Haberlander: "Ich war noch nie mit Übergriffen oder Anzüglichkeiten konfrontiert"

- Die BezirksRundschau traf Landesrätin Christine Haberlander (ÖVP) in der Linzer Rot Kreuz-Zentrale zum Sommergespräch. Die Fragen stellte Thomas Kramesberger (BezirksRundschau).
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Christine Haberlander (ÖVP) wird 2019 erste weibliche Landeshauptmann-Stellvertreterin. Die 36-jährige ist in der Landesregierung für Kinderbetreuung, Gesundheit und Frauen zuständig.
BezirksRundschau: Seit Anfang des Jahres gibt es eine Frauenquote für börsennotierte Unternehmen. Wäre das für Sie als Frauenlandesrätin auch für die Politik denkbar – schließlich machen die Frauen ja mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus.
Haberlander: Nein, ich lehne Quoten ab – für alle Bereiche. Es ist Aufgabe der Politik Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Frauen sich engagieren, sich etwas trauen und in Führungspositionen kommen. Aber einen Zwang halte ich nicht für richtig.
Als die Landesregierung nach der Wahl angelobt wurde, gab es Kritik, weil nur Männer ein Amt bekleidet haben. Sie sind jetzt die einzige ÖVP-Landesrätin – tut man sich bei der Volkspartei so schwer, zwei, drei gute Frauen in die erste Reihe zu stellen?
Die ÖVP macht zum ersten Mal eine Frau zur Landeshauptmann-Stellvertreterin. Ich bin stolz darauf, dass meine Fraktion das macht. Wir hätten viele Frauen, die für die verschiedensten Positionen geeignet wären. Es gibt viele Frauen im Nationalrat, Bundesrat, im Landtag – wir haben eine Klubobfrau, die gerade die Vereinbarkeit von Beruf und Kind beweist. Es gibt viele Frauen in den Gemeinden, die sich vor Ort politisch engagieren – das ist aus meiner Sicht essentiell. Es gibt also genug Frauen, die in der ÖVP etwas zu sagen haben.
Also scheitert es an der Bünde-Logik oder warum sind Sie die einzige VP-Frau in der Landesregierung?
Nein. Dass in Zukunft eine Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin wird ist ein klares, mutiges Zeichen für die Frauen. Die ÖVP betraut Frauen mit Führungsfunktionen.
Es gibt ja einen massiven Gender-Gap bei der Bezahlung. Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. So ein richtig großes Anliegen scheint das weder der Bundes- noch der Landesregierung zu sein. Eine gesetzliche Regelung, die diese Ungleichbehandlung verbieten würde, gibt es nicht.
Es ist ein Thema von allen, die Gleichstellung von Mann und Frau zu erreichen. Dass es der oberösterreichischen Landesregierung ein Anliegen ist, zeigt die einstimmig beschlossene Frauenstrategie. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist eine Forderung, die viele Fraktionen teilen. Aber das ist ein Thema, das nicht mit einer politischen Vorgabe erledigt werden kann, sondern da braucht es die Bemühungen der Wirtschaft. Ich finde aber – und das ist wieder Aufgabe der Politik – dass man Frauen ermutigen muss, das einzufordern. Dass man sagt: „Wieviel verdient der Kollege? Ich will das gleiche haben“. Man muss sich über das Thema reden trauen und da sind Frauen noch zurückhaltender und das gilt es aufzubrechen.
Man könnte diesen Frauen ja einfach ein Instrument in die Hand geben und das gesetzlich regeln. Dann habe ich etwas, das ich einklagen kann – analog zu anderen Regelungen wie etwa die Arbeitszeit.
Wenn der Bund über eine gesetzliche Regelung nachdenken möchte, ist er herzlich dazu eingeladen. Wir haben uns in der Landesregierung dazu verpflichtet, dass wir Gleichstellung bis 2030 erreichen wollen. Es steht aber jedem Unternehmen gut an, zu überlegen, welchen Beitrag eine Frau leistet und ob man auf diesen wertvollen Beitrag verzichten kann. Aus meiner Sicht kann es sich die Wirtschaft gar nicht leisten, auf Frauen zu verzichten und folglich muss man Rahmenbedingungen schaffen, dass Frauen sich engagieren und einbringen. Da ist die Entlohnung sicher ein Thema, das Unternehmen proaktiv angehen müssen, um Frauen zu gewinnen und bei sich zu behalten.
Die ÖVP könnte ja zumindest im Landtagsklub mit gutem Beispiel vorangehen und eine 50 Prozent-Frauenquote einführen.
Ich halte nichts von einer Quote.
Was soll für Frauen unter der Ära Haberlander als Frauenlandesrätin anders werden?
Für Frauen und Männer soll sich Oberösterreich positiv weiterentwickeln ...
... aber Sie sind ja Frauenlandesrätin?!
Ich verstehe Frauenpolitik als Politik der Gleichstellung und Weiterentwicklung des Bundeslandes. In diesem Sinn denken wir an Männer und Frauen. Wir haben zum ersten Mal eine Frauenstrategie verabschiedet, das ist schon einmalig in OÖ. Diese ist bis 2030 angelegt, wir sind da also am Beginn. Es sind alle gefordert, denn Gleichstellungsarbeit, Familienarbeit und Frauenarbeit ist nicht ein Thema, das alleine auf die Frauenlandesrätin beschränkt ist. Es betrifft alle in der Landesregierung, alle Institutionen, die Unternehmen – damit wir die Gleichstellung 2030 erreichen, müssen alle gemeinsam daran arbeiten.
Es hat ja zuletzt Kritik gegeben, dass Sie die Rolle der Frauenlandesrätin nicht ausfüllen würden. Hat das damit zu tun, dass Sie neu in die Landesregierung gekommen sind und sich erst in ihrer Rolle finden mussten?
Es ist die Aufgabe des politischen Mitbewerbers zu kritisieren, folglich wird meine Politik in den unterschiedlichen Bereichen kritisiert. Hinter meinem frauenpolitischen Engagement steht mein Wertebild und das fußt darauf, Dinge gemeinsam von unten nach oben zu verändern. Deshalb gibt es die Frauenstrategie mit 150 Maßnahmen, die Veränderungen in allen Lebensbereichen bewirken sollen.
Es gibt seit über einem Jahr das sogenannte MeToo-Movement. Hat diese Bewegung für Sie ein berechtigtes Anliegen?
Jeder sexuelle Übergriff – egal wem dies passiert, ob Frau oder Mann – ist zu verurteilen und ich finde es gut, wenn das aufgegriffen und thematisiert wird.
Wurde bisher zu viel zugedeckt bei diesem Thema?
Es ist wichtig, dem Thema eine Stimme zu geben und Opfer von Übergriffen zu ermutigen: „Sprecht drüber, ihr seid nicht alleine“ – das finde ich gut, wenn das mit dieser Bewegung ausgelöst wird.
Was würden Sie als Frauenlandesrätin jemandem raten, wenn so etwas passiert?
Unbedingt zur Polizei gehen, darüber reden und unbedingt thematisieren und nicht schweigen. Es ist wichtig, dass man das nicht mit sich selbst ausmacht und tabuisiert.
Gibt es das in der Politik auch? Politik ist ja generell immer noch etwas ein „Altherrenklub“.
Ich persönlich war nie mit Übergriffen oder Anzüglichkeiten jedweder Art konfrontiert.
Aber generell: Sollte man innerhalb der Politik – jetzt nicht auf die Landesebene beschränkt – mal über dieses Thema reden?
Man hat bei Peter Pilz gesehen, dass das in der Politik ein Thema sein kann. Darum ist wichtig, es anzusprechen. Aber es ist der Opferschutz ganz wichtig. Es ist notwendig, dass man sensibler und wertschätzender miteinander umgeht. Wenn diese Debatte dazu beiträgt, Grenzen schärfer zu ziehen, dann ist das gut.
Hat die Politik Aufholbedarf?
Es schadet allen Gesellschaftsbereichen nicht, sensibler mit dem Thema umzugehen.
Frauenpolitik hat ja oftmals mit Kindern zu tun. Derzeit läuft ja die Evaluierung der Auswirkungen der Kindergarten-Nachmittagsgebühren. Wollen Sie uns da schon konkrete Zahlen verraten?
Zum aktuellen Zeitpunkt kann ich noch keine Zahlen verraten. Die Evaluierung läuft noch, es werden gerade alle rückgemeldeten Daten zusammengefasst.
Es hat Schätzungen gegeben, dass 20 Prozent der Kinder abgemeldet wurden. Ist diese Zahl realistisch?
Es gibt Abmeldungen, das haben wir schon vor der Evaluierung gewusst. Die genauen Daten werden wir im Rahmen der Evaluierung wissen. Ich möchte aber anmerken, dass die Evaluierung freiwillig war und wir nicht 100 Prozent Rückmeldungen haben. Wir wissen aus Gesprächen, dass es bei der Einführung des Beitrags Abmeldungen gegeben hat – und dann kam es wieder zu Anmeldungen. Es gibt also eine Wellenbewegung. Ich glaube trotzdem, dass jedes Kind, das eine Betreuung braucht, eine Betreuung bekommt – dass die Eltern die Kinder vielleicht zu Hause betreuen, im familiären Umfeld betreuen, oder eine andere Betreuungsform außerhalb der institutionellen Kinderbetreuung gefunden haben.
Selbst wenn nur zehn Prozent der Kinder abgemeldet wurden. Es geht da ja um Gruppengrößen in den Kindergärten. Wenn also ein Gruppe nicht mehr da ist, kann ich das Kind nicht betreuen lassen, und nicht arbeiten gehen. Das mag für eine Menschen mit intaktem Familienverbund bewältigbar sein. Aber für jemanden, der in einem Supermarkt arbeitet und keine Verwandten hat, wird es ein Problem sein.
Also: Kein Kind wurde vom Kindergarten am Vormittag abgemeldet, wir reden immer nur über den Nachmittag….
… aber wenn ich als Frau Vollzeit arbeiten möchte, brauche ich am Nachmittag auch eine Kinderbetreuung.
Wir wissen, dass 57 Prozent der Kinder nur am Vormittag in der Betreuung sind. Wir sind das achte Bundesland, das einen Beitrag einführt. Ich gehe also davon aus, dass in allen sieben anderen Bundesländern Frauen auch am Nachmittag gearbeitet haben. Der Beitrag beginnt bei 21 Euro und ist sozial gestaffelt. Man kann wählen, wieviele Tage ein Kind in der Betreuung ist, das obliegt jeder Familie. Wenn ein Kind abgemeldet ist am Nachmittag besteht für den Platz kein Bedarf…
… oder man will oder kann das Geld nicht ausgeben.
Die 21 Euro?
Ich finde es schwierig mich in eine Supermarktkassiererin hineinzuversetzen. Für diese Frau wird ein Beitrag – sagen wir 70 Euro – viel Geld sein.
Deshalb gibt es ja eine soziale Staffelung und die Gemeinde hat die Möglichkeit auf den Beitrag zu verzichten.
Aber das Land kürzt den Gemeinden dann die Förderung, oder?
Das Volumen, die 13 Millionen Euro, haben wir in unserem Budget gekürzt. Aber wir investierten über 200 Millionen in die Kinderbetreuung in Oberösterreich. Das sind 200 Millionen Euro von den Steuerzahlern, die in die Kinderbetreuung investiert werden.
Aber bei den 200 Millionen Euro wären die 13 Millionen Euro doch locker mitzunehmen – das sind weniger als 10 Prozent. Und die 13 Millionen Euro sind 0,3 Prozent des gesamten Landesbudgets. Einen finanziellen Grund wird man für die Gebühren ja nicht gehabt haben?
Es kann nicht immer alles gratis sein. In der Krabbelstube gibt es einen Beitrag, im Hort gibt es einen Beitrag. Ich bin davon überzeugt, dass für eine qualifizierte Nachmittagsbetreuung ein sozial-verträglicher Beitrag zu entrichten ist.
Um bei Ihrem „Es darf nicht alles gratis sein“-Argument zu bleiben. Wenn Sie jetzt bei der Polizei anrufen, schickt die Ihnen auch keine Rechnung.
Weil es der Steuerzahler bezahlt.
Ja, stimmt. Aber das Argument heißt ja, dass nicht alles gratis sein kann. Aber gewisse Bereiche zahlt die Allgemeinheit über Steuern mit. Es gibt ja nicht überall Gebühren.
Von diesem Zugang müssen wir uns lösen. Es kostet alles Geld. Es ist vielleicht für den Einzelnen nicht ersichtlich, was es kostet und wieviel es kostet. Aber das ist das Geld der Steuerzahler, das in den gemeinsamen Topf gezahlt wird und es die Aufgabe der Politik ist, welche öffentlichen Leistungen man mit diesem Geld zur Verfügung stellt.
Dann ist es also eine politische Entscheidung, was nur über Steuern finanziert und dann „gratis“ bereitgestellt wird und in welchen Bereichen ich Gebühren einhebe.
200 Millionen Euro stellt das Land OÖ und die Gemeinden für die Kinderbetreuung zur Verfügung. Ich glaube, dass ein Beitrag für eine pädagogische Betreuung am Nachmittag verträglich ist.
Aber was macht man jetzt, wenn es keine Gruppe mehr gibt, weil bereits zu viele Kinder abgemeldet wurden?
Ich bin davon überzeugt: Wenn eine Familie einen Betreuungsplatz braucht, findet sie diesen auch. Man findet diesen vielleicht nicht in der institutionellen Kinderbetreuung im Ort, aber vielleicht gibt es Tagesmütter, andere Betreuungsformen oder regionale Kooperationen. Es ist Aufgabe der Gemeinde, dass sie Sorge tragen, den Familien zu helfen und dass man über Kooperationen nachdenkt. Im Sommer hat man das ja ganz oft. Es hat nicht jeder Kindergarten 52 Wochen im Jahr offen und für viele Familien ist es im Sommer eine Herausforderung. Deshalb schließen sich vielerorts Gemeinden zusammen und bieten einen Sommerkindergarten an. Solche Kooperationen anzudenken finde ich richtig!
Derzeit gibt es einen massiven Arbeitskräftemangel. Wieso legt die Landesregierung den Frauen Steine in den Weg, damit sie nicht arbeiten gehen können? Das ist bis zu einem gewissen Grad eine wirtschaftsfeindliche Maßnahme.
Ich bin davon überzeugt, dass jede Familie, die einen Kinderbetreuungsplatz braucht, auch einen Platz findet. Es gibt Betreuung in unterschiedlichen Formen und es ist eine gewisse Flexibilität notwendig. Als Land OÖ unterstützen und fördern wir Betriebskindergärten – viele Unternehmen wollen da einen Anreiz setzen in Zeiten des Fachkräfteanwerbungsprozesses.
Man könnte das Geld ja nehmen und die 13 Millionen Euro abdecken?!
Ich bleibe dabei, dass wir am Beitrag nichts ändern. Den Beitrag gibt es und der ist richtig und wichtig.
Ist es als Frau mühsam, Maßnahmen zu verteidigen, die anderen Frauen Probleme verursachen? Die Frauen, die die Gebühren kritisieren, tun das ja nicht aus ideologischen Gründen. Hat die Frau Haberlander da manchmal einen Konflikt mit der ÖVP-Politikerin Haberlander?
Ich musste noch nie eine Entscheidung fällen, die meinen eigenen Ideen widerspricht …
… Wirklich? Sie können sich mit 100 Prozent des ÖVP-Parteiprogramms identifizieren?
Ich habe gesagt eine Entscheidung auf den Weg bringen (lacht). Aber im Ernst: Ich stehe hinter allen Entscheidungen, die ich getroffen habe, weil davon überzeugt bin, dass sie richtig sind.
Es gab ja zuletzt eine Debatte über das Kopftuch im Kindergarten. Warum fürchtet man sich in der ÖVP vor Dreijährigen, die ein Kopftuch tragen?
Ich persönlich bin für das Kopftuchverbot für Kinder im Kindergarten. Ich bin davon überzeugt, dass sich Kindergartenkinder frei entfalten sollen und Gleichstellung von Anfang an erleben sollen. Ich respektiere das Kopftuch, aber im Kindergarten finde ich, dass die Kinder frei spielen und ohne Kopftuch miteinander gleichwertig sein sollen. Wiewohl ich sage: In Oberösterreich ist das kein Thema. Mir geht es um das Prinzip der Gleichstellung bei den jüngsten Mädchen.
Wieviele Kinder tragen in OÖ im Kindergarten das Kopftuch?
In Oberösterreich sind mir keine Fälle bekannt.
Wäre es dann nicht nur logisch, ein zweites, verpflichtendes Kindergartenjahr einzuführen. Dann wären die Kinder noch weniger bei den "furchtbaren" Eltern, die sie zwingen, ein Kopftuch zu tragen?
Die Prüfung des zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres ist im Regierungsübereinkommen drinnen und ich nehme an, dass sich die Bundesregierung mit diesem Thema auseinandersetzt.
Aber grundsätzlich wären Sie offen dafür, den Kindergarten länger verpflichtend zu machen?
Ja.
Wo ist der integrationspolitische Mehrwert, wenn ich einem Kind ein Kleidungsstück verbiete? Ein Kind versteht ohnehin dessen Bedeutung nicht.
Die Erziehung und Wertevermittlung obliegt sicherlich dem Elternhaus. Aber wenn ein Kind im Kindergarten ist, sieht es, dass es anders geht. So etwas versteht ein Kind dann schon und es fragt vielleicht, warum es kein Kopftuch tragen muss. Das wird dann erklärt – sensibel und kindgerecht. Man gibt dem Kind damit Wertschätzung und einen gewissen Funken an Freiheit und Toleranz mit – das ist etwas, das man in diesem Bereich vermitteln kann.
Aber wäre es nicht ebenso tolerant, wenn es uns egal ist, wie ein Kind angezogen ist?
Es geht da um Drei- bis Fünfjährige. Wenn man später, aus religiösen Gründen, ein Kopftuch trägt, dann ist das für mich in Ordnung. Aber es geht hier um die Kleinsten und da möchte ich für möglichst viel Freiheit und Gleichstellung sorgen.
Wenn das mal wirklich ein Thema werden sollte, gibt es dazu dann ein Landesgesetz?
Das kommt darauf an, in welcher Form das vom Bund kommt. Von Bundesseite gibt es ja Signale, dass das kommen soll. Es sollte aus meiner Sicht eine möglichst einheitliche Regelung geben.
Thema Lehrer: Es gibt ja jetzt die Umstellung von Landesschulrat zur Bildungsdirektion. Was passiert mit den Bezirksschulinspektoren, wenn die Bildungsregionen eingeführt werden?
Es gibt eine Arbeitsgruppe, die mit der Umsetzung der Bildungsreform beschäftigt ist. Nachdem der neue Bildungsdirektor erst seit Kurzem im Amt ist, beschäftigt er sich seit drei, vier Wochen mit diesen Themen. Wir müssen aber trotzdem alles relativ zackig auf den Weg bringen, da die Behördenstruktur mit 1.1. 2019 stehen muss. Da ist eh ein Zeitdruck dahinter.
Also es ist noch nicht fix, was genau mit den Bezirksschulinspektoren passiert?
Nein.
Die Arbeiterkammer hat kürzlich vorgerechnet, dass 13 Millionen Euro alleine in Oberösterreich für Nachhilfe in den Ferien ausgegeben werden. Wäre es da nicht zielführender, die Ferien für die Lehrer kürzer zu machen, damit sie den Kindern Nachhilfe geben?
Ich gehe davon aus, dass jeder Pädagoge in Oberösterreich während des Schuljahrs versucht, den Kindern den Lernstoff zu vermitteln. Wenn Eltern, aus unterschiedlichen Gründen, ihren Kindern Nachhilfe angedeihen lassen wollen – etwa weil sie bessere Noten haben wollen – dann gibt es dafür einen Markt.
Lehrer haben pro Jahr etwa 15 Wochen frei. Es ist für Sie nicht denkbar, dass man das um zwei, drei Wochen verkürzt und den Kindern Nachhilfe gibt?
Die Aufgabe der Pädagogen ist es, innerhalb der Unterrichtszeit den Lernstoff zu vermitteln und dem kommen sie bestmöglich nach.
Sind die neun Wochen Sommerferien noch zeitgemäß?
Wenn man das diskutiert, muss man es pädagogisch diskutieren. Von den höheren Schulen heißt es, dass man die neun Wochen braucht, weil es ja Pflichtpraktika gibt – und es eine Regenerationsphase für Schüler braucht. Dass neun Wochen vielleicht in der Volksschule anders zu bewerten sind – es braucht jedenfalls eine pädagogische Bewertung des Ministeriums und einen Vorschlag, wohin das gehen soll.
Sie sind wegen der Kindergartengebühr viel kritisiert worden, aber eigentlich wurden Sie als Gesundheitsexpertin in die Landesregierung geholt. Wohin soll sich das Gesundheitssystem unter der Ära Haberlander entwickeln?
Wir stehen vor der großen Herausforderung das System finanzierbar zu halten. Es gibt einerseits einen enormen medizinischen Fortschritt – diesen bei den aktuellen Rahmenbedingungen finanzierbar zu halten ist die große Herausforderung. Gleichzeitig ist wichtig, wie die Strukturen im niedergelassenen Bereich funktionieren, da gibt es eine Veränderung bei der demographischen Entwicklung. Das heißt: Immer älter werdende Ärzte und Pfleger sowie immer weniger junge Menschen. Dann gibt es die Generation Y, die ein ganz anderes Arbeitsbild hat. Die wollen im Team arbeiten. Ich merke das bei vielen Gesprächen mit jungen Ärzten. Das führt dazu, dass man die Einzelordinationen überdenken muss. Daher gehen wir in Richtung Primärversorgungszentren und Gruppenpraxen. Da merken wir einen Wechsel.
Gibt es in Oberösterreich zu viele Krankenhäuser?
Nein. Jeder Standort hat seine Berechtigung. Die Aufgabe wird sein, diese weiterzuentwickeln, Schwerpunkte zu setzen und zu schauen, wie die Versorgung zwischen Krankenhäuser und niedergelassenem Bereich noch besser gelingen kann.
Sind Fusionen von Krankenhäusern denkbar?
Das ist etwas, über das es sich lohnt, nachzudenken. Aber wir haben eine gut aufgestellte Krankenhausstruktur. Ich bekenne mich zu den Orden und den Ordensträgern …
… die FPÖ hat ja in ihrem Parteiprogramm die Forderung nach einer gemeinsamen Spitalsholding. Wäre das mit Ihnen machbar?
Ich kann mir grundsätzlich eine Holding für die Landesspitäler vorstellen. Gleichzeitig ist mir die Vielfalt im System wichtig und ich bekenne mich zur Vielfalt der Ordenshäuser, die leisten hervorragende Arbeit.
Gegen den Widerstand der Ordensspitäter würden Sie eine Holding nicht forcieren?
Nein. Ich bin unbedingt für eine Zusammenarbeit und wirklich enge Abstimmung. Aber es gibt von mir ein klares Ja zu den Orden, wie sie bestehen. Ein Auflösen der Orden ist für mich unvorstellbar.
Die Spitalsreform 2 läuft ja gerade. Wann kommt die Spitalsreform 3?
Es gibt keine Spitalsreform 3. Wir entwickeln das System laufend weiter, aber mehr von unten nach oben. Es gibt laufend Vorgaben des Bundes, die umzusetzen sind. Etwa der „Regionale Strukturplan Gesundheit“ – diesen entwickeln wir gerade mit den Häusern und Trägern.
Derzeit bekommt ein Krankenhaus Geld, wenn es Patienten stationär aufnimmt. Ist das ein richtiger Anreiz? Da produziert man ja Kranke mit diesem System.
Es ist die Finanzierung in Richtung Ambulanz geändert worden und es gibt Zielvorgaben in Richtung „Nulltages-Aufenthalte“. Der Wunsch der Patienten ändert sich, die Leistungsfähigkeit ändert sich, weil sich die Technik ändert – aber grundsätzlich sind wir leider extrem krankheitslastig. Da haben andere Länder uns schon viel voraus. Da sollten wir unbedingt hinkommen – belohnt zu werden, wenn man gesund ist.
Also ein Bonus-Malus-System?
Nennen wir es nur Bonus-System. Die Versicherung der Gewerblichen Wirtschaft hat das schon. Da werden mit dem Hausarzt Ziele definiert: Bewegung, Cholesterin, Vorsorgeuntersuchungen – das finde ich großartig.
Was kriegt man dafür? Zahlt man dann weniger Sozialversicherung?
Das muss man sich ansehen, das ist durchaus denkbar. Ich glaube, dass wir so in ein System kommen, indem es wichtig ist, dass man sich mehr bewegt, dass man auf das Cholesterin schaut – und so weiter. So sieht man früher, ob man in eine Krankheit schlittert und kann noch eine Präventionsmaßnahme oder eine leichtere Behandlung setzen.
Aber geht das nicht in Richtung „Nanny-State“. Jetzt sagt mir die Politik dann schon was ich Essen soll und wieviel ich mich bewegen soll?!
Jeder sollte auf seinen Körper und seine Gesundheit schauen – das ist durchaus eigenverantwortlich. Wenn man sich gar nicht um den eigenen Körper kümmert, endet man immer im Krankensystem. Wenn man aber vorher Schritte setzt und das belohnt, ist das positiv.





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