Magisches Schweigen

Berge bei Tannheim
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Im Duden findet man die Redewendung: "er kann in sieben Sprachen schweigen" und nimmt damit Bezug auf die Magie des Schweigens. Für den römischen Kult war das Schweigen die erste Bedingung, damit der Mensch ruhig wird, um empfänglicher für die Kräfte der Natur zu werden. Von den Griechen etwa überliefert uns Menander, dass am Grabe des Ödipus nicht gesprochen werden durfte, da die Toten das Gesprochene hören können. Auch bei uns ist der Friedhof ein Ort der Ruhe und des Schweigens. In Indien stärkt man sich im Kampf gegen die Geister durch Schweigen, Fasten, Atemanhalten und Zurückgezogenheit. Ein Schweigegelübde gibt es auch bei Mönchen. Etwa Benedikt von Nursia legt in seinen Ordensregeln das Schweigen zu bestimmten Tageszeiten fest.
Auch in Märchen und Sagen findet sich das Schweigen als magisches Mittel. Es ist wichtige Vorbedingung bei der Erlösung (Grimm-Märchen von den sechs Schwänen)  und beim Heben von Schätzen. Als Beispiel dazu die Sage der Jungfrauen von der Weißen Wand bei Tannheim:

Vor der Weißen Wand südlich von Tannheim erhebt sich ein einzelstehender, 50 - 60 m hoher Fels aus dem Boden. Von ihm sagte man früher, dass da ein Schatz verborgen liege und dass da auch drei verwünschte Jungfrauen seien. Einmal legte sich der Schafhirt neben diesen Felsen und schlief ein. Als er erwachte, war es Nacht geworden, und die Schafe waren verschwunden. Erschrocken sprang er auf, um die Tiere zu suchen. Da standen drei Jungfrauen vor ihm und trösteten ihn. Eine sprach: "Du brauchst dich um die Schafe nicht kümmern, denn sie sind gut versorgt." Er gab sich damit nicht zufrieden und wollte weggehen. Die Frauen baten ihn, doch zu bleiben und sie zu erlösen, denn sie seinen verwünscht. Folge er ihnen, so werde er den Schatz bekommen und ein reicher Mann werden. Den Hirt reizte der Schatz, und er blieb. Sie sagten ihm noch: Um sie zu erlösen, müsse er drei fürchterliche Dinge aushalten. Zuerst werde ein grauslicher Drache kommen, der einen langen Schweif nachziehe; er dürfe aber keineswegs zurückschauen. Habe er diese Probe glücklich bestanden, so werde es ihm vorkommen als wenn Felsen und Berge über ihn herfallen und erdrücken würden. Da dürfe er keinen Laut von sich hören lassen. Die dritte Probe sei aber so entsetzlich, dass man sie nicht beschreiben könne. Er soll aber mutig aushalten, es werde ihm nichts Übles geschehen. Darauf verschwanden die drei Jungfrauen. Die erste Probe überstand er gut. Als aber die Felsen und Berge krachten, schrie er laut auf. Er hörte nur noch ein Klingeln, als ob unendlich viele Geldstücke wegrollten. Die drei Frauen hörte er jammern und heulen.

Dass das Schweigen als magische Übung bis in die Steinzeit zurück reicht, lässt sich auch daraus ableiten, dass Figuren aus der Steinzeit oft mundlos oder gar gesichtslos sind, wie etwa die Venus von Willendorf oder die Venus vom Hohlefels bei Blaubeuren.Diese Muttergöttinfigur ist das älteste bekannte Kunstwerk der Menschheit.

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