"Ich sehe einen Mangel an Sensibilität"

Fast jede Woche berichten die Medien über Nazi-Schmierereien oder rechtsradikal motivierte Vandalenakte in der Stadt Salzburg. Nehmen diese Delikte zu?
FRANZ RUF:
In der Wahrnehmung ja, weil breit darüber berichtet wird, aber in Zahlen betrachtet nicht. Tatsächlich hatten wir aber im Oktober 2013 einen sprunghaften Anstieg rechtsextremer und nationalsozialistischer Straftaten. Etwa ein halbes Jahr davor haben wir mit gezielten polizeilichen Maßnahmen rechtsextreme Aktivitäten in einer einschlägigen Bar in Salzburg-Mülln zerschlagen. Als Reaktion darauf haben die Straftaten erwartungsgemäß zugenommen, das ist ein Phänomen, das sehr häufig auftritt. Daraufhin haben wir zwei Täter festgenommen, die mittlerweile mehrjährige Haftstrafen wegen 136 Straftaten absitzen.

Das bedeutet, die Medien tragen durch die Berichterstattung über rechtsextreme Taten dazu bei, dass es weitere solche Taten gibt?
FRANZ RUF:
Extremistische Straftäter zielen besonders darauf ab, dass darüber berichtet wird. Naturgemäß treten dadurch auch Nachahmer und Trittbrettfahrer auf den Plan. Initiativen gegen Rechtsextremismus sind natürlich begrüßenswert. Eine besondere Sensibilität in der Berichterstattung ist aber erforderlich.

Steckt da immer eine politische Motivation dahinter?
FRANZ RUF:
Ein kleinerer Teil dieser Täter ist einer rechtsextremen und ein größerer Teil keiner Szene zuzuordnen. Dieser größere Teil hat mehr oder weniger diffuse rassistische oder fremdenfeindliche Einstellungen, aber sie handeln nicht aus einer nationalsozialistischen Motivation heraus, sondern oft einfach aus Frust, Protest oder aus Übermut. Wie ein 29-Jähriger, der im Jänner mit dem Skateboard ein Mahnmal an der Staatsbrücke beschädigt hat. Der hat aus Wut auf den Staat so gehandelt. Oder sechs Jugendliche, die im März eine Kirche mit satanischen Zeichen und Nazi-Symbolen beschmiert haben – da gab es keine politische Motivation dahinter, sondern einfach nur Wut und Protest. Bezeichnenderweise ist ein Elternteil einer Beschuldigten Mitglied einer Initiative gegen Rechtsextremismus.

Wie gut organisiert ist die echte rechtsextreme Szene?
FRANZ RUF:
Das muss man sich als lose Gruppen vorstellen, deren Spitzen teilweise miteinander in Kontakt stehen. Die einzelnen Gruppen sind ein Zusammenschluss von Menschen mit zum Teil primitiver ideologischer Subkultur.

Wie beobachten Sie die rechtsextreme Szene?
FRANZ RUF:
Unsere Experten des Verfassungsschutzes arbeiten aufgrund der geografischen Nähe sehr eng mit dem deutschen Verfassungsschutz zusammen. Wir haben ein Maßnahmenpaket geschnürt, mithilfe dessen wir einschlägig bekannte Personen und einschlägige Internetforen beobachten. Im Zuge der erweiterten Gefahrenerforschung observieren wir Örtlichkeiten und führen zielgerichtete Kontrollen durch. Besonders gefährdete Objekte – die in der Vergangenheit mehrmals beschmiert wurden – überwachen wir ebenfalls. Auch in Sachen Prävention tun wir einiges, seit einem halben Jahr bilden wir in Kooperation mit dem Landesschulrat Vertrauenslehrer und Beamte gemeinsam aus, um sie für Anzeichen von Extremismus zu sensibilisieren.

Ist Rechtsextremismus Ihrer Meinung nach ein gesellschaftliches Problem?
FRANZ RUF:
Es gibt einen Mangel an Sensibilität in gewissen Bevölkerungsschichten. Um das Problem zu lösen, braucht es ein Zusammenwirken aller Gesellschaftsbereiche. Die Politik muss geschlossen gegen Rechtsextremismus auftreten ohne zu überzeichnen. Wir müssen damit auch schon im Kindesalter beginnen, in den Schulen, in den Vereinen. Wir als Polizei bringen uns hier gerne ein, aber es braucht einen gesamthaften Lösungsansatz. Die Anzeigenstatistik anzuschauen, greift hier übrigens zu kurz. Denn sie ist kein Abbild der Verbreitung von rechtsradikalen Tendenzen in den Köpfen der Menschen. Wir müssen uns auch im kleinen Kreis, etwa am Stammtisch, von fremdenfeindlichen Aussagen differenzieren – selbst wenn deren Inhalt noch keine strafrechtliche Relevanz hat.

Islamophobieforscher sprechen von einer zunehmenden Islamfeindlichkeit. Sehen Sie die auch?
FRANZ RUF:
Ich muss das anders beantworten: Bei den jungen Menschen, die durch Islamisten rekrutiert werden, zeigt sich, dass sie zum Teil zu einem sozial benachteiligten Personenkreis zählen. Das macht sie empfänglich für radikale Ideen. Missachtungserlebnisse, individuelle Kränkungen und Demütigungen – also islamfeindliche Taten – spielen hier eine Rolle. Hier setzt auch die Propaganda der Islamisten an. "Du bist in dieser Gesellschaft nicht wichtig, aber bei uns wirst du gebraucht." Dann werden gemeinsame Ziele definiert.

Wie groß ist die Islamistenszene?
FRANZ RUF:
Österreichweit sind etwa 200 Personen in die Krisenregionen Syrien und Irak gereist um sich der Terrororganisation IS anzuschließen. Unbestätigten Meldungen zufolge sind etwa 40 davon tot, mehr als 60 sind nach Österreich zurückgereist. In Salzburg haben wir bis auf den Fall, des auf dem Weg nach Syrien in Rumänien aufgegriffenen Mädchens keine bekannten Zurückkehrer. Aber wir ermitteln derzeit in sechs Fällen wegen Unterstützung für den IS. Dabei geht es um Personen, die von Österreich aus in den Irak und nach Syrien aufgebrochen sind, zum Teil um dort zu kämpfen, zum Teil um von dort aus über soziale Netzwerke und Kommunikationsplattformen weitere Kämpfer zu rekrutieren. Die Ermittlungen laufen hier sehr erfolgreich und wir können Rekrutierungsprozesse gerichtsverwertbar nachweisen.

Was können Sie Eltern und Freunden von derart radikalisierten jungen Menschen raten?
FRANZ RUF:
Jede Radikalisierung läuft in mehreren Phasen ab, Angehörige, Freund und Lehrer können, wenn sie sensibel sind, Tendenzen erkennen. Und dann sollten sie sich an die zentrale Anlaufstelle des Familienministeriums oder an die Polizei wenden. Dazu gibt es eine eigene Hotline unter0800 202044 bzw. unter office@beratungsstelleextremismus.at.

Und wie sieht die islamistische Szene in Salzburg, abseits von IS, aus?
FRANZ RUF:
Wir pflegen mit den moslemischen Vereinen in Salzburg einen offenen Sicherheitsdialog. Das funktioniert sehr gut. In Einzelbereichen – dort wo es um Islamismus geht – erfolgt so wie bei der rechtsextremen Szene eine erweitere Gefahrenerforschung, auch dort setzen wir besondere Überwachungsmaßnahmen.

Ist die islamistische Szene gefährlicher als die rechtsextreme Szene?
FRANZ RUF:
Das kann man nicht miteinander vergleichen. Wir schenken sowohl der rechtsextremen wie auch der islamistischen Szene besondere Aufmerksamkeit. Seit Herbst 2014 gehen wir österreichweit von einer erhöhten abstrakten Gefährdungslage durch islamistischen Terrorismus aus.

Wie viel Diversität gibt es im Polizeiapparat? Gibt es moslemische Polizisten in Salzburg?
FRANZ RUF:
Wir haben Polizisten mit Migrationshintergrund und den nützen wir auch. Das Religionsbekenntnis interessiert uns bei der Aufnahme in den Polizeidienst nicht.

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