Psychologie
Sexueller Narzissmus, Egoismus und narzisstischer Sex

Gesunder und toxischer Narzissmus

Die moderne Psychotherapie unterscheidet den gesunden vom schädlichen oder pathologischen Narzissmus. Gesunder Narzissmus meint, dass ich die Erfahrung gemacht habe, auf der Welt willkommen zu sein, und dass ich so, wie ich bin, liebenswert und in Ordnung bin. Ich akzeptiere mich mit meinen Talenten, Fähigkeiten und Charismen, aber auch mit meinen Schwächen, Fehlern und biographischen Wunden. Ich erlebe die Welt grundsätzlich als einen sicheren Ort (Grundvertrauen) und freue mich, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, verfüge aber auch über ein gesundes Misstrauen. Ich bin kritikfähig und überprüfe kritische Rückmeldungen, um sie dann anzunehmen und um daran wachsen zu können, aber auch, um sie zurückzuweisen.

Voraussetzung für diesen gesunden Narzissmus ist, dass mich meine Eltern oder andere primäre Bezugspersonen bedingungslos angenommen und geliebt haben. Ich erfahre und verinnerliche dann ganz tief, dass ich gewollt und liebens-wert bin.

Sexueller Narzissmus und narzisstischer Sex sind weit verbreitet. Ein gesunder Egoismus bzw. Narzissmus ist eine solide Basis für eine erfüllte Partnerschaft und eine leidenschaftliche Sexualität.

Narzissmus in der Sexualität und gesunder Egoismus
Der schädliche Narzissmus ist in unserer Kultur weit verbreitet

Der pathologische Narzissmus entwickelt sich dann, wenn ein Kind nicht um seiner selbst willen geliebt wird, sondern wenn es für die Bedürfnisse der Eltern oder der primären Bezugspersonen missbraucht wird. Das Kind steht dann immer in einer Bringschuld: Es muss etwas leisten, tun oder vorspielen (mitunter sogar aufgesetzte Gefühle), um geliebt zu werden. Dies ist keine echte Liebe, sondern Missbrauch und damit psychische Gewalt, die viele Eltern völlig unbewusst ausleben und an ihre Kinder weitergeben.

In unserer narzisstischen Leistungskultur ist der psychische Missbrauch an Kindern und Jugendlichen sehr weit verbreitet und wird auch gefördert von einer Gesellschaft, in der vor allem pathologische Narzisst*innen und Hysteriker*innen - das sind Personen, die Pseudogefühle vorspielen und sich so verhalten, wie sie denken, dass es die anderen erwarten - besonders rasch und schnell aufsteigen und viel Macht und Geltung erlangen.

"Liebe" nur gegen Leistung

Kinder, die in einer Bringschuld stehen, strengen sich permanent an, um „Liebe“ von ihren Eltern zu erfahren und leiden unter massiven Schuldgefühlen und Ängsten, wenn sie die Forderungen ihrer Bezugspersonen nicht erfüllen können. Ein Kind kann die Defizite seiner Eltern nämlich entwicklungspsychologisch niemals als deren Unfähigkeit erkennen, sondern erlebt sich selbst als den Schuldigen.

Ohne jegliche Zuneigung und Liebe kann ein Kind psychisch und körperlich nicht überleben, das haben grausame Experimente gezeigt, bei denen Kinder nur versorgt wurden und keine Liebe bekamen: Alle Kinder starben. Daher müssen Kinder aus der Todesangst heraus sich verzweifelt bemühen und abrackern, um doch noch etwas an lebenserhaltender Bestätigung durch die Eltern zu erhalten.

Die Droge Aufmerksamkeit: Narzist*innen sind bedürftig

Auf diese Weise werden Menschen gedrillt, sozialisiert und bewusst erzogen, die einerseits zu Extremleistungen fähig sind, die sich aber andererseits einbilden, sie seien die Besten, Grandiosesten und Größten, wenn sie lediglich äußere Erfolge haben. So entwickelt sich der pathologische Narzissmus, ein Typ von Persönlichkeit, der sich ständig und immerfort selbst überschätzt, aufbläht und geradezu suchtartig nach Aufmerksamkeit, Bestätigung und Anerkennung durch andere Menschen verlangt. Um sich selber aufzuwerten, wertet der/die Narzisst*in andere Menschen auf üble oder subtile Weise ab, da er/sie sich dann besser fühlt.

Im Innersten sind narzisstische Menschen zutiefst verwundet und extrem bedürftig. Erhalten diese bedürftigen Menschen nicht ihre Droge Bestätigung und Aufmerksamkeit, so sind sie äußerst gekränkt, oft für immer.

Der Narzissmus befindet sich in einem ständigen Kampf mit der Realität

Lieber idealisiert der narzisstische Mensch seine Mitmenschen, weil der den Kummer und Schmerz der Desillusionierung nicht ertragen kann, welche zu einer Überflutung von Kränkung oder Selbsthass führen würde. Erkenne ich, dass ich meinen eigenen viel zu hohen und grandiosen Idealen nicht gerecht werde (oder dass meine Mitmenschen dies nicht tun), dann kann es zu einem unaushaltbaren Gefühl der inneren Leere in mir kommen.

Filmtipp: "The psychology of narcissism"

Der pathologische Narzissmus ist gefährlich und schädlich für Beziehungspartner*innen.

Ein guter Selbstwert als solide Basis für jede Partnerschaft

Ich kann nur dann ein*e gute*r Partner*in sein, wenn ich über einen gesunden Narzissmus verfüge und gut sowie wertschätzend mit mir selbst umgehe. Ich sollte zuerst an meinem Selbstwert arbeiten bzw. an meiner Selbstwertproblematik, anstatt zu versuchen, meine*n Partner*in zu verändern oder nach kurzer Zeit immer wieder Partnerschaften zu beenden, um mich nach neuen Partner*innen umzusehen. Ein guter, solider Selbstwert ist die beste Basis für eine zufriedene, erwachsene Partnerschaft. Je mehr ich mich selbst gesund liebe, desto besser kann ich auch mit meinen Mitmenschen umgehen (siehe die Weisheit von Jesus: „Liebe deinen nächsten WIE DICH SELBST“) und bin zudem unabhängiger und weniger bedürftig, d.h. ich laufe kaum Gefahr, meine*n Partner*in für meine eigenen Bedürfnisse zu missbrauchen. Eine solide Selbstliebe macht uns toleranter und akzeptierender gegenüber den Schwächen des Partners/der Partnerin, weil ich ja den/die andere*n nicht als Krücke meiner narzisstischen Bestätigung benötige.

Ein gesunder Narzissmus und eine gesunde Selbstliebe sind zudem eine gute Basis für unsere Sexualität. Lustvolle Masturbation bedarf einer guten Einstellung zu mir selbst, da ich mir etwas Gutes und Wertvolles tue (Selbstfürsorge), und Leistung dabei keine Rolle spielt.

Gesundes Selbstbewusstsein in der Sexualität

In der partnerschaftlichen Sexualität lassen sich erfüllende, geile und leidenschaftliche Möglichkeiten finden und ausleben, wenn beide Partner*innen über einen gesunden Narzissmus verfügen. Gesunde narzisstische Bedürfnisse lassen sich dann optimal erfüllen.

Lust entsteht dann weniger durch Äußerlichkeiten, wie Viagra, Sextoys, bestimmte Sexualpraktiken, Schönheit, die volle Erektion, Silikon etc., sondern sie geschieht spielerisch, dient der Entspannung und dem Abbau von Stress und ist damit auch präventiv, was seelische und körperliche Erkrankungen betrifft. Authentische Gefühle sind immer ansteckend, so auch die Lust. Ich habe dann nicht Sex, um bestätigt zu werden, was für ein klasser und toller Typ ich doch bin (pathologischer Narzissmus bzw. narzisstischer Sex), sondern ich habe Sex, weil ich mich der Lust hingebe und mit meinem gesunden Selbstbewusstsein der/dem Partner*in meine Lust einfach schenke. Lässt sich die/der andere von meiner Lustwelle nicht mitreißen, so ist das für mich in Ordnung, weil ich dann dennoch meiner eigenen Lust folge. In der Sexualtherapie ist es immer ein wesentlicher Entwicklungsschritt, wenn beide Partner*innen lernen und umsetzen, dass jede*r selbst für seine/ihre eigene Lust verantwortlich ist.

Ein Mensch, der über einen gesunden Egoismus bzw. Narzissmus verfügt, erlebt sich selbst als lustfähig und Sexualität als eine von vielen Möglichkeiten, um sich zu entspannen. Stress oder Konflikte in der Partnerschaft sind dann kein Argumente gegen eine erfüllte, leidenschaftliche Sexualität.

Auch unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse und Vorlieben, die ja in Partnerschaften mehr die Regel als die Ausnahme sind, werden akzeptiert, auf erwachsener-konstruktiver Ebene verhandelt, und die eigenen Grenzen werden klar und mit Eigenverantwortung dem/der Partner*in mitgeteilt.

Sexueller Flow und sexuelle Transzendenz - ein Fazit

Im Gegensatz zur narzisstischen Sexualität, in der es vor allem um die Bestätigung des Egos geht und die den/die andere*n als Mittel zum Zweck missbraucht, damit er/sie den eigenen fragilen Selbstwert bestätigt, geht es der gesunden, erwachsenen Sexualität um Transzendenz, Achtsamkeit, Hingabe, gesunden Egoismus und gesunden Altruismus.

Ich freue mich dabei über meine eigene Lust, Geilheit, Erotik und Sinnlichkeit und habe zugleich Freude, dem/der anderen ebenfalls Lust und Sinnlichkeit zu verschaffen. Wir leben beide ganz im Moment, geben und empfangen zugleich, und unser Ego tritt in den Hintergrund. Wir erleben einen Flow.

Je öfter wir derartige hingebungsvolle Sexualität leben, desto leichter und selbstverständlicher wird sie uns fallen. Diese sexuelle Erfüllung kann uns dann zur zweiten Natur werden. Lust, Geilheit und Sex sind dann kaum noch an Leistung, Performance, Techniken und Sexualpraktiken gebunden, sondern werden zu einem Seinszustand.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Logotherapie und Existenzanalyse)

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