Otto-Wagner-Areal
Tote Bäume, neue Wohnungen und ein fehlendes Konzept
Knapp hundert Bäume wurden in den vergangenen Tagen am Otto-Wagner-Areal wieder gefällt. Waren sie krank? Werden Bäume nachgepflanzt? Und wann kommt das Nachnutzungskonzept?
PENZING/OTTAKRING. Nach und nach werden die dicken Stämme, die einmal 100 stolze Schwarzkiefern und Rotfichten waren, in die überdimensionale Heckselanlage geschoben. Der große Kran hebt sie an, als wären sie Zündhölzer. Dann kann man zusehen, wie die Maschine das Holz zerhackt, wie der gesamte Baum plötzlich verschwindet. Wenn man Pech hat und der Wind dreht, kann es allerdings auch passieren, dass einem der feine Staub der alten Bäume in den wenigen Minuten die es dauert, bis sie zu kleinen Holzheckseln geworden sind, in die Augen weht. Vielleicht ist es aber auch die Trauer um den Baum, der hier über Jahrzehnte gewachsen ist und ein Zuhause für Vögel und Waldtiere war, die die Tränen über das Gesicht laufen lässt.
Alle Genehmigungen für das, was nun seit dem 11. Oktober am Otto-Wagner Areal passiert, liegen vor, sowohl für die Schlägerungen als auch für den Bau von 120 Wohnungen. Rund 100 Bäume wurden in den vergangenen Tagen nach und nach gefällt, was laut Gesiba, dem Bauträger der Wohnungen, aus Sicherheitsgründen in den nächsten Jahren ohnehin geschehen hätte müssen. Außerdem, so heißt es hier, seien einige der Bäume krank gewesen. Dass die Bäume tatsächlich krank waren, das bezweifeln die Initiative „Steinhof erhalten“ und die die Penzinger ÖVP, FPÖ und Neos. Aber: wer weiß.
Otto-Wagners Erbe: Das Konzept in der Schublade
„Wer weiß“, das ist irgendwie auch das Motto, dem die Geschehnisse am Otto-Wagner-Areal seit vielen Jahren folgen. Denn wer weiß schon, was hier noch alles passieren wird? Irgendwer in der Satdtverwaltung weiß das. Denn irgendwo in einer Schublade liegt - angeblich - ein Nachnutzungskonzept für das gesamte Areal. An die Öffentlichkeit ist es bisher noch nicht gekommen.
Dieses Wort, Nachnutzungskonzept, sorgt in Bezug auf das Otto-Wagner-Areal wechselweise für Lachanfälle oder Wut. Denn seit einigen Jahren, zumindest aber seit 2017 - damals wurden die ersten Wohnungen am Areal errichtet - fehlt dieses Konzept. Dieses Nachnutzungskonzept soll festhalten, wie das gesamte Areal genutzt werden soll, wenn alle Abteilungen des Krankenhauses abgesiedelt sind. Es soll außerdem festhalten, dass das gesamte Areal für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt und die Gebäude, die Otto Wagner sorgfältig geplant hatte, geschützt werden müssen. In diesem Zusammenhang protestieren Bürgerinitiativen seit Jahren gegen die Baumfällungen am Areal und fordern - endlich - den Schutz als UNESCO-Welterbe für das gesamte Areal.
Der Kampf gegen die „vergewaltigte Natur“
Eine "Dokumentation über die vergewaltigte Natur", wie es die Bürgerinitiative „Steinhof erhalten“ nennt, findet man aktuell auf der Facebook Seite der Initiative. Hunderte Fotos von gefällten Bäumen sind zu sehen. Alle diese Bilder stammen aus den vergangenen Tagen, alle stammen aus dem Otto-Wagner-Areal. Dort, wo sie standen, werden in naher Zukunft Wohnhäuser errichtet.
Gleichzeitig ist aber die Kirche am Steinhof nun in der ORF Sendung "9 Plätze - 9 Schätze" als Finalist für Wien nominiert worden. Am 26. Oktober wird sich zeigen, ob in diesem Jahr die Kirche zum schönsten Platz des Landes gekürt wird. "Das was die Stadtpolitik nicht wahrhaben will, haben die Wienerinnen und Wiener als wichtig erkannt", schreibt die Initiative "Steinhof erhalten" auf ihrer Homepage. Zur Kirche gehöre "aber auch die Jugendstil-Gesamtanlage des Steinhof-Areals samt Spitalsareal, welches eben in diesen Tagen einer weiteren Zerstörung durch die Wiener Stadtpolitik zugeführt wird."
Steinhof: Heftige Debatten im Bezirk
Die aktuellen Geschehnisse sorgen für einen großen Aufschrei und heftige Debatten in den Bezirksvertretungen Penzings und Ottakings. Gestern, am 16. Oktober, fand die Sitzung im Penzinger Bezirksparlament statt.
„Niemand, weder die Bezirkspolitik noch die Anrainer, wurden zeitgerecht über die Baumfällungen informiert“, beklagte Bernhard Loibl von der FPÖ. Und auch dass die Bäume krank waren, wie die Gesiba wissen ließ, will man weder bei der FPÖ noch bei der ÖVP und auch nicht bei Neos glauben. Wofgang Gerold von Neos kommentierte das so: Es entzürnt mich, dass das Otto-Wagner-Areal so unwichtig zu sein scheint. Es wird Zeit, dass wir aufwachen und etwas dagegen machen. Waren die Bäume wirklich krank? Ich mein für wie blöd hält man uns?“ Herwig Klinke von der ÖVP zeigte sich persönlich betroffen. „Ich war als einziger bei den Baumfällungen dabei und kann sagen, dass sie nicht von Borkenkäfern befallen waren. Ich trauere um 92 Bäume.“ Dem konterte Kilian Stark von den Grünen. Denn er wirft den anderen Parteien vor, dass es ohne die Beschlüsse im Wiener Gemeinderat von SPÖ, FPÖ und ÖVP aus dem Jahr 2006 die Bauten nicht gäbe. Die Grünen hätten dann in der Stadtregierung mit einer Mediation Schadensbegrenzung betrieben. Denn ursprünglich seien viel mehr Wohnungen geplant gewesen. "Was dachtet ihr, dass die Gesiba einen Landschaftsgarten daraus macht?“, so Stark.
Die neue Bezirkschefin, Michaela Schüchner von der SPÖ, ließ angesichts der aktuellen Lage wissen, dass sie eher an die Kinder und Familien denke, die hier ein neues Zuhause finden würden, als an die Bäume. Denn die Gesiba baue hier auch Sozialwohnungen. Zudem würden Bäume nachgepflanzt.
Auch in Ottakring gehen die Wogen hoch
„Leistbarer Wohnraum war im Wahlkampf bei allen Parteien Thema. Für alles was dort passiert gibt es eine Rechtsgrundlage. Die Kollegen im 14. Bezirk werden sich sehr gewissenhaft mit dem Thema auseinandersetzen“, heißt es hier aus der Bezirksvorstehung. Die ÖVP hingegen ortet eine "entlarvende Vorgehensweise". "Hier wird etwas gemacht was die Bürger nicht wollen. Es wird einfach weitergemacht. Die Gesiba gehört der Stadt Wien, es zählt also sehr wohl der politische Wille. Es müssen also die Grünen in die Pflicht genommen werden“, so ÖVP Bezirksparteiobmann Stefan Trittner.
Neos Klubvorsitzender Jörg Konrad zeigt sich "traurig und fassungslos", dass die Zerstörung des Otto-Wagner-Areals "mit Unterstützung der Wiener Grünen weiter voranschreitet." Und weiter: "Auch ÖVP, FPÖ und SPÖ tragen aufgrund der Beschlüsse zur Umwidmung und dem Verkauf an die Gesiba natürlich genauso Mitschuld an der Zerstörung dieses wichtigen Kulturjuwels.“ Die Grünen Ottakring weisen mit einer Timeline der Geschehnisse jedoch darauf hin, dass SPÖ, FPÖ und ÖVP gleichermaßen in den vergangenen Jahren dem Flächenwidmungsplan zugestimmt hätten. Die Grünen hätten 2011 erwirkt, dass statt der ursprünglich geplanten 620 Wohnungen nur rund 160 Wohnungen in zwei Bauabschnitten entstehen. Diese Wohnungen würden nun gebaut und: "Wie beim ersten Abschnitt werden hier Ersatzpflanzungen mit heimische Gehölzen getätigt", so die Grünen Ottakring.
Die Gesiba selbst verspricht 222 Neupflanzungen am Areal und verteidigt das Vorgehen: „Natürlich müssen wir das Gelände für den Bau vorbereiten. Der Großteil der Bäume hätte in den kommenden Jahren ohnehin aus Sicherheits- und ökostatischen Gründen gefällt werden müssen“, betont Generaldirektor Ewald Kirschner. „Im Gegenzug pflanzen wir fast das Dreifache, nämlich 222 Bäume neu an und sichern damit ein gutes Ökoklima für die kommenden Jahrzehnte.“ Außerdem verweist Kirschner darauf, dass 25 Prozent der Wohnungen dem betreuten Wohnen in Kooperation mit dem Fonds Soziales Wien gewidmet werden.
Alle Infos:
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