70 Jahre nach der Befreiung: Mauthausener Zeitzeuge erinnert sich zurück

Franz Hackl arbeitete in Gusen, freundete sich mit polnischen Häftlingen an. Mit einem hielt er nach dem Krieg Briefkontakt.
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MAUTHAUSEN, ST. GEORGEN AN DER GUSEN (mikö). 18 Jahre war Franz Hackl im Jahr 1945 alt. Die Kapitulation am 8. Mai erlebte er im Waldviertler Ort Zwettl als Wehrmacht-Soldat. „Ich weinte Freudentränen, viele deutsche Soldaten waren alles andere als erfreut“, erinnert sich Hackl. Beim Heimmarsch Richtung Mauthausen musste er Todesängste ausstehen: „Drei Zivilisten, ehemalige KZ-Häftlinge, haben uns die Pistole hergehalten weil sie glaubten, wir wären SS-ler. Da wir aber die Blutgruppe unter der Achsel nicht eingeritzt hatten wie die SS, durften wir weiter.“ Dabei hätte Hackl zur SS sollen: „Ich habe abgelehnt, musste zur Strafkompanie.“ Auf Wald- und Wiesenwegen ging es heimwärts. Zwischen 10. und 15. Mai kam er heim. Dort der nächste Schock: Hackls Vater war Bruchmeister in den Erd- und Steinwerken, die Familie lebte in einer Siedlung, wo SS-Chargen wohnten. Die Amerikaner warfen die Hackls aus ihrer Wohnung.

"Eine bittere Zeit"
„Bei meinem Vater ist aber immer wieder durchgeklungen, dass er mit dem NS-Regime nicht viel Freude hatte, er war ein alter Sozialdemokrat.“ Drei Monate lebten sieben Personen ohne Möbel in einem Raum bei der Großmutter in Langenstein. „Eine bittere Zeit.“ Hackls Vater kam erst einige Wochen später aus englischer Kriegsgefangenschaft. Franz Hackls Bruder kehrte vom Volkssturm heim. Ab 1. August übernahmen die Russen die Besatzung. Vor allem zu Beginn waren sie brutal: Es kam zu Vergewaltigungen und Diebstählen. „Später hat sich das mehr geregelt.“ Eine Begegnung mit einem russischen Offizier wird Hackl aber nie vergessen. Im August 1945 scherzte Hackl mit Freunden über den Marsch-Stil des Soldaten. „Er hat es mitbekommen und mich mit dem Gewehr geschlagen. Dann sagte er: Wenn du noch einmal lachst, kommst du nach Sibirien.“ Die prekäre Wohnsituation der Familie besserte sich. Bis zum Einrücken in die Wehrmacht 1945 arbeitete Hackl als Betriebsschlosser bei den Erd- und Steinwerken in Gusen. Er freundete sich mit Häftlingen aus Polen an, vor allem mit Czeskow Lewandowski, mit dem er später noch Kontakt hatte. Direkt nach dem Krieg arbeitete Hackl im ehemaligen Nazi-Stollen „Bergkristall“. Maschinen und Geräte wurden ausgebaut. Diese dienten als Reparationszahlungen für Russland.

70 Jahre Befreiung
Die Befreiung des KZ-Komplexes Mauthausen-Gusen jährt sich nun zum 70. Mal. Am 5. Mai 1945 beendete die US-Armee die Terrorherrschaft. Ein zwiespältiger Moment: Auf der einen Seite herrschte große Freude über die Freiheit. Zugleich waren viele KZ-Häftlinge derart geschwächt, dass sie die Befreiung gar nicht bewusst erleben konnten. Unzählige starben noch Wochen und Monate nach der Befreiung. Viele Deportierte standen vor dem Nichts und waren nun ohne Zuhause.

Was im Mai 1945 in Gusen und Mauthausen geschah
Die SS verbrannte Ende April/Anfang Mai wichtige Dokumente, viele machten sich in Wehrmachtsuniformen aus dem Staub Richtung Bayern.Bevor die Amerikaner die Lager Gusen I, II, III und dann Mauthausen am 5. Mai 1945 befreiten. In den Lagern befanden sich 61.000 Gefangene. Viele lagen zum Zeitpunkt der Befreiung tot im Lager, wurden zu Massengräbern gebracht. Die Amerikaner nahmen SS-Angehörige in Gefangenschaft. Das KZ Gusen II wurde wegen Typhus am 20. Mai niedergebrannt. 1947 ließ Stalin das Lager Gusen I zerstören. Bis 31. Juli waren die Amerikaner Besatzer, ab 1. August war das Mühlviertel russisches Besatzungsgebiet. Während 1938 und 1945 waren im KZ-System Mauthausen 200.000 Menschen inhaftiert, 100.000 Tote sind offiziell bestätigt.

Mehr zum Thema
Sonderausstellung „Nach dem Krieg. Oberösterreich 1945-1955“ im Landesmuseum bis November

Ausstellung im Heimathaus St. Georgen/G. „Überleben durch Kunst“ an Samstagen und Sonntagen sowie 1. Mai, jeweils von 9-17 Uhr und unter Voranmeldung Tel. 07237/3946

Gedenkveranstaltungen
Sonntag, 3. Mai: Gedenkveranstaltung in Katsdorf. 9 Uhr Gottesdienst

Dienstag, 5. Mai, 20 Uhr: Lesung „70 Jahre Befreiung – 70 Jahre Frieden“. Maria Hofstätter, Elfriede Irall und Tom Pohl lesen aus Zeitzeugenberichten. Lichtspiele Katsdorf.

Freitag, 8. Mai, 19 Uhr: Gedenk- und Dankgottesdienst, Pfarrkirche, St. Georgen/Gusen.

Samstag, 9. Mai, 14 Uhr: Enthüllung Gedenktafel für Anna Pointner, die spanischen KZ-Häftlingen half. Vormarktstr. 61, Mauthausen.

Samstag, 9. Mai, 17 Uhr: Gedenk- und Befreiungsfeier „Zwangsarbeit im Steinbruch und in der Rüstungsindustrie. Ansprachen ehem. Häftlinge. Memorial Gusen/Langenstein.

Sonntag, 10. Mai, 16 Uhr: Gedenkfeier. Gedenkstein Ried.
Sonntag, 10. Mai: Internationale Befreiungsfeier, 11 Uhr Gedenkzug über Appellplatz, KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

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