Pflegeheimversorgung
Sie schauen, was die Senioren schlucken

- Arzt Florian Greinwald (li) mit Barbara Oberleitner-Czernia und Diemut Strasser von der Kurapotheke Bad Gastein und dem Pflegeleiter im Seniorenheim, Stephan Bacher.
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Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegern und Apothekern in Bad Gastein ist Vorzeigebeispiel bei der Pflegeheimversorgung.
BAD GASTEIN (aho). Pflegeheime sollen Arzneimittel weiterhin über öffentliche Apotheken beziehen und nicht über pharmazeutische Großhändler. Das fordern Apothekerkammer, Arzneimittelvollgroßhändler und pharmazeutische Industrie angesichts der Einsparungspläne im Gesundheitsministerium, wo man an den rechtlichen Grundlagen für die Medikation in Wohn- und Pflegeheimen in Richtung Großhandel schrauben will. Die Bezirksblätter haben ein Salzburger Vorzeigebeispiel der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheke und Pflege unter die Lupe genommen: das Seniorenheim Bad Gastein.
Wichtigste Patientengruppe
"Wir Apotheken haben einen Versorgungsauftrag in der Gemeinde, vom Kleinkind bis zum Bettlägrigen. Warum die Seniorenheime wegfallen sollen, ist völlig unverständlich, weil Wechsel- und Nebenwirkungen im hohen Alter oft akut auftreten können", sagt Mag. pharm. Diemut Strasser von der Kurapotheke Bad Gastein. Im aktuellen System stellt der Arzt die Diagnose und verordnet die Therapie. Die Pflege übernimmt Versorgung, Betreuung und Verabreichung sowie die Kontrolle durch Beobachtung. Die Apotheker erbringen pharmazeutische Beratung und Kontrolle und sorgen so für mehr Patientensicherheit. Im interdisziplinären Team werden also Fehlerquellen minimiert.
Risiken deutlich gesenkt
Schon vor dem Vorzeigeprojekt "Gemed" wurde in Bad Gastein 2014 ein Pilotprojekt gestartet. "Gemed" und das Folgeprojekt "Gemed 2" sind ein Medikationsmanagement für Senioren, das mittlerweile in zehn Orten im Pongau, Pinzgau und Tennengau umgesetzt wird. Örtliche Apotheken werden dort bei den Medikamentenplänen der insgesamt 611 Bewohner miteinbezogen. Sie kontrollieren, ob Wechsel- oder Nebenwirkungen den Gesundheitszustand verschlechtern. Das Ergebnis: Gesundheitliche Risiken durch Polymedikation können durch die enge Vernetzung um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Bei 212 Bewohnern wurden insgesamt 502 Empfehlungen an Ärzte abgegeben, 72 Prozent davon wurden umgesetzt. Großteils wurden Medikamente abgesetzt (43 Prozent) oder die Dosis angepasst (23 Prozent).
Bessere Lebensqualität erreicht
"Der enge Austausch mit dem Apotheken-Team bringt stets eine Auffrischung und neue Inputs in unser Seniorenheim-Team", berichtet Stephan Bacher, Pflegeleiter im Seniorenheim Bad Gastein. Die Zusammenarbeit zwischen Arzt, Apotheke und Pflege hätte Spuren hinterlassen, etwa in der Anpassung der Medikation für eine bessere Lebensqualität.
Logistisch nicht zu bewältigen
Sollten Pflegeheime die Bestellung von Medikamenten künftig selbst übernehmen müssen, käme es zu vielen Nachteilen: Durch den Wegfall der Kontrolle durch Apotheken steigt das Risiko von Wechselwirkungen, Flexibilität und Sicherheit gehen verloren, das Recht auf freie Apothekenwahl wird verwehrt, Heime müssen sich auf Lieferschwierigkeiten einstellen und haben erhöhtes Haftungspotential, um nur einige zu nennen. "Bei kurzfristigen Fragen zu Medikamenten ist die regionale Zusammenarbeit unverzichtbar. Auch der logistische Mehraufwand ist mit den aktuellen Personalressourcen nicht vorstellbar. Es ist für uns kein Vorteil erkennbar, weder finanziell noch in der Versorgung", sagt Bacher.
"Apotheker gehören ins Boot"
"Das Wichtigste ist, Fehler zu erkennen und sie später zu vermeiden. Es wäre sehr bedenklich, wenn das bestehende System verändert wird. Vom selbstlernenden System profitieren alle und bei Polymedikation gehört ein Apotheker mit ins Boot", sagt Arzt Dr. Florian Greinwald, der die perfekte Absprache zwischen den Beteiligten in Bad Gastein lobt: "Hier wurde großes Vertrauen untereinander aufgebaut."


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