Haslacher kämpfen um Familie Lopez
"Ich weiß nicht wie, aber Gott hat uns nach Haslach gebracht“

Joia, Joshua und Emilia fühlen sich in Haslach zuhause und möchten hierbleiben. | Foto: privat
  • Joia, Joshua und Emilia fühlen sich in Haslach zuhause und möchten hierbleiben.
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Die vergangenen Wochen waren aufwühlend für Familie Lopez. Vor kurzem hatte die fest in Haslach integrierte Familie einen negativen Asylbescheid erhalten, die Abschiebung drohte. Nun heißt es für sie einmal mehr abwarten: Denn nach zwei Einvernahmen in St. Georgen ist jetzt ist der VfGH am Zug. Er muss entscheiden, ob die zuletzt vorgenommene Aufhebung des Abschiebeschutzes rechtens war. Im Gespräch mit der BezirksRundSchau gaben Joia und Emilia Einblicke in die erlebten Geschehnisse.

HASLACH. Herzlich aber auch herzzerreissend -  so lässt sich das Aufeinandertreffen der BezirksRundSchau mit Emilia und Joia Lopez am besten beschreiben. Während Sohn Joshua aufgrund des Fußballtrainings nicht anwesend sein konnte, nahmen sich Mutter und Tochter Zeit, um einige Fragen zu ihrer derzeitigen zu beantworten. Eines betonen beide von Anfang an: Die gesamte Familie lebe derzeit in Angst, zu viel haben sie erlebt, seit der Ehemann von Emilia und Vater die Familie in Deutschland mittellos zurückließ - und sie eine schreckliche Entdeckung machten. Joaquin wird in seinem Heimatland Indien wegen Betruges gesucht, hat dort viele Menschen hintergangen. Alles ohne das Wissen der Familie, wie Emilia und Joia betonen. Doch nicht nur der Vater stand und steht damit im Fokus der Behörden: Denn in Indien gilt die Sippenhaftung. Das heißt, dass auch jene Familienmitglieder, die mit der Straftat nichts zutun haben, in Gefahr sind. Gleichzeitig steht das Leben der Familie auch aufgrund ihrer Religion in ihrer ehemaligen Heimat unter keinem guten Stern: Denn aufgrund ihres römisch-katholischen Glaubens werden sie dort verfolgt, wie die beiden berichten.

Festnahme statt Nachfolgeantrag

Die dreiköpfige Familie lebt mittlerweile seit 2021 in Haslach, hat sich dort gut integriert, die Sprache erlernt und sieht die Gemeinde als ihre Heimat. Sowohl Emilia als auch Joia haben Stellen in Mangelberufen – konkret in Gastronomie und Altenpflege  – gefunden, Sohn Joshua geht noch zur Schule. Doch in den vergangenen Wochen wurde das Leben der drei einmal mehr auf den Kopf gestellt: Nachdem sie einen negativen Asylbescheid erhalten hatten, gab es nur noch die Möglichkeit, einen Nachfolge-Asylantrag zu stellen. Freiwillig nach Indien auszureisen, um nach sechs Monaten wieder mit der Rot-Weiß-Rot-Karte einzureisen: aufgrund der drohenden Verfolgung ausgeschlossen.
So wollte Tochter Joia diesen vor einigen Wochen in Begleitung eines Haslacher Freundes bei der Polizei in Rohrbach stellen.  Doch vor Ort kam alles anders, wie sie erzählt: "Sie haben uns in ein Zimmer gebracht und haben mir dann gesagt, wir müssen dich jetzt festnehmen." Anstelle die Antragsstellung durchzuführen wurde Joia ins Anhaltezentrum nach Wels gebracht. Erst am Abend des selben Tages konnte sie wieder mit ihrer Familie, die nachgekommen war, nach Hause fahren. 

Langwierige Termine

Einige Tage später wurden die Familie einmal mehr von der Polizei aufgesucht, dieses Mal mit einer Ladung im Gepäck. Insgesamt zwei Einvernahmen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) haben die drei seither in Thalham (Gemeinde St. Georgen im Attergau) absolviert. Jedes Mal für mehrere Stunden, wie sich Joia erinnert: "Ich war komplett nervös und konnte nicht denken. Wie soll ich herausbringen, was ich wirklich sagen möchte?
" Der erhoffte Erfolg stellte sich aber auch bei diesen Terminen nicht ein: "Sie haben uns gesagt, dass die Entscheidung negativ ist, weil wir keine neuen Asylgründe haben. Aber das ist das Ding: Es geht nicht nur um neue Asylgründe, sondern wenn jemand einen Folge-Asylantrag stellt, geht es auch um neue Beweismittel, die wir vorher nicht hatten. Aber sie haben dazu nein gesagt, denn das ginge nur, wenn wir einen neuen Asylgrund haben." 

Fehler bei Übersetzung

Das Problem liege laut den den beiden im ursprünglichen Asylantrag: Der damals eingesetzte Übersetzer aus Pakistan soll darin falsche Angaben gemacht haben, sind sie sich sicher. Joia: "Da stehen wahnsinnige Sachen drinnen. Zum Beispiel, dass, sobald wir einen positiven Asylbescheid haben, unser Vater nachkommt. Ich habe es auch gelesen und gesagt: Das gibt es doch nicht!" Zu dem Übersetzer erklärt Emilia, dass es zwischen Pakistan und Indien seit jeher Probleme gäbe. Emilia fügt an: "Er hat die Fragen manipuliert und hat sie mir nicht vorgelesen. Er hat gesagt, dass wir uns nicht in Haslach integrieren, dass wir nichts tun, nicht Deutsch lernen und nur das Geld von der Regierung nehmen und dass wir Familie in Indien haben - aber ich habe keine Familie in Indien. Er sagte, es gibt kein Problem in Indien, obwohl ich sagte, dass es ein Problem mit der Religion gibt und das unser Leben in Gefahr ist wegen meinem Mann. Weil er sehr viel Betrug betrieben hat. Wenn wir zurückkehren, nehmen sie uns am Flughafen bei der Immigration sofort fest. Das habe ich ihm erklärt." Auch im Gespräch mit einer Rechtsanwältin wurde deutlich: Das Hauptproblem war die angebliche Aussage rund um den Ehemann. Auch Joia sei bei ihrem Termin aufgefallen, dass Fragen sowohl gegenüber ihr, als auch gegenüber der Schriftführerin falsch weitergegeben wurden. "Ich konnte schon etwas Deutsch sprechen und habe bemerkt, dass er das falsch übersetzt hat, was die Dame am Computer gesagt hat. Was ich zu ihm gesagt habe, hat er falsch an sie übersetzt. Dann habe ich gesagt: "Nein, so habe ich das nicht gesagt" und habe direkt zu ihr gesprochen. Denn sonst würde mein Protokoll auch so schlimm sein."

VfGH entscheidet über Aufschiebeschutz

Was nun der aktuelle Status ist? Joia erklärt: "Unser erster Asylantrag war und ist ganz wichtig. Das ist das erste, was sie sehen und was sie lesen. Und weil das falsch ist, was da drinnen steht, ist es schwierig, dass wir uns nochmal erklären können. Ich habe das schon probiert mit dem Folge-Asylantrag, aber da ist nichts gegangen, wir haben alles probiert. Unser Abschiebeschutz ist jetzt aufgehoben und jetzt geht es weiter zum VfGH. Er wird jetzt entscheiden, ob das richtig war, dass dieser aufgehoben wurde oder nicht. Wenn er a sagt, dann müssen wir humanitäres Bleiberecht beantragen. Wenn er die Entscheidung für falsch befindet, dann haben wir den Schutz wieder und dann wird das nochmal angeschaut, auch der Folge-Asylantrag." 

"Möchte etwas an Haslach zurückgeben"

Genau diese Unwissenheit ist es aber auch, die der Familie aktuell ordentlich zusetzt. Joia sagt: "Ich habe wirklich Angst und muss meine Türe immer zwei Mal zusperren. Ich kann in der Nacht nicht schlafen, seit das alles passiert ist. Ich habe jetzt Schlafmittel von der Ärztin bekommen. Und wenn es mir schon so schlecht geht, wie muss es dann meinem Bruder gehen? Er ist noch so jung." Für die Familie ist klar: Sie möchten in Haslach leben. Dort hilft Mutter Emilia in der Kirche als Mesnerin und arbeitet in der Küche des Gasthauses Baier. Tochter Joia hat eine Ausbildung im Bereich der Altenpflege absolviert und bereits einen Platz im Haslacher Seniorenheim, in dem sie von Beginn an unbedingt arbeiten und den alten Menschen helfen wollte. "Ich möchte etwas zurückgeben an Haslach. Das ist meine Heimat“, sagt sie mit Tränen in den Augen. 

Mehr als 800 Unterschriften

Seit bekannt wurde, dass die Familie abgeschoben werden könnte, haben sich die Haslacher entschlossen hinter die Familie gestellt. Emilia erzählt: "Alle helfen uns, auch der Bürgermeister, mehr als 800 Unterschriften konnten gesammelt werden. Sogar der Bischof aus Linz schickte einen Brief. Es gab so viele Briefe, dass wir integriert sind." Sie fügt nochmals an: "Ich bekomme kein Geld von der Regierung, mein Sohn auch nicht. Wir zahlen alle Rechnung und ich bin glücklich mit meinem Lohn, es ist ausreichend für uns zum Leben." So hat die Familie Lopez nur einen Wunsch: In der Rohrbacher Gemeinde bleiben zu dürfen, in die sie von Deutschland aus gelangten. Joia fügt an: "Ich weiß nicht wie, aber Gott hat uns nach Haslach gebracht."

Eigenes Spendenkonto eingerichtet

Um die Familien beim Tragen der anfallenden Rechtsanwaltskosten zu unterstützen, wurde mittlerweile auch ein Spendenkonto (IBAN: AT02 3441 0000 0621 4233), Verwendungszweck: Familie Lopez) von der Pfarre Haslach eingerichtet.

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