AMS Oberwart-Leiter Dietmar Strobl im Interview
Ausbildung entscheidend
Der Arbeitsmarkt im Bezirk Oberwart entwickelte sich gut. AMS-Leiter Dietmar Strobl sieht aber viele Herausforderungen.
OBERWART. AMS Oberwart-Leiter Dietmar Strobl berichtet im MeinBezirk.at-Interview über die Arbeitsmarktsituation im Bezirk Oberwart.
MeinBezirk.at: Wie war die Entwicklung 2022?
Dietmar Strobl: Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist im Bezirk Oberwart sehr erfreulich. Die positive Entwicklung bis 2019 wurde 2020 durch die Pandemie jäh gestoppt. Das massive Ansteigen der Arbeitslosigkeit im März und April 2020 bewirkte einen Zuwachs im Jahresschnitt um mehr als 26 Prozent. Die negativen Prognosen für die Folgejahre bewahrheiteten sich jedoch nicht.
2021 verringerte sich die Anzahl der vorgemerkten Personen um fast 20 Prozent - gleichzeitig erreichten die offenen Stellen im Bezirk Oberwart einen Rekordwert - ein Plus von 47 Prozent. 2022 setzte sich der positive Trend fort. Wieder gab es ein Minus von fast 14 Prozent bei den Arbeitslosen. Auch Personen über 50 Jahre profitierten von der Situation und fanden einen Job. Der Rückgang in dem Bereich liegt bei 12 Prozent. Bei den Jugendlichen bis 24 gab es hingegen einen leichten Anstieg um 3 Prozent.
Das bedeutet die Nachfrage an Arbeitskräften wächst?
Bei den offenen Stellen gab es nur 2020 aufgrund der Pandemie einen massiven Einbruch, unerwartet schnell erholte sich der Arbeitsmarkt - und ja der Bedarf an Arbeitskräften wächst.
Durch die sinkenden Bestände der vorgemerkten Personen sind bzw. waren die offenen Stellen jedoch immer schwerer abzudecken - diese Chancen nützen knapp 300 langzeitarbeitslose Personen die schon länger als 1 Jahr ohne Beschäftigung waren und nun wieder eine Anstellung fanden.
Wie ist die Lage momentan?
Jänner und Dezember sind Saisonspitzen. Die Anzahl der vorgemerkten Männer (Baubereich) ist wesentlich höher als die der Frauen. Im Dezember waren 768 Frauen und 1.337 Männer arbeitlos gemeldet, im Jänner 2022 waren es 811 Frauen bzw. 1.465 Männer. Dem gegenüber stehen 2.150 offene Stellen 2022 - um 30 weniger als im Jahr davor. Insgesamt 1.800 Stellen konnte das AMS Oberwart erfolgreich besetzen.
- Jänner 2022: 811 Frauen, 1465 Männer
- Juli 2022: 772 Frauen, 791 Männer
- Dezember 2022: 768 Frauen, 1337 Männer
Welche Entwicklung ist für die kommenden Monate zu erwarten?
Ob sich dieser Trend auch 2023 fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Aus dem Facharbeitermangel wurde ein Arbeitskräftemangel. Dieser Arbeitskräftemangel wird bestehen bleiben - Personal auch in Zukunft fehlen. Die Pandemie hat in manchen Branchen große Veränderungen bewirkt. Homeoffice wurde in vielen Bereichen praktiziert und wird nun von vielen Arbeitnehmern eingefordert. Das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt hat sich zugunsten der Arbeitnehmer bzw. Bewerber verschoben.
Wie ist die Situation bei den Lehrstellen?
Das AMS Oberwart hatte 2022 im Jahresdurchschnitt 64 offenen Lehrstellen inseriert.
38 Lehrstellen suchende Personen waren vorgemerkt. Auch die Besetzung von Lehrstellen wird nicht unbedingt einfacher. Das Potential an Jugendlichen, sprich die Schulabgänger_innen nach dem 9. Schuljahr, werden geringer.
53 Lehrstellen sind momentan beim AMS Oberwart zu besetzen - 21 davon im Einzelhandel, der Rest quer durch die Branche. 46 Jugendliche sind aktuell Lehrstellensuchend vorgemerkt.
Wo liegen 2023 die Herausforderungen bzw. Chancen?
Pandemie, Krieg in der Ukraine, horrende Energiepreise, Materialengpässe, Lieferprobleme, Gesetzesänderung in der Kreditvergabe beim Hausbau, usw. All diese Begriffe schwirren seit geraumer Zeit durch alle Medien, verunsichern und erzeugen Ängste. Die Rückmeldungen von Unternehmen unterscheiden sich jedoch sehr. Die Material- und Lieferprobleme bestehen in gewissen Bereichen, sind jedoch lang nicht so tragisch wie befürchtet.
Die Gesetzesänderungen beim Hausbau für Eigenheime bewirken bei dem einen einen Rückgang von 20 Prozent, der andere verspürt hingegen keine Veränderungen. Die Auftragsbücher im Baubereich sind bei manchen Unternehmen bereits fürs 1. Halbjahr ausgebucht, andere hingegen können mit Saisonbeginn nicht alle Stammarbeiter einstellen. Auch die Energiekrise wird verschieden gehandhabt. Manche Unternehmen sind in der Existenz bedroht, andere bereits energieautark durch den Ausbau von Photovoltaikanlagen.
Wo gibt es besondere Herausforderungen fürs AMS?
Betriebsbesuche und Werbung von offenen Stellen sind das Thema Nummer 1 für das Service für Unternehmen. 2/3 der arbeitslos vorgemerkten Personen haben keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung. Da jedoch nur mehr 1/3 der offenen Stellen für Personen ohne Berufsausbildung geeignet sind, muss die Bereitschaft zur Weiterbildung und Höherqualifzierung forciert werden.
Wo liegen die Ausbildungsschwerpunkte?
Das Kursprogramm für 2023 steht. Heimhelfer und Pflegeassistenzkurse warten auf die Besetzung, Metall- und Schweissausbildungen versprechen eine sofortige Arbeitsaufnahme nach Kursabschluss. Unser Ziel ist es, sowohl Jugendliche als auch Erwachsene durch geeignete Weiterbildung zu Jobs zu verhelfen.
Das Potential an geeigneten Personen hat sich in den letzten beiden Jahren stark verringert – dementsprechend werden wir die Information und Bewerbung von Weiterbildungsmaßnahmen noch gezielter intensivieren müssen.
Hat sich im Laufe der Zeit der Aufgabenbereich im AMS stark verändert?
So sonderbar es vielleicht klingt: Information - Vermittlung - Beratung - Förderung waren schon bei meinem Eintritt ins AMS vor mehr als 40 Jahren die Schlagwörter Nummer 1 - und bekommen in der momentanen Situation noch mehr Bedeutung.
Das Jahr 2023 wird eine Herausforderung - auch fürs AMS Oberwart. Wir sind weiterhin von Personalabgängen durch Pensionierungen betroffen.
Bedeutet das, auch das AMS sucht Leute?
Ja, wir müssen ebenfalls geeignete Mitarbeiter suchen oder auch Lehrlinge, diese ausbilden und schlussendlich ins bestehende Team integrieren. Auch wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, um engagierte Mitarbeiter zu halten und nicht an andere Unternehmen mit attraktiveren Angeboten zu verlieren. Von engagierten Mitarbeitern lebt ein Unternehmen - auch das AMS! Denn schließlich verbinden wir Mensch und Arbeit!
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