Herwig Drechsel
Der Jahrhundertfußballer wird 50

Herwig "Wiggerl" Drechsel ist in Ried eine absolute Legende und war einer der besten Fußballer Österreichs. Aktuell kämpft der in St. Marien lebende Ex-Kicker mit gesundheitlichen Problemen.  | Foto: Friedl
  • Herwig "Wiggerl" Drechsel ist in Ried eine absolute Legende und war einer der besten Fußballer Österreichs. Aktuell kämpft der in St. Marien lebende Ex-Kicker mit gesundheitlichen Problemen.
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Er war Jahrhundertspieler, erzielte gegen RB Salzburg das Jahrhunderttor und absolvierte insgesamt 389 Bundesligaspiele! Die Rede ist von der legendären Nummer 16 der SV Ried, Herwig Drechsel. Der gebürtige Linzer war einer der besten Spielmacher der Bundesliga-Geschichte. Für ein Länderspiel hat es allerdings nie gereicht – das hat auch Gründe.

RIED. Heute, am Montag dem 4. September 2023, feiert „Wiggerl“ seinen 50. Geburtstag. Ein Grund für die BezirksRundschau, den Rieder „Fußballgott“ in seinem Wohnzimmer, der Innviertel-Arena, zum Interview zu treffen. Das komplette Gespräch können Sie im Podcast "Talk & Songs" nachhören. 

Alles Gute zum 50. Geburtstag! Wie geht es dem Jahrhundertfußballer heute?
Herwig Drechsel: Ich habe aktuell gesundheitliche Probleme, möchte aber nicht näher darauf eingehen. Ansonsten ist soweit alles in Ordnung, auch wenn ich jetzt ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel habe (lacht).

Blicken wir auf Ihre Karriere zurück. Wann und wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Ich bin ja ein Linzer und dort, beim LASK, hat mit acht Jahren auch alles begonnen. Mein Vater war selbst Fußballer und ich war immer bei seinen Spielen dabei. Mit 14 Jahren kam ich in die Akademie von Voest Linz, später dort in die U21 und bekam meinen ersten Profivertrag. Da war ich bereits 20 Jahre alt, also eigentlich ziemlich spät.

Dann kam der Anruf von Klaus Roitinger…
Ja, und ich ging im Winter der Saison 1994/95 zur SV Ried. Klaus sagte, er beobachte mich schon länger und er sei sich sicher, dass ich in Ried spielen werde. Ein halbes Jahr später sind wir gegen meinen Ex-Verein in zwei Relegationsspielen in die Bundesliga aufgestiegen.

Also hatten Sie keine Anfangsschwierigkeiten?
Nein, ich war sofort integriert. Mit Kollegen wie Günter Steininger, Michael Angerschmid und Oliver Glasner war das jedoch nicht schwer.

Was war Klaus Roitinger für ein Trainertyp?
Er war menschlich und fachlich ein Traum. Klaus war ein akribischer Arbeiter, der uns immer optimal auf den Gegner einstellte. Nur die Spielbesprechungen waren gelegentlich zu lange, da ist der ein oder andere schon mal weggenickt (lacht).

"Aber ganz ehrlich? Für uns als SV Ried waren alle Spiele in den 90ern Highlights." Herwig Drechsel 

Wie haben Sie die ersten Bundesligaspiele erlebt?
Die Euphorie in Ried war gigantisch! Im alten Stadion herrschte eine Atmosphäre, das war unglaublich. Die 10.000 Zuschauer pushten uns nicht nur beim ersten Spiel gegen Rapid zum Sieg. Ein Highlight war auch das Spiel gegen den LASK 1998 vor dem Cupfinale. Wir fegten den LASK mit 6:1 vom Platz. Ich erzielte das 4:0 und Klaus nahm mich runter, da eben einige Tage später das Cupspiel am Programm stand. Aber ganz ehrlich? Für uns als SV Ried waren alle Spiele in den 90ern Highlights.

1998 hat die SV Ried in Wien gegen Sturm Graz den Cupsieg geholt. War das 3:1 Ihr Karriere-Highlight?

Ja! Im Finale haben wir alle überrascht, weil der sichere Sieger vor dem Spiel Sturm Graz hieß. In Ried fand gerade die Messe statt und dort haben wir ordentlich gefeiert, bis wir erfahren haben, dass Co-Trainer Marinko Ivsic bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Da war es schnell vorbei mit der Party.

Zuletzt gab es im Elternhaus von Klaus Roitinger – damals wie heute ein Gasthaus - ein großes Wiedersehen. Wie war es?

Es war toll, die Burschen wiederzusehen. Es war einer der schönsten Tage in meinem Leben.

Was haben Sie für Erinnerungen an die internationalen Auftritte?
Wir spielten vor dem Cupsieg schon im UI-Cup und später in den 2000ern unter anderem zweimal gegen den Schweizer Verein FC Sion. International zu spielen, war natürlich etwas Besonderes.

„Aha, so klein bist du?“ Klaus Augenthaler beim ersten Treffen zu Herwig Drechsel.

Die Europacupspiele nach dem Cup-Triumph haben Sie nicht miterlebt, da Sie zum GAK wechselten. Warum hat es dort nicht funktioniert?
Der GAK wurde ein Jahr zuvor Vizemeister und war eine etablierte Truppe. Ich dachte damals, den nächsten Schritt machen zu müssen. Aber schon der Einstieg war komisch. Klaus Augenthaler, als Spieler Weltmeister 1990, war Trainer. Beim ersten Treffen sagte er zu mir: „Aha, so klein bist du?“. Er hat scheinbar was anderes erwartet. Die Konkurrenz war natürlich auch groß, am Ende machte ich 13 Spiele von Beginn an und ging nach Ried zurück.

Was war Augenthaler für ein Trainertyp?
Das Training unter ihm war echt gut, menschlich war das allerdings nicht der Fall. Ich hatte zuvor Klaus Roitinger als Trainer, der war einfach das extreme Gegenteil von Augenthaler.

"Wir waren eine Familie und unser Zusammenhalt der Schlüssel zum Erfolg." Herwig Drechsel über die SVR.

Haben Sie vielleicht einen Typen wie Roitinger „gebraucht“?
Damals sicher, ja! Aber auch das Team. Wir waren eine Familie und unser Zusammenhalt der Schlüssel zum Erfolg.

Sie kehrten also im Sommer 1999 zurück und 2003 stieg die SVR ab. Bestand damals die Gefahr, daran zu zerbrechen? Davor ging es ja nur bergauf.
Der Abstieg war ein schwerer Schlag für uns, vor allem deswegen, weil er komplett unnötig war. Im Winter waren wir noch Vierter und am letzten Spieltag ging es leider runter. Alle stellten sich die Frage: Wie geht es nun weiter? Nach zwei Jahren in der zweiten Liga, schafften wir endlich wieder den Aufstieg.

War nach dem Abstieg ein erneuter Transfer eine Option?
Nein! Ich wollte mithelfen und den Verein wieder in die erste Liga führen. Ich habe nicht einmal daran gedacht, wegzugehen.

2007 wurde die SVR hinter RB Salzburg Vizemeister. Was war das für ein Jahr?
RB war weit vor uns. Ansonsten war es eine ausgeglichene Liga. Wir hatten einen super Lauf und siegten beim GAK 3:2 und wurden Zweiter.

Trainer war Helmut Kraft. Was war er für ein Typ?
Ein lockerer Typ. Es gab das Spiel gegen RB Salzburg, da war er sogar mal angezählt. Wir spielten 1:1 und er durfte bleiben.

Gab es Trainer mit denen Sie in Ried nicht klargekommen sind?
Ja klar gab es die im Laufe der Jahre. Man wird älter und reifer und hat eine eigene Meinung. Ich finde, das ist aber auch völlig normal.

2010 Ihr letztes Spiel in der Bundesliga. War das Ende damals so in Ordnung?
Ich war 37 Jahre alt, da ist das Ende natürlich schon in Sicht. Allerdings war ich so gern in Ried, da ist es mir schon schwergefallen.

Für dieses Interview sitzen wir im Stadion mit Blick auf das Spielfeld, woran denken Sie?

Ich denke einfach gerne zurück, wir hatten viele tolle Spiele hier abgeliefert. Da wünscht man sich, wieder 20 Jahre jünger zu sein.

Sie waren ein Freistoßexperte. Absolvierten Sie nach dem Training Extraschichten?
Ja klar! Das wird einen ja nicht in die Wiege gelegt. Da habe ich viel ausprobiert und es hat sich gelohnt.

Ihr wichtigstes und schönstes Tor?
Das 2:0 im Cupfinale 98 war schon wichtig (lacht). Das schönste Tor war der Weitschuss gegen RB Salzburg. Das wurde von den Fans auch zum Jahrhunderttor gewählt.

"Ich hatte Talent und habe mich zu sehr darauf verlassen. Wenn du aber weiterkommen willst, musst du mehr drauflegen." Herwig Drechsel.

Sind Sie mit Ihrer Bundesliga-Karriere zufrieden?
Nein, auf keinen Fall! Mit dem Wissen was ich heute habe, hätte ich vermutlich vieles anders gemacht. Ich war zu schnell zufrieden. Ich hatte Talent und habe mich zu sehr darauf verlassen. Wenn du aber weiterkommen willst, musst du mehr drauflegen.

Sie haben kein Länderspiel. Ärgert Sie das?
Nein, das ärgert mich nicht? Bei zwei Länderspielen war ich im Kader, gespielt habe ich nie. Vor mir waren auch Andreas Herzog und Ivo Vastic. Aber es liegt immer am Spieler, vielleicht habe ich zu wenig Gas gegeben.

Nach Grödig in der 2. Liga und Wallern in der OÖ-Liga war dann endgültig Schluss. Was kam dann?
In Wallern war ich auch sportlicher Leiter. Doch dann kam das Angebot von Ried, als U16 Akademietrainer zu arbeiten. Das hat mich gereizt. Mit dem 2000er-Jahrgang wurden wir Fünfter, das zweite Jahr war nicht so erfolgreich. Ich habe die Arbeit mit den Jungs genossen.

Schaffen es zu wenige Akademiespieler in den Profikader?

Ein Beispiel: Beim Sichtungstag der SVR kommen rund 70 Kinder, bei einem von Sturm Graz 350. Es ist für einen Verein wie Ried verdammt schwierig, gute Leute rauszubringen. Man muss die Kirche im Dorf lassen! Es ist nicht möglich, jede Saison einen Spitzenfußballer in den Profikader zu bringen.

Steffen Baumgart, Trainer des 1. FC. Köln sagte kürzlich:
„Wir sind eine Generation, die nur noch den weichen und seichten Weg geht. Es ist doch nicht schlimm, wenn ein Kind verliert. Es muss doch lernen, mit Niederlagen umzugehen. Ich muss doch lernen, Spaß an dem Sport zu haben, nicht nur, wenn ich zehn Tore schieße.“ Gemeint war die geplante Nachwuchs-Reform des DFB, bis zu einer bestimmten Altersklasse ohne Tabellen zu spielen. Hat Baumgart recht?

Das sehe ich auch so. Irgendwann muss man ja lernen mit Niederlagen umzugehen. Uns hat es auch nicht geschadet.

Sie arbeiten weiterhin mit dem Fußballnachwuchs und veranstalten im Sommer Camps, wie sieht das aus?

In den Ferien sind wir an den verschiedensten Orten. Unser Motto lautet: Im Verein regiert der Ernst, bei mir der Spaß.

Wollen Sie auch wieder zurück in den Erwachsenen-Fußball?
Ja, aber zuerst gilt es, wieder gesund zu werden.

2012 wurden Sie von den Fans zum Jahrhundertspieler gewählt. Was bedeutet Ihnen das?
Das ist eine große Ehre für mich. Meine Leistungen wurden damit gewürdigt. Es hätten allerdings auch der Oli Glasner oder Michi Angerschmid verdient gehabt. 

"Leider hat der Verein den familiären Weg verlassen, der Abgang von Thomas Reifeltshammer war hierbei symbolisch." Herwig Drechsel über die aktuelle Lage der SVR.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der SV Ried?
Es ist eine schwierige Situation, ich hoffe das Ried wieder aufsteigt. Leider hat der Verein den familiären Weg verlassen, der Abgang von Thomas Reifeltshammer war hierbei symbolisch. Allerdings gehe ich davon aus, dass die Verantwortlichen wissen, was sie tun.

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