Internetsucht
Steigende Abhängigkeit von Smartphones und Internet

Die Zahl der an einer Internet- oder Smartphone-Sucht erkrankten Personen hat während der Coronakrise stark zugenommen. | Foto: Symbolbild: Pixabay
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  • Die Zahl der an einer Internet- oder Smartphone-Sucht erkrankten Personen hat während der Coronakrise stark zugenommen.
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Smartphones sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir sind immer erreichbar und immer informiert. Doch dies birgt auch Gefahren. Die RegionalMedien Salzburg sprachen mit Caroline Weinlich von der Suchthilfe Klinik Salzburg.

SALZBURG. Die Zahl der Menschen, die eine Internet- oder Handy-Sucht entwickeln, ist im Steigen, vor allem seit Beginn der Coronakrise. Trotzdem wird diese Abhängigkeit noch nicht wissenschaftlich als Erkrankung deklariert. Wir sprachen mit der Expertin Mag. Caroline Weinlich.

Isolation als Nährboden

Seit Beginn der Coronakrise sind Suchterkrankungen stark am Steigen. Ein wesentlicher Grund dafür ist laut Caroline Weinlich von der Suchthilfe Klinik Salzburg die soziale Isolation, die mit der Ausbreitung der Viruserkrankung einherging. Während der Lockdowns und anderen Phasen der Isolation zogen sich die Menschen zurück, spielten mehr Videospiele, verbrachten mehr Zeit auf Social Media und pflegten die meisten ihrer Kontakte online. Generell, so Weinlich, verbrachten die Menschen während der Pandemie einfach viel mehr Zeit vor dem Bildschirm. Dies hat zu vermehrtem Suchtverhalten im Bezug auf Smartphones und das Internet allgemein geführt. "Die Konsequenzen des Ganzen werden wir erst jetzt stückweise mitkriegen", so die Expertin. 

Mag. Caroline Weinlich ist die therapeutische Leiterin der Suchthilfe Klinik Salzburg. | Foto: Caroline Weinlich
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Die Sucht anerkennen

Ein wesentliches Problem, welches Weinlich zum Thema Internet- und Handy-Sucht hervorhebt, ist, dass diese Abhängigkeiten nach wie vor nicht offiziell von wissenschaftlichen Institutionen als Suchterkrankungen klassifiziert worden sind.

"Im aktuellen ICD 11 (Internationale Übersicht über Krankheiten) ist immer noch keine Rede von Internetsucht oder Handysucht. Lediglich zwischen Glücksspielstörung offline und online und Spielsucht offline und online wird unterschieden. Leider gibt es auch noch vergleichsweise wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema. Generell ist das ein Problem. Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Süchte offiziell anerkannt werden und es ist auch schon länger im Gespräch. Doch geschehen ist bis jetzt nichts. Natürlich liegt das auch an einer gewissen wissenschaftlichen Vorsicht und Sorgfaltspflicht."
Caroline Weinlich, Suchthilfe Klinik Salzburg 

Gerade in der Praxis, sind diese Suchterkrankungen jedoch mehr denn je ein Thema, betont Caroline Weinlich. So kommen zum Beispiel sehr oft verzweifelte Eltern in die Suchthilfe Klinik, weil ihre Kinder das Internet zu viel nutzen und suchttypische Reaktionen beim Entzug der jeweiligen Geräte zeigen.

Kennst du jemanden der Internet- oder Handy-süchtig ist?

Jugend in Gefahr

"Von einer solchen Internet- oder Smartphone-Sucht sind vor allem sehr viele Jugendliche betroffen", so Caroline Weinlich.

"Bei jungen Menschen entgleist der Konsum von Internetplattformen oft leichter, vor allem, wenn sie vielleicht auch noch unter sozialen Ängsten oder Depressionen leiden. Gerade Social Media ist da ein Riesenproblem. Auf Seiten wie Facebook und Instagram werden den Jugendlichen die vermeintlich perfekten Welten der Influencer vorgegaukelt. Vielen ist nicht so ganz bewusst, dass die Bilder dieser Menschen geschönt sind und sie natürlich nur die Sonnenseiten ihres Lebens präsentieren. Der damit eingehende Narzissmus ist auch eines der wesentlichen Probleme unserer Zeit. Gerade Menschen mit sozialen Problemen fliehen sich dann oft in diese digitalen Welten und pflegen dort den Großteil ihrer sozialen Kontakte. Sie sind somit stark gefährdet süchtig zu werden und den Blick auf die Realität außerhalb des Netzes zu verlieren."
Caroline Weinlich, Suchthilfe Klinik Salzburg 

Caroline Weinlich betont, dass ein wesentlicher Teil dieser Problematik auf eine Veränderung der Selbstwahrnehmung zurückzuführen ist. Der berühmte Psychologe Gustav Jung machte seinerzeit die Beobachtung, dass wir Menschen uns nach Außen hin eine Persona in Form einer Art sozialer Maske zurechtlegen. "An und für sich ist das typisch für den Menschen und auch kein großes Problem", so Weinlich. Problematisch wird es laut ihr aber, wenn Personen mit dieser aufgesetzten Persönlichkeit verschmelzen. "Viele Jugendliche erleben so keinen Unterschied mehr zwischen ihrer Maske auf Social Media und ihrer eigentlich wesentlich differenzierteren eigenen Persönlichkeit", erklärt Caroline Weinlich.

Interessanterweise schließt diese Gruppe der Gefährdeten bis zu einem gewissen grad auch jene ein, die sich kreativ oder beruflich mit dem Internet beschäftigen. So verlieren sich laut Caroline Weinlich gerade User und Userinnen, die sehr erfahren im Umgang mit sozialen Medien sind, oft in diesen digitalen Welten, weil sie so stark in die dort stattfindenden Diskussionen und Gesellschaftsprozesse involviert sind. Auch dies kann zu einer problematischen Realitätswahrnehmung führen.

Gerade Jugendliche sind gefährdet eine Internet- oder Handy-Sucht zu entwickeln. | Foto: Symbolbild: Pixabay
  • Gerade Jugendliche sind gefährdet eine Internet- oder Handy-Sucht zu entwickeln.
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Unsichtbare Sucht

Trotz der Gefährdung jugendlicher Personen, nach dem Internet und damit verbundenen Geräten süchtig zu werden, muss man sich jedoch im Klaren sein, dass dies Menschen aus allen Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten passieren kann. 
Ein elementares Problem, das Caronline Weinlich hervorhebt, ist, dass diese technologischen Süchte oft unsichtbar sind. Im Gegensatz zu anderen Suchterkrankungen kann es für das Umfeld komplett unersichtlich sein, dass die Person an einer Internet- oder Smartphone-Sucht leidet. Hierbei sind gesellschaftliche Normen natürlich nicht ganz unwesentlich. Wir sind es gewohnt, zu allen Zeiten Menschen um uns herum zu haben, die sich mit ihren Smartphones beschäftigen. Durch diese Gewöhnung machen wir uns in den seltensten Fällen Gedanken, ob eine gewisse Person eventuell nach diesen Technologien süchtig ist. Dabei spielen natürlich auch die modernen Arbeitsgepflogenheiten eine Rolle. In vielen Berufen ist man es gewöhnt, den ganzen Tag zu telefonieren oder sein Smartphone zu bedienen. Aus diesen Gründen ist es den Betroffenen selbst ebenfalls sehr oft nicht bewusst.

"Unsere Patienten kommen oft aus ganz anderen Gründen zu uns. Erst im Laufe der Behandlung realisieren wir dann, dass die Person zum Beispiel keine Stunde ohne ihr Smartphone auskommen kann."
Caroline Weinlich, Suchthilfe Klinik Salzburg

Vor allem in Zeiten der Isolation sind Menschen gefährdet in eine Internet-Sucht abzudriften | Foto: Symbolbild: Pixabay
  • Vor allem in Zeiten der Isolation sind Menschen gefährdet in eine Internet-Sucht abzudriften
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Dimensionen der Sucht

Weiters hat die Internet- oder Smartphone-Sucht meistens auch verschiedene Dimensionen. Dies fängt laut Caroline Weinlich bei Aspekten wie einer gewissen Haptik an (das Handy berühren, am Ohr spüren usw.) und geht bis zur Befriedigung verschiedenster Bedürfnisse. Ein wesentliches Problem, welches Weinlich in diesem Zusammenhang nennt, ist die für Süchte typische Regulierung verschiedenster Emotionen und Bedürfnisse durch den Fokus auf das Suchtmittel.

"Die Gefahr, nach etwas süchtig zu werden, ist hoch, wenn wir das jeweilige Verhalten, den Gegenstand oder die Substanz nutzen um verschiedenste Emotionen und Bedürfnisse zu regulieren. Greifen wir zum Beispiel zum Handy und gehen auf Social Media, wenn wir traurig sind, fröhlich sind, uns einsam fühlen, wir Nähe suchen oder wir Probleme haben, dann fokussieren wir uns dabei zu sehr auf eine Sache, die plötzlich die verschiedensten Bedürfnisse regelt, für die wir eigentlich verschiedene Quellen, Regulationsmechanismen und zwischenmenschliche Kontakte haben sollten. Dabei werden die Probleme dann ja auch meistens nicht gelöst und nur mit einem kurzen Moment des Wohlfühlens unterdrückt."
Caroline Weinlich, Suchthilfe Klinik Salzburg

"Man stelle sich jemanden vor, der das Gefühl des Hungers nicht kennt und gegen das Grummeln in seinem Bauch einen Schnaps bekommt. Kurzzeitig fühlt es sich so an, als würde der Schnaps helfen. Dazu kann die Person zu der falschen Annahme kommen, dass sie gegen Hunger immer nur einen Schnaps zu trinken braucht. Gleichzeitig macht der Schnaps den Hunger aber eigentlich nur schlimmer", so Caroline Weinlich.

Natürlich gibt es, so Caroline Weinlich, aber auch Mehrfachsüchtigkeit. Gerade Menschen mit einer Alkoholsucht, Drogensucht oder Spielsucht isolieren sich oft sehr stark und sind so zunehmend anfällig, auch an einer Internet-Sucht zu erkranken.

Der Selbstcheck

Caroline Weinlich betont, dass man durchaus selbst feststellen kann, ob man Internet-/Smartphone-Sucht gefährdet ist. Dazu sollte man sich die folgenden Fragen stellen.

  1. Für was nütze ich das Handy?
  2. Wie viele Emotionen und Bedürfnisse sind mit dieser Nutzung verbunden?
  3. Wie geht es mir ohne Smartphone?
  4. Wie schaut es mit meinem restlichen Leben aus? Habe ich ausreichend zwischenmenschliche Kontakte, Hobbys und Erlebnisse?

Weiters sollte man versuchen, Smartphone-freie Zeiten einzuführen. Und zwar ganz bewusst. Das kann von einigen Stunden die Woche bis zu einem kurzen Urlaub ohne das Gerät gehen.
Wichtig ist Selbstkontrolle, zu üben und sich zu fragen. Kann ich wirklich selbst bestimmen, wann und wie oft ich in meiner Freizeit mein Smartphone nutze?

"Wenn das nicht möglich ist, dann sollte man sich Hilfe suchen", so Caroline Weinlich.

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