Cannabis-Legalisierung
Deals im Innviertel laufen über das "Darknet"
Laut Experten kaum Auswirkung auf Grenzbezirke durch Cannabis-Legalisierung in Deutschland erwartet.
BEZIRK. Noch in diesem Jahr soll Cannabis in begrenzten Mengen in Deutschland legalisiert werden. Bei der Rieder Polizei gibt es über diese Entscheidung wenig Freude.
Einstiegsdroge "Gras"
"Wir haben schon zwei legalisierte Drogen", verweist Bezirkspolizeikommandant Gerald Eichinger auf Alkohol und Nikotin. Für ihn wie für Rudolf Waldenberger, der den Suchtmittel-Dienst im Bezirk Ried koordiniert, ist eines sicher: "Cannabis ist die Einstiegsdroge Nummer eins." Das gelte es keinesfalls zu unterschätzen.
"Die tägliche Arbeit zeigt: Der Anfang ist nicht Crystal, Heroin oder Ecstasy. Anfangen tut's mit dem ,Graserl‘." [Rudolf Waldenberger]
Massive Bedenken äußern beide Polizeibeamten deshalb zur Idee, dass Österreich es hier den deutschen Nachbarn gleichtun könnte. Waldenberger blickt dabei auf mehr als 20 Jahre Polizeiarbeit in dem Bereich zurück.
Dazu käme, dass ohnehin der Handel zunehme und der Markt größer werde, berichtet Waldenberger. 2022 sei der Suchtmittelkonsum im Bezirk um 50 Prozent gestiegen. Auch in diesem Jahr setze sich diese Entwicklung fort. Vor allem bei Ecstasy gab es im Bezirk eine massive Steigerung. Je mehr ermittelt werde, desto mehr Aufgriffe gebe es, relativiert der Polizeichef. Aber: "Die Szene ist jedenfalls da", weiß Eichinger.
"Auch Österreich wird sich der Diskussion stellen müssen." [Gerald Eichinger]
Waldenberger und Eichinger weisen auf den hohen THC-Gehalt aktueller Cannabis-Sorten hin. Bis zu 28 Prozent THC seien je nach Sorte üblich. Studien belegten bereits ab zehn Prozent neurologische Auswirkungen, warnt Eichinger. Im Zuge der Legalisierung könne Deutschland das auch kontrollieren, darin sei die Freigabe ja auch begründet. Schon jetzt werden Suchtmittel immer stärker über das Darknet gedealt. Der Handel über die Landesgrenze hinweg komme bislang kaum vor, so die Polizei-Experten. Das werde sich vermutlich trotz der Legalisierung jenseits der Grenze nicht ändern, man wolle allerdings nicht Kaffeesud lesen.
Auch für Thomas Labacher, Geschäftsfeldleiter Sucht bei pro mente OÖ, ist nicht absehbar, ob der kleine Grenzverkehr steigt. Generell werde eine Substanz, die verfügbarer ist, mehr genutzt, "wie wir ja vom Alkohol wissen", erklärt Labacher. Als Einstiegsdroge will Labacher Cannabis nicht unbedingt sehen. "40 Prozent der jungen Erwachsenen haben das ein Mal im Leben probiert." In eine problematische Richtung gehe der Konsum, wenn es zum Stressabbau oder als Problemlösung eingesetzt werde. Cannabis-Psychosen seien schon beim Erstkonsum möglich, ergänzt der Experte zu den Auswirkungen der Droge.
"Eine gesunde, nachhaltige Drogenpolitik muss alle Aspekte betrachten."
[Thomas Labacher]
Jedenfalls seien Alkohol wie Cannabis bei jugendlichen Konsumenten nicht gut für die biologische Entwicklung des Gehirns. Aus der Sicht des Experten ist eine ergebnisoffene Diskussion ohne Tabus, die alle Aspekte zu einer Regulierung oder Legalisierung beleuchtet, unbedingt wünschenswert.
ZUR SACHE
Deutschland will noch heuer Cannabis legalisieren. Anstatt der vollständigen Freigabe von "Gras" und Haschisch, kommt es erst einmal zu einer Legalisierung "light". Die Legalisierung soll über ein Zwei-Säulen-Modell erfolgen:
• 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum wird zukünftig straffrei.
• Im Eigenanbau sind bis zu drei Cannabis-Pflanzen erlaubt.
• Zuerst wird der Anbau und die Abgabe von Cannabis in Vereinen, also in speziellen "Cannabisklubs" zugelassen
• Vereinsmitglieder dürfen dort maximal 25 Gramm Gras auf einmal – und 50 Gramm pro Monat – kaufen.
• Der "echte" kommerzielle Verkauf soll in Modellregionen erprobt und über fünf Jahre hinweg eingeführt werden.
Darknet heißen isolierte Online-Netzwerke mit verschlüsselter Datenübertragung.
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