Barrierefreiheit ist langer Prozess
Öffentliche Einrichtungen, Handel und Gastronomie müssen bald barrierefrei sein. Bau-Endspurt beginnt.
BEZIRK (anh). Mit 1. Jänner 2016 tritt das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz für bestehende Bauwerke und Verkehrsmittel in vollem Umfang in Kraft. Mit anderen Worten: Bis dahin müssen öffentliche Einrichtungen, der Handel und die Gastronomie barrierefrei sein. „In vielen öffentlichen Gebäuden und Firmen des Bezirks wurden bereits bauliche Maßnahmen getroffen und teilweise große Summen investiert“, zieht Klaus Grad von der Wirtschaftskammer eine vorläufige Bilanz. Ein Prestigeobjekt in Sachen Barrierefreiheit ist etwa die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach. Sie verfügt über Türsensor, Lift und ein vorbildliches Behinderten-WC. Andere Bereiche – vor allem die Gastronomie – hinken noch nach. „Jetzt, wo das Ende der Frist näher rückt, wird es mit Sicherheit noch zu verstärkten Aktivitäten kommen“, ist sich Klaus Grad sicher.
Fusions-Gemeinde holt auf
In der Fusions-Gemeinde Rohrbach-Berg darf man auf den Umbau des Rathauses gespannt sein. Dieses hatte bis dato nicht einmal einen Lift. „Hier haben wir großen Nachholbedarf“, sagt auch Landtagsabgeordnete Ulrike Schwarz. Außerdem werden in nächster Zeit Gehsteigplatten und -kanten abgeschrägt, um für Rollstuhl- und Rollatorfahrer besser befahrbar zu sein. Bei den Parkplätzen in der Akademiestraße wird noch ein Behindertenparkplatz geschaffen.
Mehr Behindertenparkplätze
Hermann Traxler vom Oberösterreichischen Zivil-Invalidenverband wünscht sich in der Bezirkshauptstadt generell mehr Behindertenparkplätze. Er fordert etwa einen im Bereich des Behinderten-WCs beim Kirchenpark. „Die Strecke vom Stadtplatz, vorbei beim Pfarramt und hinauf zum WC ist im Sommer nur mit viel Kraft möglich. Im Winter bei Glättegefahr ist sie eine Katastrophe“, bedauert der Rollstuhlfahrer. Auch der bestehende Behindertenparkplatz vor dem Schmuckgeschäft Feichtinger sei aufgrund der Steigung nicht optimal. Alles muss jedoch nicht barrierefrei gemacht werden, denn wirtschaftliche Gründe, bauliche Schwierigkeiten und Denkmalschutz spielen dabei auch eine Rolle. Im Zweifelsfall entscheidet eine Zumutbarkeitsprüfung. „Es wäre verrückt, eine allumfassende Barrierefreiheit zu fordern“, meint auch Hermann Traxler. Landes-Innungsmeister Norbert Hartl rät dennoch bei jeder Sanierung das Thema Barrierefreiheit schon mitzudenken. „Bereits relativ einfache Lösungen wie abgeschrägte Kanten, breite Türen oder die Vermeidung von Stolperfällen erhöhen die Lebensqualität von Menschen mit Behinderung enorm“, so Norbert Hartl.
Laut Klaus Grad sei es hilfreich, wenn der Zugang zum Thema nicht „keine Diskriminierung“ sei, sondern „Wie kann ich es meinen Kunden möglichst einfach machen“. Das heißt: Barrierefreiheit als positives Werkzeug zu sehen, das den Alltag für alle erleichtert. Die umfassende Sichtweise von Barrierefreiheit lasse sich jedoch nicht zu einem bestimmten Termin realisieren. „Es ist ein längerer Prozess, der immer wieder neu anzustoßen ist.“
Für Sie getestet
Bei einer Tour mit Rollstuhlfahrer Hermann Traxler durch die Bezirkshauptstadt haben wir fünf öffentliche Einrichtungen in puncto Barrierefreiheit getestet:
Rathaus: Wird momentan umgebaut. Derzeit kein Lift, Behinderten-WC mit Nofalltaste in der Nähe, jedoch nicht gekennzeichnet
Bezirkshauptmannschaft: Automatische Türöffnung, Lift vorhanden, großzügiges Behinderten-WC
Arbeiterkammer: Tür nur schwer und nicht elektronisch zu öffnen, kein Lift, bei Bedarf wird Treppenlift eingebaut, Behinderten-WC vorhanden
Wirtschaftskammer: automatische Türöffnung, Lift und Behinderten-WC vorhanden, manche Seminarräume nur mit Stufen zu erreichen
Bahnhof: Niveauunterschied Zug und Bahnsteig mittlerweile ausgeglichen, WCs für Rollstuhlfahrer nicht geeignet
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.