Nach Erdogan Wahl
Schriftsteller Ahmet Altan kann nicht nach Salzburg

Autor und Journalist Ahmet Altan hätte eigentlich am 1. Juni im Literaturhaus Salzburg auftreten sollen. Doch ihm wird nach wie vor die Ausreise aus der Türkei verwehrt. | Foto: Shutterstock
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  • Autor und Journalist Ahmet Altan hätte eigentlich am 1. Juni im Literaturhaus Salzburg auftreten sollen. Doch ihm wird nach wie vor die Ausreise aus der Türkei verwehrt.
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Eigentlich hätte der bekannte türkische Schriftsteller und Journalist Ahmet Altan gestern Abend im Literaturhaus Salzburg beim Festival "Europa der Muttersprachen 2023" auftreten sollen. Doch die türkische Regierung verwehrte ihm die Ausreise. Er meldete sich nun über Video zu Wort.

SALZBURG. Jahrelang saß Ahmet Altan bereits im türkischen Gefängnis. Seitens der Erdogan Regierung wird ihm "Terrorunterstützung"vorgeworfen. Verhaftet wurde er im Zuge eines Putschversuches 2016. Seit dem 14. April 2021 ist er wieder frei. Das Urteil wurde aufgehoben, auch aufgrund internationalen Drucks durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sein türkisches Ausreiseverbot besteht jedoch noch immer. Mit der Wiederwahl von Recep Tayyip Erdoğan als türkischen Präsidenten rückt dessen Aufhebung erneut in die Ferne.

Botschaft an Salzburg

Wie das Literaturhaus Salzburg in einer Aussendung berichtet, schickte ihnen der bekannte Autor und Journalist über Youtube eine Video-Botschaft. Diese wurde dann am Abend des 1. Juni live vorgespielt. Im Video spricht Altan über die Macht der Literatur, seine Zeit im Gefängnis und übt Kritik an der "populistischen Führung" der Türkei und ihren Wählern. Weil das Video auf Englisch ist, veröffentlichte das Literaturhaus auch eine deutsche Übersetzung. Im Folgenden wird diese Übersetzung zitiert.

Kritik an der türkischen Regierung

Die Video-Botschaft beginnt mit Kritik an dem "populistischen Führer" Erdogan und seinen Wählern. Ihnen würde es an literarischem Interesse mangeln. Denn gerade die Literatur würde die Menschen ermutigen "alles zu hinterfragen" und sie so davor schützen, "Sklaven zu werden".

"Vor Jahren beobachteten wir die Tausenden von Menschen, die sich zur Kundgebung eines populistischen Führers versammelt hatten, als ein Freund von mir fragte: „Was haben diese Menschen Ihrer Meinung nach gemeinsam?“ „Die Tatsache, dass sie keine Romane lesen“, sagte ich. Ich denke, die Mehrheit der Anhänger populistischer Führer hat kein Interesse an Literatur. Literatur ist eine Form der Unterhaltung. Doch der Verstand derjenigen, die Freude an dieser besonderen Form der Unterhaltung haben, lässt es oft nicht zu, dass sie zu Sklaven werden. Die Literatur schützt sie vor Unterdrückung, vor dem Bösen und vor Täuschung. Es führt sie weg von der Masse, von denen, die sich in Herden bewegen, und hilft ihnen, Individuen zu werden, ihre eigenen Ideen zu entwickeln, alles zu hinterfragen und die Art von „Lebenserfahrung“ zu sammeln, die es ihnen ermöglicht, Gut und Böse zu erzählen auseinander."

Nachdem Ahmet Altan gestern nicht auftreten konnte, schickte er dem Literaturhaus eine Videobotschaft. Diese wurde von ihnen nun veröffentlicht. Im Bild: Leiter Tomas Friedmann. | Foto: Literaturhaus Salzburg
  • Nachdem Ahmet Altan gestern nicht auftreten konnte, schickte er dem Literaturhaus eine Videobotschaft. Diese wurde von ihnen nun veröffentlicht. Im Bild: Leiter Tomas Friedmann.
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Fünf Jahre im Gefängnis

Im Video spricht Ahmet Altan auch über die Kraft der Literatur und über seine Zeit im türkischen Gefängnis. In jenen dunklen Momenten habe ihm die Literatur Trost gespendet.

"Da die Literatur die „Geheimnisse“ des Lebens preisgibt, die uns während unseres Lebens größtenteils nicht bewusst sind, ist sie tiefer als das Leben und realer. Literatur hilft uns, Menschen und ihre Gesellschaften ungeschönt zu sehen und in ihrer wahren Gestalt kennenzulernen. Natürlich kann es auch in literaturinteressierten Gemeinschaften manchmal zu gesellschaftlicher Hysterie kommen. Aber davon können sie sich relativ schnell befreien. Allerdings machen mir Gesellschaften ohne Literatur Sorgen. Für sie ist die Befreiung schwieriger. Literatur hilft nicht nur einer Gesellschaft; Es hilft auch jedem Einzelnen dabei, mit den Problemen umzugehen, mit denen er konfrontiert ist. Ich komme eher von der Seite der Literatur, die „schreibt“, als von der Seite, die „liest“. Und das ist ein Vermögen, das mir das Leben gerettet hat. Ich war fast fünf Jahre im Gefängnis. Das Gefängnis macht nicht so viel Spaß. Ich empfehle es nicht. Dank der Literatur habe ich diese fünf Jahre ohne Schaden und Langeweile verbracht. Ich habe drei Bücher geschrieben. Und diese Bücher führten mich an Orte jenseits der Gefängnismauern, sie machten mich frei. Während die Behörden dachten, ich würde in einer kleinen Zelle hinter dicken Mauern festgehalten, erlebte ich in meinem eigenen Schreiben verschiedene Abenteuer, verliebte mich, lachte und fühlte mich trotz gelegentlicher Trauer glücklich", so Ahmet Altan.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan konnte in der Türkei erneut die Wahl für sich entscheiden. Kritiker seiner Regierung, wie Ahmet Altan, werden immer wieder Opfer stattlicher Verfolgung. | Foto: Symbolbild: Sevgi001461/Pixabay
  • Präsident Recep Tayyip Erdoğan konnte in der Türkei erneut die Wahl für sich entscheiden. Kritiker seiner Regierung, wie Ahmet Altan, werden immer wieder Opfer stattlicher Verfolgung.
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Literatur und Freiheit

Wie der bekannte türkische Schriftsteller erklärt, hat ihm die Literatur sein Leben gerettet. Er hofft, eines Tages, nach Salzburg kommen zu können. "Deshalb bin ich der Literatur mehr dankbar als irgendjemand sonst. Meine Liebe zur Literatur hat meine Seele und mein Leben gerettet", so der Schriftsteller und Journalist.

"Wann immer mich etwas beunruhigt, flüchte ich mich ins Schreiben und in die Literatur. Und ich empfehle Ihnen, dasselbe zu tun und in diesem „heiligen Hafen“ Zuflucht zu suchen. Denn dieser Zufluchtsort wird Ihnen sehr bei der Heilung helfen. Ich wünschte, ich hätte Ihnen das alles hier im Salzburger Literaturhaus persönlich erzählen können. Leider kann ich nicht bei Ihnen sein, da mir die Ausreise aus dem Land nicht gestattet ist. Alle, die heute Abend dabei sind und Literatur und Freiheit lieben, ich umarme euch. Vielleicht treffen wir uns eines Tages."
Ahmet Altan, türkischer Autor und Journalist

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