettbewerb.
Brüssel am Donnerstag der Vorwoche. Traktoren blockieren die Straßen, aufgebrachte Bauern stehen vor dem Parlament, der Kommission und dem Ratsgebäude. Einer hat eine Mistgabel mitgebracht. Es ist ein Symbol an „die da drinnen“. „Vergesst nicht auf die Regionen, vergesst nicht
auf die Bauern“, schreit der Mann. Schwer bewaffnete Soldaten beobachten ihn entspannt. Es gießt in Strömen und die ganze Stadt steht wieder einmal still.
„Die da drinnen“ sind die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder, die EU-Beamten und Parlamentarier, die gerade versuchen sich auf ein Budget für die nächsten fünf Jahre zu einigen. Auch hier Stillstand. Die Proteste von draußen dringen nicht zu ihnen vor. Wer aber vordringt, sind Wirtschaftskammerpräsidentin Sonja Zwazl und Arbeiterkammerpräsident Markus Wieser aus dem kleinen Niederösterreich. Sie sind angereist, um den Mächtigen in Europa ihre Anliegen vorzubringen. Und ebenfalls um ein Zeichen zu setzen.
Wieser: „Die Sozialpartnerschaft in Österreich war immer ein Vorzeigemodell in Europa. Nur miteinander können Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgreich sein. In letzter Zeit machte es den Anschein, dass die Sozialpartnerschaft politisch nicht mehr so hoch im Kurs stand. In Niederösterreich ist das anders, hier funktionierte die Zusammenarbeit immer. Und das wollen wir mit dieser Reise zum Ausdruck bringen."
Es ist ein Gewaltakt für Zwazl und Wieser. Im Stundentakt stehen Gespräche mit Parlamentariern, Mitgliedern der mächtigen Kommission, mit Gewerkschaftern, mit Vertretern der Industrie auf dem Programm. Und Zwazl und Wieser sprechen bei diesen Terminen mit einer Stimme. Es sind drei Punkte, die sie den Mächtigen mitgeben wollen.
Punkt 1
Europa soll endlich faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer schaffen. Während etwa der lokale Handel Steuern, Mindestlöhne und Sozialabgaben zahlt, ist das im Onlinehandel nicht der Fall. Zwazl: „Das ist nicht fair, da sind Arbeitsplätze, soziale Standards und Unternehmen in Niederösterreich in Gefahr." Zwazl und Wieser fordern, dass alle Schlupflöcher für diese internationalen Konzerne endlich geschlossen werden.
Punkt 2
Europa soll endlich gegen Sozialdumping vorgehen. Wieser: „Niederösterreich hat 414 Kilometer Außengrenze. Über diese pendeln Firmen ein, deren Dienstnehmer oft nicht einmal versichert sind. Deswegen wollen wir ein System, bei dem man klar auf Knopfdruck überprüfen kann, ob die Firmen die Arbeitgeber auch angemeldet haben. Die derzeitigen Bescheinigungen sind nicht fälschungssicher, der Finanzpolizei sind daher bei Kontrollen meist die Hände gebunden."
Punkt 3
Europa soll nicht beim Erasmusprogramm sparen. Bislang können Studenten und Lehrlinge bei Auslandsaufenthalten ihren Horizont erweitern. Zwazl: „Dieses Programm ist nicht nur für das Friedensprojekt Europa wichtig. Auch die jungen Menschen kommen völlig verändert zurück. Sie haben danach mehr Selbstvertrauen und Weitsicht. Die Wirtschaftskammer hat gemeinsam mit der Arbeiterkammer auch das Programm „Let`s Waltz" gegründet, wo Lehrlinge eine Zeit in Betrieben im Ausland mitarbeiten. Es wäre sinnvoll, dass dieses Programm Mit Mitteln des EU-Erasmus-Programmes auf ganz Europa ausgeweitet wird."
Träne der Rührung über Partner
Die Gesprächspartner Zwazls und Wiesers nicken jedesmal zustimmend. Sie betonen, dass sie schon mit vielen Sozialpartnern Gespräche hatten, aber immer nur einzeln. Noch nie wären Vertreter der Arbeitnehmer und der Wirtschaft gemeinsam bei ihnen gewesen. Das sei sehr ungewöhnlich und vorbildhaft in Europa. Eine hochrangige Vertreterin des europäischen Gewerkschaftsbundes hat sogar den Anflug einer Träne der Rührung im Augenwinkel. Zwazl und Wieser machen Eindruck in Brüssel. Niederösterreich als Musterregion der sozialen Partnerschaft und des sozialen Friedens. Am Ende eines langen Tages kommt die Meldung: Wieder keine Einigung der Regierungschefs zum EU-Budget. Es gießt noch immer in Strömen. Und noch immer herrscht Stillstand. In den EU-Gebäuden und davor auf den Straßen der EU-Hauptstadt.
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