Ried im Innkreis
Nachhaltig und fair im "Marktplatz" einkaufen

"Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Brauche ich dieses Produkt wirklich?", erklärt Stranzinger. | Foto: Stranzinger
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  • "Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Brauche ich dieses Produkt wirklich?", erklärt Stranzinger.
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Evelyn Starzinger, Geschäftsführerin des Ladens "Marktplatz" in Ried im Interview mit der BezirksRundSchau zur Woche der Entwicklungszusammenarbeit:

Ab wann gilt ein Produkt als fair oder nachhaltig?
Nachhaltigkeit im Allgemeinen bedeutet, dass wir als Menschheit die Ressourcen der Erde so nutzen, dass die nachkommenden Generationen genauso viele Ressourcen in gleicher Qualität zur Verfügung haben. In Bezug auf Produkte bedeutet es, dass durch die Herstellung und Verwendung dieser Produkte die Lebensgrundlage kommender Generationen nicht geschädigt werden darf. Ob ein Produkt wirklich nachhaltig ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen: Beginnend mit der Rohstoffgewinnung, über die Verarbeitung bis hin zur Produktion, der Verwendung und schließlich der Entsorgung. Der Begriff Fairer Handel wiederum bezieht sich auf die gerechte Entlohnung der Produzenten inklusive der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards. Beides sind für uns unverzichtbare Kriterien bei der Produktauswahl.

Was heißt fair und nachhaltig einkaufen?
Ganz einfach: Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Brauche ich dieses Produkt wirklich? Denn Nicht-Konsumieren oder reduziertes Konsumieren ist die nachhaltigste Lebensweise! Und wenn die Notwendigkeit für den Einkauf besteht, dann sollte ich mich fragen, ob das Produkt unter Berücksichtigung fairer und nachhaltiger Kriterien hergestellt wurde. Dazu zählt: Welche Materialien – aus welchen Rohstoffen und welchem Land – enthält das Produkt, wer hat es unter welchen Bedingungen hergestellt? Ist es langlebig, kann ich es im Notfall reparieren lassen? Finde ich zu diesen Fragen Antworten direkt beim Einkauf, deutet das schon mal auf eine transparente Produktionskette hin. Dabei helfen natürlich auch Produktlabel. Finde ich keine Hinweise, kann ich davon ausgehen, dass nachhaltige Kriterien kaum eine Rolle gespielt haben. Natürlich hilft dabei immer ein kritischer Blick auf die Homepage des Produzenten oder unabhängige Konsumentenportale.

Sie bieten eine breite Palette an Produkten: Welche Produkte sind besonders gefragt?
Unser Sortiment aus den Bereichen Leib und Seele, Haus und Garten, Lernen und Gestalten sowie Saisonales und Besonderes beinhaltet eine besondere Auswahl an natürlichen und schönen Produkten. Anstatt Plastiktuben und Wegwerfpads setzen wir auf ein Stück regionaler Seife in einer hübschen Seifenschale oder nachfüllbare Biokosmetik, waschbare Baumwollpads, Naturbürsten und Leinenware aus dem Mühlviertel und tun damit nicht nur der Umwelt, sondern auch den eigenen vier Wänden einen Gefallen.

Wie kann man erkennen, ob etwas fair beziehungsweise nachhaltig produziert wurde?
Problematisch ist, dass es keine gesetzlichen Regelungen gibt, die Vorgaben für die Bezeichnung von fair oder nachhaltig produzierten Waren machen. Es kann also im Prinzip jeder behaupten, sein Produkt sei fair oder nachhaltig. Dafür gibt es Siegel, die Klarheit schaffen sollen. Allerdings kann man mittlerweile mehr von einem Siegel-Dschungel sprechen, in dem sich viele schwarze Schafe herumtreiben und sich die wenigsten Menschen auskennen. Siegel, die aus dem Haus des Produzenten kommen, sind für mich schon einmal tabu. Sie sind wenig transparent und nach eigenen Kriterien geschrieben. Man sollte immer ein gewisses Maß an Skepsis mitbringen. Bei Kleidung zählt für mich das GOTS-Zertifikat. Es beinhaltet die strengsten Kriterien zur Nachhaltigkeit. Das Fairtrade-Siegel ist eines der ältesten Siegel für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards. Auch wenn es häufig in der Kritik steht, dass vieles intransparent ist und die Kriterien aufgeweicht werden, greife ich lieber zu diesem Label, als zu gar keinem.

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Haben Sie Tipps, wie man längerfristig nachhaltig einkaufen kann? Was empfehlen Sie Einsteigern, die ihren Lebensstil ändern möchten?

Auch wenn ich gerade mein eigenes Geschäft schädige: Der nachhaltigste Einkauf ist immer noch der nicht getätigte Einkauf. Wir haben so viel im Überfluss: Brauche ich gerade wirklich die zehnte Jeans in meinem Kasten? Vielleicht kann ich ja mit meiner Freundin oder meinem Freund tauschen, dann habe ich auch Abwechslung? Oder muss ich wirklich zu Mittag Shrimps auf dem Teller haben, die weit gereist sind und unter fragwürdigen Bedingungen produziert wurden? Ist es wirklich eine Einschränkung des persönlichen Wohlbefindens diesen Kauf nicht zu tätigen?
Außerdem würde ich, bevor ich etwas wegwerfe und neu kaufe, prüfen, ob man das alte Gerät oder Kleidungsstück reparieren kann. Dafür gibt es bei uns im Haus der Nachhaltigkeit zum Beispiel das Repair Cafe, oder den Reparaturbonus des Klimaschutzministeriums, der die Hälfte der entstandenen Kosten ersetzt. 
Vielleicht finde ich das Produkt auch auf dem Second Hand Markt?
Wenn man das benötigte Produkt nicht leihen, tauschen, selber machen oder gebraucht kaufen kann, dann sollte man beim Kauf auf die Nachhaltigkeitskriterien achten.
Natürlich ist beim Einkauf die Gießerei der richtige Ort für den nachhaltigen Einkauf. Die Kundschaft kann sich darauf verlassen, dass die Produkte gut geprüft wurden.

Warum ist nachhaltig einkaufen wichtig? Was sagen Sie zum Kriterium Preis?
Der Fußabdruck, den wir hinterlassen ist für die nachkommenden Generationen zu groß. An den meisten natürlichen Ressourcen wird heute weltweit zu Lasten künftiger Generationen Raubbau betrieben. das muss gestoppt werden! Wenn etwas nachhaltig produziert wird, dann hält es auch automatisch länger. Ein höherer Preis ist in diesem Fall gerechtfertigt, weil ich es noch länger habe und im Bedarfsfall sogar reparieren kann. Außerdem steigert der Einkauf von nachhaltigen Produkten das persönliche Wohlbefinden. Wenn ich wirklich etwas nötig brauche und dann weiß, dass dieses Produkt weder die Umwelt noch die Menschen bei der Herstellung stark belastet hat, geht es mir gut. Ich habe das Gefühl, ich kann in meinem kleinen Wirkungskreis etwas verändern. Natürlich ist mir dabei sehr bewusst, dass Konsum allein die Welt nicht verändern kann. Dazu braucht es lenkende Maßnahmen der Regierungen und eine grundsätzliche Änderung unserer Wirtschaftsweise.

Wie sind Sie zu dem Thema fair beziehungsweise nachhaltig einkaufen gekommen? 
Mit dem Prozess, meinen Alltag nachhaltiger zu gestalten, habe ich vor etwa 13 Jahren mit meinem Umzug nach Wien begonnen. Ich bin auf einem konventionellen Bauernhof aufgewachsen und hatte gesundheitliche Probleme, was dazu führte, alte Gewohnheiten zu hinterfragen. Angefangen habe ich mit biologischer und regionaler Ernährung. Nach und nach änderte ich mein Konsumverhalten auch in anderen Bereichen wie Kleidung, Naturkosmetik, Plastikkonsum. Mit der Geburt meines Sohnes war alles andere gar nicht mehr vorstellbar. Ich achte nicht nur auf regionale, faire Produktionsbedingungen und natürliche ökologische Inhaltsstoffe, sondern auch darauf, dass jedes einzelne Stück etwas Besonderes ist, um möglichst lange Freude daran zu haben.

Merken Sie einen verstärkten Trend zum nachhaltig Einkaufen? Wenn ja, woran könnte das liegen?
Wir nehmen natürlich auch ein großes Interesse wahr, als “Trend” sollte es allerdings nicht gesehen werden. Für die Nachkriegsgenerationen war ein bewusstes und nachhaltiges Leben Teil des Alltags und wurde nicht infrage gestellt. Doch am Ende lässt sich sagen, dass der Trend zum nachhaltigen Lebensstil eine Wiederbewusstwerdung alter Werte darstellt. Was früher selbstverständlich war, wird aktuell wieder interessant. So kann neben der eigenen Recherche durch Berichte und Interviews auch der Austausch mit früheren Generationen hilfreich sein, um Nachhaltigkeit zu verstehen und sich Tipps zur Umsetzung zu holen.

Was ist Ihnen wichtig, hervorzuheben?
Nachhaltiger Konsum ist wichtig, jedoch wird er unsere Welt nicht so verändern, dass sie für die zukünftigen Generationen erhalten bleibt. Dazu braucht es grundlegende Veränderungen in den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systemen. Aber trotzdem sind nachhaltige Produkte ein Beitrag zu einer besseren Welt.

EZA-Woche: Fair und nachhaltig einkaufen
"Die erste Frage, die man sich stellen sollte ist: Brauche ich dieses Produkt wirklich?", erklärt Stranzinger. | Foto: Stranzinger
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