100 Jahre Republik
Schicksalstage im Bezirk Oberwart
Das Roma-Attentat am 4. Feber 1995 und die Erweiterung der EU am 1. Mai 2004 prägten den Bezirk Oberwart besonders.
BEZIRK (ms). In 100 Jahren Geschichte gab es auch im Bezirk zahlreiche Ereignisse, die das Leben und die Region nachhaltig prägten. Egal ob die Grenzkonflikte mit den ungarischen Freischärlern zwischen 1918 und 1921, der Ungarnaufstand 1956 oder zahlreiche Hochwasserkatastrophen - der Bezirk Oberwart hat Vieles miterlebt.
Zwei historisch besonders einschneidende Ereignisse waren 1995 das Roma-Attentat in Oberwart und 2004 die Erweiterung der Europäischen Union u.a. mit dem Beitritt Ungarns.
Roma-Attentat 1995
Am 4. Feber 1995 starben mit Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und seinem jüngeren Bruder Erwin vier Roma durch eine Rohrbombe, die der Briefbomben-Attentäter Franz Fuchs legte.
Kurz vor Mitternacht waren die vier auf ihrem nächtlichen Kontrollgang durch die Roma-Siedlung, als sie auf einer Kreuzung etwa 250 Meter von der Siedlung entfernt ein vermeintliches Verkehrszeichen entdeckten - mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien". Als dieses zu entfernen versuchten, wurde der Zündmechanismus ausgelöst. Die vier Männer waren sofort tot.
Am 12. Feber 1995 fand in Oberwart eine große Trauerfeier in Oberwart mit rund 4.500 Menschen statt, die den unschuldigen Opfern gedachten - darunter auch der damalige Bundespräsident Thomas Klestil an der Spitze der Politik.
"Das Attentat hinterließ ein riesiges Loch in der Roma-Bevölkerung. Die Ermordung der vier Roma raubte den Hinterbliebenen ihre Väter, Brüder, Kinder, Onkel und Freunde. Die Zeit nach dem Attentat hinterließ bei vielen Angehörigen Angst. Erinnerungen an die Vernichtung in den Konzentrationslagern kamen bei der älteren Generation hoch, bei den Jüngeren war es die Angst vor weiteren Anschlägen gegen die Volksgruppe", hieß es in einer offiziellen Aussendung.
Auch viele Jahre danach blieb dieses ein schwieriges Thema. „In der Siedlung ist es nach wie vor ein Tabu, über dieses Attentat zu reden. Einige Betroffene sind weggezogen, weil sie dem Druck nicht standgehalten haben“, meinte Autor Stefan Horvath, 18 Jahre danach.
"Nach dem Attentat hat sich der Fokus erstmals so richtig auf die Roma gerichtet. Die größten Veränderungen gab es im Bildungsbereich. Es gibt mittlerweile viele Studenten, Rechtsanwälte und auch Ärzte. Das war früher nicht der Fall", berichtet Martin Horvath vom Verein KARIKA. "Mein Opa war im KZ in Mauthausen und Auschwitz. Er hat uns immer wieder davon erzählt. Ich habe mir als Kind aber nie vorstellen können, dass so etwas noch einmal passieren könnte. Es wurde mir damals aber bewusst, dass es irgendwas geben muss, warum das gerade bei uns passiert. Die Angst war spürbar, aber als Kind habe ich das damals nicht so mitbekommen", so Manuela Horvath 2015 in einem Bezirksblätter-Interview anlässlich 20 Jahre Attentat.
Zuerst, so Manuela Horvath, die keinem Verein angehört, habe man nicht gewusst, was passiert sei. "Die Polizei hat ermittelt, ich habe als Kind das nicht so genau mitbekommen, was eigentlich los war. Die Angst in der Siedlung war aber spürbar und auch bei anderen Roma. Die spürbare Solidarität war ein wichtiges Zeichen - auch dafür, dass wir Roma ein Teil von Österreich sind", schilderte Manuela. Bis heute wird jedes Jahr diesem schrecklichen Attentat Anfang Feber gedacht.
EU-Osterweiterung 2004
Mit 1. Mai 2004 traten zehn Länder der Europäischen Union bei - die bislang größte Erweiterung der EU. Darunter waren mit Ungarn, der Slowakei und Slowenien auch drei Nachbarländer des Burgenlands.
Am 30. April wurde grenzüberschreitend in Pernau gefeiert und zuvor im Beisein vieler Gäster der Grenzbalken zwischen Deutsch Schützen und Pernau von LHStv. Franz Steindl, LR Verena Dunst und ihrem ungarischen Amtskollegen zersägt. Dieser trennte die beiden Ortschaften seit 1921, die zuvor Teil einer Gemeinde waren.
3,5 Jahre später fiel der Grenzbalken zwischen beiden Orten endgültig und die freie Fahrt zwischen Deutsch Schützen und Pernau war mit 21. Dezember 2017 möglich. Historiker Walter Dujmovits meinte damals beim Festakt mit vielen Gästen aus beiden Ländern: "Früher waren wir schon ein kleines Europa, heute sind wir wieder eines."
"Ich bin überglücklich, dass die Grenze zwischen den Nachbarn im Pinkatal endgültig Geschichte ist", betonte Bildeins Bürgermeister Walter Temmel. Auch die beiden Kirchenglocken von Deutsch Schützen und Pernau stimmten mit ein, als die Menschen gemeinsam "Großer Gott, wir loben dich sangen". Auch in anderen Grenzgemeinden wie Rechnitz wurde gefeiert.
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