Südostwallbau im Südburgenland 1944/45
Dieser Tage gedachte das offizielle Österreich des Anschlusses unseres Landes an das Dritte Reich im März 1938. Eine direkte Folge dieses Anschlusses waren die Vorgänge entlang der Grenze zu Ungarn, die sieben Jahre später stattfanden und vielerorts ebenfalls in einem März ihren unrühmlichen Höhepunkt in Form von Massenverbrechen an ungarischen Juden fanden.
Doch wo viel Schatten ist, da ist oft auch einiges an Licht vorhanden. Der Südostwallbau führte mancherorts dazu, dass Menschen ihr Leben für andere riskierten. Vier dieser Südburgenländer wurden dafür von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in die Liste der „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen.
Historischer Hintergrund
Das Burgenland wurde unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich aufgeteilt. Die vier nördlichen Bezirke kamen zum Gau Niederdonau, die drei südlichen Bezirke zum Gau Steiermark. Nur der Bezirk Oberwart bestand als Kreis Oberwart weiter, während der Bezirk Güssing Teil des Kreises Fürstenfeld und der Bezirk Jennersdorf Teil des Kreises Feldbach wurden.
Sechs Jahre später, am 1. September 1944, wurde aufgrund der katastrophalen Entwicklung der militärischen Lage an der deutschen Ostfront durch einen Führererlass der Bau eines Stellungssystems entlang der deutsch-ungarischen Grenze befohlen. Die deutsche Propaganda bezeichnete dieses System bald großspurig als „Südostwall“ oder „Reichschutzstellung“, das aber niemals etwas anderes war als eine militärisch weitgehend unbedeutende Widerstandslinie.
Bau des Südostwalls
Für den Bau des Südostwalles waren die Gauleiter verantwortlich, der Gauleiter der Steiermark, Sigfried Uiberreither, übertrug die Verantwortung in weiterer Folge seinen Kreisleitern Eduard Nicka (Oberwart), Eduard Meissl (Fürstenfeld) und Anton Rutte (Feldbach).
Baubeginn war im Oktober 1944, zum Einsatz kamen beim "Schanzen" neben der Zivilbevölkerung, Angehörigen der Hitlerjugend und der Organisation Todt vor allem ungarische Juden. Viele dieser Zwangsarbeiter waren im Laufe des Jahres 1944 in ungarische Arbeitsbataillone gepresst worden, während man ihre Angehörigen in das Konzentrationslager Auschwitz deportierte und dort ermordete.
Massenverbrechen an vielen Abschnitten des Südostwalls
Die Geschichte des Südostwalls ist vor allem, aber nicht nur, eine Geschichte von Verbrechen an diesen ungarischen Zwangsarbeitern.
Hinlänglich bekannt ist einer breiteren Öffentlichkeit vermutlich das Massaker von Rechnitz, dem in der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945 rund 200 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Einige Kilometer weiter südlich, in Deutsch Schützen, wurden am Vormittag des 29. März ebenfalls rund 60 ungarische Juden ermordet. Wie der böse Zufall es wollte, waren am Vorabend drei versprengte Soldaten der 5. SS-Panzerdivision „Wiking“ unabhängig voneinander auf der Flucht von der Roten Armee bei Deutsch Schützen über die Grenze gekommen und hatten dort mit dem zuständigen Unterabschnittsleiter Alfred Weber dieses Mordkomplott geschmiedet.
Dies waren aber bei weitem nicht die einzigen Greueltaten, die in diesen Tagen und Wochen entlang des Südostwalls passierten. So wurden in Jennersdorf im Frühjahr 1945 gleich mehrere Male Gruppenhinrichtungen an Juden vollzogen. Weitere Schauplätze waren außerdem noch Strem/Heiligenbrunn und Krottendorf, ein Ortsteil von Neuhaus am Klausenbach.
Bekannte und unbekannte Helden und Heldinnen
Es gab entlang des Südostwalls aber auch viele Beispiele von Menschlichkeit und von Heldentum. Einer Form von Heldentum, bei der man anderen nicht das Leben nahm, sondern das eigene Leben für andere riskierte.
Da wäre als Beispiel der Pfarrer von Deutsch Schützen, Johann Farkas, zu nennen. Dieser hatte bereits in der Zeit vor dem Massaker geholfen, die jüdischen Zwangsarbeiter zu versorgen. Als am späten Vormittag des 29. März der Evakuierungsmarsch der Überlebenden begann, versteckten er und andere Ortsbewohner einige Juden von der SS und retteten so ihr Leben.
Weiter südlich, in Deutsch Ehrensdorf, sprachen zwei geflüchtete jüdische Zwangsarbeiter, die Kinder von Gisela Legath, Martin und Frieda, an. Die Kinder brachten die beiden Geflüchteten zu ihrer Mutter, die sie tagelang versteckte und versorgte. Auch als eine Einheit der Waffen-SS in ihrem Bauernhof Quartier machte, gelang es der Frau das Leben der beiden zu retten. Einer der Überlebenden, Gyorgy Krausz, wanderte später nach Israel aus und erreichte, dass Gisela, Martin und Frieda Legath von der Holocaust-Gedächtnisstätte Yad Vashem in der Liste der „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen wurden. Sie sind drei von nur 104 Österreicherinnen und Österreichern, welche diese Auszeichnung verliehen wurde. Die Stadt Wien ehrte Gisela Legath 2012 indem sie eine Straße der neuen Seestadt in Aspern nach ihr benannte.
Im Bezirk Jennersdorf bemühte sich vor allem der Abschnittsarzt Erich Stadler, ein Facharzt für Frauenheilkunde, das Leben vieler erkrankter jüdischer Zwangsarbeiter zu retten. Während ihn der Abschnittsverantwortliche für den Unterabschnitt Minihof-Liebau bei seinen Aktivitäten unterstützte, veranstaltete der Verantwortliche des Nachbarabschnittes Kalch das Massaker von Krottendorf, bei dem 83 kranke Zwangsarbeiter von SS-Männern getötet wurden. Diese Ereignisse sind ein Beweis dafür, dass die Entscheidung Leben oder Tod meist von den örtlichen Akteuren der NSDAP bzw. der SS abhing.
Unterstützt wurde Erich Stadler auch von Rosa Schreiber-Freissmuth, die in Neuhaus am Klausenbach zu dieser Zeit eine Apotheke betrieb. Sie half den jüdischen Zwangsarbeitern mit Medikamenten und Lebensmitteln und konnte so das Leben des 16-jährigen Alan Braun retten. Dieser wanderte nach dem Krieg nach Kanada aus und wurde Professor an der University of Windsor. Seine Retterin konnte er nie vergessen, es gelang ihm schließlich 1997, ein Jahr nach Rosa Schreiber-Freismuths Tod, sie von Yad Vashem in die Liste der "Gerechten unter den Völkern" aufnehmen zu lassen.
Licht und Schatten auch bei der geschichtlichen Aufarbeitung
Zur Geschichte des Südostwalls gehört auch der umstrittene Umgang Österreichs mit seiner eigenen Vergangenheit.
Während in der Zeit bis 1955 im Zuge der sogenannten Volksgerichtsprozesse einige Täter zur Verantwortung gezogen wurden, fand unmittelbar nach Abzug der alliierten Besatzungsmächte der erste Geschworenenprozess gegen einen NS-Täter statt. Bei dem Angeklagten handelte es sich zufälligerweise um den Hauptverantwortlichen des Deutsch Schützeners Massakers, Alfred Hofer. Im Geiste der damaligen Zeit wurde er von den acht Geschworenen freigesprochen, ein erstes Schand- bzw. Fehlurteil der österreichischen Nachkriegsjustiz, dem in den Folgejahren noch weitere folgen sollten (siehe "Der Fall Murer - Rosen für den Mörder").
Aber gerade das Massaker von Deutsch Schützen stellt auch eine bemerkenswerte Wegmarke beim Aufarbeitungsprozess der österreichischen Geschichte dar. 2008 konnte ein Student durch eine einfache Telefonrecherche Adolf Storms, einen der SS-Täter des Massakers, ausfindig zu machen. Seinem Professor Walter Manoschek stand dieser dann überraschend Rede und Antwort, der daraus mit dem Film "Dann bin ich ja ein Mörder!" ein beeindruckendes Zeitzeugnis anfertigte.
Beeindruckend auch das Wirken von RE.F.U.G.I.U.S., der Rechnitzer Flüchtlings- und Gedenkinitiative und Stiftung, die den Kreuzstadl in Rechnitz zu einem Mahnmal für alle Opfer des Südostwallbaus ausbaute.
Aktuell legt der Residenz Verlag gerade das Buch "Aasplatz" von Manfred Wieninger auf, in dem dieser die Umstände eines Massakers in Jennersdorf zum Thema macht. Vielleicht ein weiterer Schritt einer geschichtlichen Aufarbeitung des Südostwallbaus.
Weiterführende Information: Südostwall - Abschnitt Südburgenland (Regiowiki.at)
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