Wolfsrisse in Saalfelden
"Wir wollen ja nicht Wolfsfutter züchten"
Die Wölfe sind in der Mitte unseres Lebensraumes angekommen, wie die jüngsten Ereignisse wieder bestätigen. Wie geht es jetzt weiter?
SAALFELDEN, PINZGAU. Hubert Stock ist Wolfsbeauftragter des Landes Salzburg und als solcher zuständig für alle "wölfischen" Belange – von der Begutachtung von Wolfsrissen und den Entschädigungen für die Bauern über die Koordinierung von Herdenschutzmaßnahmen bis zur Abwicklung von Entschädigungen und Förderungen laufen bei ihm die Fäden zusammen. Aus aktuellem Anlass haben wir mit ihm gesprochen: Zwei Schafe, die Mitte November im Saalfeldner Ortsteil Marzon gerissen wurden, sind tatsächlich Opfer eines Wolfes geworden. Das bestätigte jetzt die Laboruntersuchung der dazugehörigen DNA. Es handelt sich heuer schon um den dritten bestätigten Wolfsriss im Pinzgau: Im Juli wurde eine Ziege in Wald im Pinzgau vom Wolf getötet, im August drei Schafe in Neukirchen am Großvenediger.
Jungwölfe auf "Durchreise"
"Die Wölfe, die zur Zeit in unserem Gebiet unterwegs sind, sind Einzelwölfe",
erklärt Hubert Stock.
"Diese Jungwölfe kommen in Rudeln auf die Welt, müssen nach ein bis zwei Jahren das Rudel verlassen und beginnen dann auf der Suche nach neuem Lebensraum zu wandern. Da tauchen sie dann spontan wo auf und sind dann gleich wieder weg – so wie in Saalfelden."
Wenn es ihnen wo gefällt und sie einen "Partner" finden, bleiben sie aber und gründen ein Rudel – "in Kärnten konnte schon das zweite Wolfsrudel bestätigt werden".
"Dass sich die Wölfe bei uns niederlassen und ein Rudel bilden, ist nur eine Frage der Zeit,"
sagt Hubert Stock.
Ob die Bedingungen auch bei uns für die Niederlassung des Wolfes günstig sind?
"Wölfe sind extrem anpassungsfähig",
erklärt Stock.
"Sie können fast überall leben."
Es gäbe in Europa schon viele Wölfe, die auch in unser Gebiet hereindrängen –
"das stellt unsere Bauern vor riesige Herausforderungen",
so der Wolfsexperte.
Freier Abschuss als Lösung?
Laut EU-Richtlinie dürfen Wölfe, die als "Problemwölfe" definiert sind, nur nach erfolgtem behördlichen Bescheid zum Abschuss freigegeben werden.
"Das ist nur eine Notlösung, die in der Praxis nicht funktioniert",
meint Hubert Stock. Es sei das Bestreben da, Lösungen zu finden, die auch für die betroffenen Bauern wirklich realistisch seien.
"Es muss möglich sein, dass auf Almen, die ja ungeschützt sind, ein Wolf, der das Vieh bedroht, jederzeit abgeschossen werden kann – ohne vorherige behördliche Genehmigung",
sagt der Wolfsbeauftragte. Im Moment sei die EU-Richtlinie ausschlaggebend, die das verbietet.
"Diese zu ändern, ist ein sehr langwieriger politischer Prozess. Aber die zuständigen Politiker – allen voran Landesrat Sepp Schwaiger, aber auch der Landeshauptmann – sind sehr bemüht, hier eine Lösung zu finden. Auch der Landwirtschaftsminister ist Gott sei Dank sehr aktiv bei diesem Anliegen – da bin ich wirklich positiv gestimmt, dass es Lösungen geben wird."
Bis es so weit ist, geht allerdings der steinige Weg für viele Bauern weiter.
"Die Entschädigungen für einen Wolfsriss sind ganz unbürokratisch – aber das ist ja nicht wirklich das Problem und oft nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es geht ja den Bauern nicht nur um den Wert, sondern auch um die emotionale Verbindung zu den Tieren. Keiner will 'Wolfsfutter' züchten. Das Emotionale kann man nicht entschädigen."
EU geht Richtung Lockerung
In einer am 25. November verabschiedeten, nicht rechtlich bindenden Resolution vom 25. November 2022 sprach sich die Mehrheit der EU-Abgeordneten jetzt für eine Abschwächung des Schutzstatus aus. Damit soll der Abschuss problematischer Wölfe vereinfacht werden. Für eine Änderung der bisher gültigen, 30 Jahre alten Richtlinie bedarf es jedoch der Zustimmung aller 27 EU-Staaten. Die Stimmung dreht sich – für die Bauern, gegen den Wolf.
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