Geschäftsführerin verabschiedet sich
"Wie soll ich helfen, wenn ich die finanziellen Mittel nicht sicher habe?"

- Jutta Müller war langjährige Geschäftsführerin des Frauennetzwerks.
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Seit 2011 war Jutta Müller Geschäftsführerin des Rohrbacher Frauennetzwerks. Mit Ende Juni hängt sie diese Funktion nun an den Nagel.
BEZIRK ROHRBACH. Sie war Gründungsmitglied des damaligen Frauentreffs und hatte in den letzten 14 Jahren eine Leitungsfunktion mit ordentlicher Verantwortung inne. Nun steht eine große Änderung bevor: Jutta Müller gibt die Geschäftsführung ab und verlässt das Frauen- und Familiennetzwerk Rohrbach mit Ende Juni. "Es war mein Lebensmittelpunkt und ich habe mich lange dafür eingesetzt. Aufgrund meiner gesundheitlichen Situation gebe ich das Ruder nun ab. Ich will mich jetzt mit mir beschäftigen und wieder auf die Beine kommen", berichtet die 56-Jährige. Sie ergänzt: "Ich wäre gerne in die zweite Reihe gerückt, dafür gibt es jedoch keine Ressourcen", bedauert Müller.
"Können nicht monatelang ins Leere arbeiten"
Laut der scheidenden Geschäftsführerin ist das nicht das erste Mal, dass das Geld nicht ausreicht. "Wenn ich Anfang des Jahres nicht weiß, wie viel ich zur Verfügung habe, bremst das nicht nur die Planungen, sondern trübt auch die Stimmung extrem. Wir wollen die Menschen unterstützen, die etwas brauchen, bekommen aber nicht die Mittel, um leistungsfähig zu sein. Dieser Zustand begleitet uns leider schon seit vielen Jahren", erklärt Müller. Deshalb fordert die Rohrbach-Bergerin eine gesetzliche Verankerung eines fixen Budgets.
"Denn wie soll ich sonst Gutes tun, wenn ich die finanziellen Mittel nicht sicher habe? Wir können nicht monatelang ins Leere arbeiten. Und ich kann auch nicht zu den Mitarbeitern sagen, dass es sich bis Oktober ausgeht und dann müssen wir mal schauen. Eigentlich. Denn bis jetzt war es immer so", betont die 56-Jährige. Doch wie hat das alles dann in den letzten Jahren funktioniert? "Wir haben überall gespart, wo es nur ging, sind in kleinere Räumlichkeiten gezogen und waren schlussendlich beim AMS und haben uns mit der Arbeitslosigkeit abgewechselt, um das Budget nicht zu überreizen", erklärt Müller. "Wir sollen uns um andere kümmern, für uns ist aber nicht gesorgt. Es ist traurig. Auf langen Strecken lässt man uns verhungern."

- Jutta Müller führte oft auch Vieraugengespräche mit Klientinnen.
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Beratung ist besser als Nachsorge
Eine fixe und gesetzlich verankerte Finanzierung für Frauen- und Mädchenberatungsstellen muss laut Müller her. "Die Personalkosten und Fixkosten wie beispielsweise die Miete des Gebäudes müssen sichergestellt werden", betont sie. Es brauche hier dringend eine Entscheidung und politischen Willen, um in die Umsetzung zu kommen. "Ich rede nicht nur von Lippenbekenntnissen, es muss tatsächlich Geld fließen. Denn die Arbeit, die Anrufe und die Beratungen werden immer mehr. Wir müssen etwas tun. Ich kann aber nichts kochen, wenn der Kühlschrank leer ist. Über einen Förderapparat mangelhaft ausgestattet zu werden, reicht nicht."
Laut der scheidenden Geschäftsführerin könne es sich die Gesellschaft nicht leisten, Jugendliche "hinten zu lassen". "Wir brauchen eine fitte Jugend. Das funktioniert nur, wenn auch die Familien fit sind. Anderenfalls könnte das weitreichende Folgen haben. Denn wenn man nicht mehr auf die Beine kommt, kann es passieren, dass man im sozialen Netz landet und hängen bleibt. Den darauffolgenden Konsequenzen und Auswirkungen dürfen wir nicht blind gegenübertreten. Beratung ist besser als Nachsorge!"

- Jutta Müller legt die Funktion als Geschäftsführerin zurück.
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Nur eine gewisse Anzahl an Beratungen und Hilfeleistungen durchzuführen, kam für Müller nie infrage. "Ich konnte und wollte kein 'Stopp' einführen und die Frauen und Mädchen dann alleine lassen. Da blutet mir das Herz. Ich war die Mutter der Einrichtung und habe mich wie eine Mutter um die Kinder gekümmert und gleichzeitig bei mir selbst gespart. Ich war oft auch nach der Arbeit und am Wochenende für die Klientinnen da. Das waren Stunden, die ich nicht aufgeschrieben habe." Nun nimmt sich die 56-Jährige zurück, da sie diese Spannung nicht mehr tragen kann. "Ich hatte noch ganz viel vor und wollte einige Projekte umsetzen, leider geht sich das nicht aus."
"Klares Signal der Unterstützung"
Dazu meldet sich Frauenlandesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander zu Wort: „Frauenberatungsstellen sind unverzichtbar – wir stehen hinter ihnen“. Die Frauenberatungsstellen in Oberösterreich leisten laut der Landesrätin tagtäglich einen unschätzbaren Beitrag für die Gesellschaft. "Sie sind wichtige Anlaufstellen für Frauen und Mädchen in schwierigen Lebenslagen – ob bei Gewalt, Krisen, beruflichen Herausforderungen oder in herausfordernden Lebenssituationen."
Mehrjährige Fördersteigerungen seien hier ein klares Signal der Unterstützung. Auf MeinBezirk-Nachfrage betont Haberlander: „Die Förderungen für Frauenberatungsstellen kommen aus verschiedenen Töpfen – vom Land, vom Bund und auch über projektbezogene Mittel. Seitens des Landes Oberösterreich wurde das Budget für Frauenberatung im Rahmen unserer Möglichkeiten kontinuierlich erhöht. Auch auf Bundesebene – etwa durch die ehemalige Frauenministerin Susanne Raab – wurden im vergangenen Jahr zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Das ist ein klares und wichtiges Zeichen.“

- Christine Haberlander verantwortet in der Oö. Landesregierung die Bereiche Bildung, Gesundheit und Frauen.
- Foto: MeinBezirk/Siegl
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Konkret liefert das Büro der Frauenlandesrätin Landeshauptmann-Stellvertreterin die Zahlen, die das belegen: Das Frauennetzwerk Rohrbach erhielt aus meinem Ressort im Jahr 2023 rund 64.551 Euro für den laufenden Betrieb und Projekte. 2024 waren es 68.920 Euro, und für 2025 sind 69.403 Euro vorgesehen. Diese Erhöhungen zeigen, dass wir die Anliegen ernst nehmen und im Rahmen unserer Möglichkeiten Schritt für Schritt unterstützen. Strukturelle Absicherung bleibt für Haberlander ein wichtiges Ziel: „Trotz dieser Schritte ist klar: Wir brauchen eine langfristige und planbare Strukturfinanzierung für Frauenberatungsstellen.
Positive Rückmeldungen als Balsam für die Seele
Trotz allem zieht Jutta Müller eine positive Bilanz: "Es freut mich wirklich sehr, dass in den letzten Jahren so viel umgesetzt werden konnte." Dazu zählen unter anderem Projekte mit Schulen zu den Themen Mobbing, Ausgrenzung oder schlechtes Klassenklima, der Sicherheitstag in der Bezirkssporthalle, das Hilfsangebot "Luisa ist da", die zahlreichen Beratungen und vieles mehr. "2012 haben wir mit der Besuchsbegleitung begonnen, 2013 folge die Elternberatung. Denn es ist wichtig zu verstehen, dass es bei einer Trennung oder Scheidung nicht nur um die Partner, sondern auch um die Kinder geht."
Besonders erfreulich sei auch der sehr gute Austausch mit allen Vereinen sowie der ARGE soziale Dienste. "Pro Jahr haben wir etwa 500 Familien geholfen. Wenn ich dann noch positive Rückmeldungen bekomme, ist das Balsam für die Seele. Es ist eine sinnstiftende Arbeit, Menschen zu unterstützen", so die Rohrbach-Bergerin. Zu erwähnen gilt es auch, dass das Thema Frauengesundheit mehr in der Bevölkerung angekommen ist
"Medikamente, die auf den Frauenorganismus abgestimmt sind, sowie Themen wie der Wechsel, Endometriose und vieles mehr hat nun seinen Platz gefunden", freut sich Müller. Ein Meilenstein war 2024 auch die Anerkennung als Familienberatungsstelle. "Ich bin selbst dreifache und alleinerziehende Mutter und kann die Probleme, mit denen Hilfesuchende zu uns kommen, nachvollziehen."
Nachfolgerin einschulen, dann folgt die Bioschule
Anfang Juli übergibt Jutta Müller dann die Geschäftsführung. Es brauche dafür eine junge und gesunde Frau, die Gestaltungsfreiraum hat und sich der Herausforderung stellen will. "Nun möchte ich die Staffelübergabe noch ordentlich durchführen und meine Nachfolgerin gut einschulen", berichtet Müller. Eine Leitungsfunktion möchte die 56-Jährige in Zukunft nicht mehr übernehmen. Sie kann sich aber eine Funktion in der Onlineberatung oder in der Familienbegleitung vorstellen. Im Herbst geht es für sie jedenfalls in die Bioschule Schlägl, wo sie die Ausbildung zum landwirtschaftlichen Facharbeiter absolvieren will.




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