ÖVP-Landeshauptleute contra Strache – "FPÖ muss Raucher-Linie überdenken"

Landeshauptmann Thomas Stelzer und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Gespräch mit BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler. | Foto: Land OÖ/Stinglmayr
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OÖ. Die Raucher-Front in den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ bröckelt weiter. Dieses Mal sieht sich FPÖ-Chef H.C. Strache mit Gegenwind von zwei einflussreichen ÖVP-Landeschefs konfrontiert. In einem Exklusivinterview mit der BezirksRundschau fordern OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer und NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine Änderung der FPÖ-Linie beim Nichtraucherschutz

BezirksRundschau: Für die Donaubrücke in Mauthausen gibt es ja nach einer langen Entstehungsgeschichte die Entscheidung für eine zweite Brücke. An deren Standort und speziell an der Einbindung auf niederösterreichischer Seite gibt es vor Ort noch einige Zweifel – speziell was die Bereitschaft jener Grundbesitzer betrifft, die Flächen abtreten müssen.
Mikl-Leitner: Ich kenne kein einziges Infrastrukturprojekt, bei dem alle Grundeigentümer Freude haben, wenn eine Straße kommt. Auch hier ist es so. Wir wissen aber, dass wir zu einer positiven Weiterentwicklung auf niederösterreichischer und oberösterreichischer Seite diese zusätzliche Brücke brauchen. Deshalb ist es gut, wichtig und richtig, dass wir zum ersten mit der Sanierung der bestehenden Brücke beginnen und parallel dazu alle notwendigen Schritte setzen, um die Umsetzung der neuen Brücke voranzutreiben. Aber klar ist: Es werden nicht alle jubeln.

Der Bau von Brücken, Autobahnen und ähnlichem wird aber immer wieder durch Einsprüche verzögert, die im Sinne der Rechtstaatlichkeit genau behandelt werden müssen. Ist der Baubeginn 2024 für Mauthausen haltbar, wenn es die zu erwartenden Einsprüche gibt?
Mikl-Leitner: Nach den derzeitigen Berechnungen all unserer Experten: Ja!

Wenn in Sachen Brücke jetzt Einigkeit herrscht – wollen Niederösterreich und Oberösterreich in Zukunft insgesamt mehr zusammenarbeiten?
Stelzer: Wir haben eine Fülle von gemeinsamen Themen, etwa auch in der Außenpolitik mit dem Nachbarn Tschechien – durch unsere lange gemeinsame Grenze. Wir haben Schüler, die ins jeweils andere Bundesland pendeln, eine Zusammenarbeit im Sozial- und Pflegebereich. Da bin ich sehr dankbar, dass wir ein unkompliziertes Verhältnis haben und sehr schnell Regelungen mit Hausverstand finden.

Mikl-Leitner: Unsere Aufgabe ist es, länderübergreifende Herausforderungen mit Hausverstand zu lösen, auf kurzem, unkompliziertem Wege. Das ist uns bisher gelungen und wird auch in Zukunft gelingen. Wir werden uns natürlich auch im medizinischen Bereich absprechen, um zu wissen: Wer setzt wo Schwerpunkte. Denn jeder weiß: Der medizinische Bereich wird aufgrund der demographischen Entwicklung und der modernen Technologie nicht billiger, sondern teurer. Gott sei Dank leben wir auch länger und gesünder. Wir werden etwa auch im Bereich digitale Gesundheit intensiv kooperieren, weil dadurch die Menschen besser und schneller versorgt werden können, länger daheim bleiben können, weniger oft stationär aufgenommen werden müssen. Es gibt viele Projekte, wo man sich aufteilen kann: Wer macht da den Versuch, wer dort. Da sehe ich große Schnittmengen, wo man in Zukunft mehr kooperieren kann und muss.

Gibt es insgesamt einen engeren Paarlauf zwischen Oberösterreich und Niederösterreich als zwei wirtschafts- und bevölkerungsstarke Bundesländer im Verhältnis zum Bund?
Mikl-Leitner: Sicher, gerade wenn ich an die Ostregion denke, das ist die am stärksten wachsende Region. Da spielt natürlich Oberösterreich eine Rolle und die Frage: Wie können wir uns mit Oberösterreich auch abstimmen.

Stelzer: Wir haben viel Kontakt – auch was den modernen Föderalismus betrifft. Sehr eigenständig und selbstverantwortlich als Regionen und was brauchen wir vom Bund – da sind wir sicher gut abgestimmt, da sind die Anliegen die gleichen.

Es gibt ja einige Pläne der neuen Bundesregierung, die bei den Bundesländern auf wenig Gegenliebe stoßen: Wie sieht es in Sachen Gebietskrankenkassen aus – ist da das letzte Wort schon gesprochen?
Stelzer: Wir haben uns im Zuge der Regierungsverhandlungen sehr stark eingebracht, weil wir Reformen nicht im Wege stehen wollen. Wir wollen aber auf das achten, was in den Ländern gut läuft. Und das Thema Beitragsaufkommen im Land und damit budgetäre Gestaltungsmöglichkeit und Rücklagen im Land zu behalten, das steht drinnen im Programm, das war uns wichtig und ist im Sinne der Beitragszahler am Standort auch unabdingbar. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug, wie und wann diese Neuaufstellung vonstatten gehen soll. Ich verstehe, dass man zu Änderungen kommen will, aber die Parameter, die wir in den Ländern brauchen, müssen fix sein. Das steht aber auch im Regierungsprogramm so drin.

Mikl-Leitner: Ein ambitioniertes Ziel, das sich die Bundesregierung hier gesetzt hat. Ich vertraue darauf, dass in den nächsten Monaten ein ganz klares Konzept ausgearbeitet und umgesetzt wird. Es gilt, das dann zu beurteilen, wenn der Vorschlag am Tisch liegt. Also „ja“ zur Reform, aber es kommt darauf an „wie“.

Im Landtagswahlkampf in Niederösterreich hat ja das Thema „Udo Landbauer“ dominiert. Die FPÖ hat regelmäßig damit zu tun, sich von rechten Umtrieben abzugrenzen. Ist das glaubwürdig, wie sich der Koalitionspartner präsentiert?

Mikl-Leitner: Es ist ganz wichtig, dass hier Klarheit über die Vergangenheit herrschen muss, dass jeder dunkle Winkel ausgeleuchtet werden muss. Denn wenn es um die Geschichte geht, wenn es um Antisemitismus geht, dann darf es da null Toleranz geben. Ich begrüße, dass eine Historikerkommission eingesetzt wird, um von Seiten der FPÖ alles aufzuklären. Die Fälle zeigen aber, dass keine einzige Partei ein Moralmonopol hat, wenn ich an andere Fälle seitens der SPÖ denke und ich will auch uns nicht ausnehmen. Egal welche politische Partei betroffen ist oder es kann auch ein Verein sein. Es gibt kein Moralmonopol und es gehört von Fall zu Fall immer wieder klar beurteilt und restlos aufgeklärt – da darf es null Toleranz geben.

Sie haben im Wahlkampf immer wieder gesagt: Eine Zusammenarbeit mit Herrn Landbauer schließen Sie aus. In Oberösterreich gibt es eine recht gute Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ. Sind "nur" die handelnden Personen oder gibt es tiefergehende Unterschiede zwischen Oberösterreich und Niederösterreich?Stelzer: Es stimmt, es ist immer davon abhängig: Welche Personen können miteinander und finden die zu einem Programm. Und auch anlässlich dieser Debatte habe ich angemerkt, dass unser Koalitionspartner immer sehr klar war in der Grenzziehung und ist auch sofort eingeschritten, wenn etwas aufgetaucht ist. Da muss man aber auch Wert darauf legen, weil das das Miteinander braucht. Unser Koalitionspartner hat sich in dieser Frage sehr deutlich geäußert. Aber ich unterstreiche das: Da darf niemand mit dem Zeigefinger auf den anderen zeigen. Es ist wichtig, ein sehr aktives Geschichtsbewusstsein zu haben und Aufarbeitung zu betreiben.

Nimmt man es den Spitzen an der Bundes-FP ab, dass dieses Bewusstsein und die Bereitschaft zur Aufarbeitung vorhanden ist? Herr Vizekanzler Strache und Herr Innenminister Kickl haben sich ja in der Oppositionszeit nicht selten am rechten Rand bewegt.
Mikl-Leitner:
Die Historikerkommission ist ein guter Schritt und wie immer im Leben ist es ein Prozess. Aber es ist einmal ein positives Signal.

Wie sehen Sie die Performance der Bundesregierung insgesamt? Große Reformen wurden versprochen. Derzeit liest und hört man in den Medien aber hauptsächlich von berittener Polizei, problematischen Aussagen zum Kosovo, medienpolitischen Attacken auf den ORF – alles „blaue“ Themen – die ÖVP erregt vergleichsweise wenig Medienaufmerksamkeit.

Mikl-Leitner: Man hört schon von der ÖVP einiges, wenn man sieht, wie der Bundeskanzler international unterwegs ist und in Vorbereitung der EU-Präsidentschaft ist da unglaublich großes Engagement da. Aber Fakt ist, dass sich die gesamte Bundesregierung ein sehr ambitioniertes Programm vorgenommen hat, das es gilt, in den nächsten Jahren umzusetzen. Da sind Reformen dabei wie Sozialversicherung oder Pflege, die riesengroß sind und vorbereitet gehören. Gute Vorbereitung ist die halbe Umsetzung. Deshalb halte ich es für richtig, dass man jetzt gut arbeitet, in die Tiefe geht, damit dann wirklich gut umgesetzt werden kann. Wir werden die Bundesregierung dann an den Reformen und der Umsetzung messen. Aber jetzt ist es nach einigen Monaten zu früh, schon ein Urteil abzugeben.

Stelzer: Die Bundesregierung ist jetzt gut zwei Monate im Amt. Was sehr wohltuend ist: Man hat den Eindruck, es ist eine Bundesregierung, die auch miteinander in dieselbe Richtung will. Natürlich sind wir verschiedene Parteien, darum muss es auch Diskussionen geben. Aber es ist eine Richtung, die nach vorne weist, feststellbar. Ich darf nur an den Familienbonus erinnern, der sehr rasch auf die Straße gebracht worden und sehr spürbar und wirksam für Familien ist. Und bei Reformen ist es, da geb ich Kollegin Mikl-Leitner recht, besser, sie gut vorzubereiten, mit allen zu reden – und dann macht man etwas, was Hand und Fuß hat. Es sind ja keine kleinen Reformen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat.

Wenn im Hintergrund gearbeitet wird, dann könnte man überspitzt sagen, dass im Vordergrund die FPÖ für das Unterhaltungsprogramm sorgt ...
Stelzer:
(... lacht)
Mikl-Leitner: So würde ich das nie formulieren ... (... lacht)

Aber während die Arbeit im Hintergrund kaum wahrgenommen ist, bleibt von den vergangenen Wochen als prägendes Thema in den Köpfen hängen: Die Rücknahme des Rauchverbots in der Gastronomie.
Mikl-Leitner:
Wenn man in eine Koalition geht, dann heißt das natürlich auch immer wieder Kompromisse einzugehen. Sie wissen, dass gerade das Thema Rauchen eine Koalitionsbedingung war. Die Alternative wäre gewesen: Keine Koalition und Verhältnisse wie in Deutschland. Mir wäre auch lieber, dieses Thema wäre nicht so beherrschend.

Ihr Vorgänger Erwin Pröll hat sich ja öffentlich deklariert und auch Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat das Volksbegehren gegen die Rücknahme des Rauchverbots in der Gastronomie unterschrieben. Wie halten Sie es damit?
Mikl-Leitner: Ich weiß, dass das Thema eine Koalitionsbedingung ist und an diese werde ich mich auch halten. Trotzdem gebe ich der FPÖ eine ganz klare Empfehlung, das Thema Rauchen zu überdenken.

Stelzer: Klar ist: Da liegt der Ball bei der FPÖ. Denn die wollten das im Regierungsprogramm haben. Aber man sieht jetzt in der Bevölkerung, wie das um sich greift, wie viele Leute sich aktiv dagegen einbringen. Daher muss das bei der FPÖ zu einem Prozess des Nachdenkens führen. Die FPÖ muss ihre Position überdenken.
Was das Unterschreiben des Volksbegehrens anlangt: Das ist ein Bürgerinstrument. Ich habe als Politiker meine politischen Möglichkeiten, daher ist das, unabhängig vom Thema, meine politische Linie, dass ich persönlich so etwas nicht unterschreibe, weil ich ja ohnehin meine Tätigkeit nutzen soll und muss, um zu gestalten.

Würden Sie das Volksbegehren als Privatmann Thomas Stelzer unterschreiben – rein hypothetisch?
Thomas Stelzer: Hypothetisch mache ich nichts – es ist das Faktische gefordert.

Würden Sie hypothetisch auch keine Fotos vom rauchenden Ärztekammerpräsident Szekeres auf Ihrem Facebook-Profil veröffentlichen?
Stelzer:
(lacht ...) Ich wähle allgemein bei meinem Facebook-Auftritt positive Zugänge, da gibt es Gott sei Dank viele.

Zum Hintergrund:

Die ehemalige SPÖ-ÖVP Bundesregierung hatte bereits 2015 ein Nichtraucherschutz-Gesetz für die Gastronomie verabschiedet, das im Mai 2018 in Kraft getreten wäre. Diese Regelung sah ein komplettes Rauchverbot für Gasthäuser, Gaststätten, Beisln und Bars vor.
Die neue ÖVP-FPÖ-Koalition hat sich – auf Druck der Freiheitlichen – in den Regierungsverhandlungen darauf geeinigt, dieses Gesetz wieder zu kippen. Die "Raucher-Regelung" wird so belassen, wie sie derzeit ist: Es kann also in österreichischen Gasthäusern auch weiterhin in abgetrenntenRäumlichkeitengeraucht werden.
Gegen diese Beibehaltung des Status-Quo macht die Ärztekammer seit Februar2018 mit einem Volksbegehren mobil. Mehr als 420.000 Österreicher haben bereits unterschrieben. Auch innerhalb der ÖVP mehren sich Stimmen, die eine Neubewertung der „Raucher-Linie“ bzw. eine Volksabstimmung zum Thema fordern. Ein Plebiszit wird derzeit von der FPÖ abgelehnt.

Landeshauptmann Thomas Stelzer und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Gespräch mit BezirksRundschau-Chefredakteur Thomas Winkler. | Foto: Land OÖ/Stinglmayr
Thomas Stelzer und Johanna Mikl-Leitner. | Foto: Land OÖ
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