Interview
"Gemeinden sind die letzten in der Nahrungskette"
Der Präsident des Salzburger Gemeindeverbands, Günther Mitterer, spricht über steigende Ausgaben und stagnierende Ertragsanteile.
SALZBURG. Der Gemeindebund verkündete kürzlich österreichweit gute Ergebnissen im Jahr 2017 (Anmerkung der Redaktion: Ertragsanteile werden rückwirkend berechnet). Trotz steigender Ausgaben (+1,90 Prozent gegenüber 2016) und stagnierenden Ertragsanteilen (+/-0 Prozent gegenüber 2016) haben die Gemeinden die Finanzschulden pro Kopf senken können (von 1.751 Euro 2010 auf 1.587 Euro 2017).
Gemeindeverbandspräsident Günther Mitterer, wie sieht die Situation in Salzburg aus?
GÜNTHER MITTERER: Die Salzburger Gemeinden stehen seit Jahren vor finanziellen Herausforderungen. Die Ausgaben bei Kinderbetreuung, für die Pflichtschulen sowie für Gesundheit und die soziale Wohlfahrt steigen jährlich. Die Ertragsanteile stagnierten im Jahr 2017 hingegen. Von Seiten des Bundes wird sehr stark optimiert. Es zeigt sich immer wieder, dass die Gemeinden die letzten in der Nahrungskette sind. In den entscheidenden Sitzungen müssen wir dafür kämpfen, dass Neues gerecht zwischen Bund, Ländern, Gemeinden aufgeteilt wird.
Können Sie konkrete Zahlen nennen, wofür Salzburgs Gemeinden das meiste Geld ausgeben müssen?
GÜNTHER MITTERER: 2017 haben die Gemeinden im Bezirk St. Johann 22 Millionen Euro für vorschulische Erziehung ausgegeben; der Lungau 15,9 Millionen Euro für Gesundheit und der Pinzgau 32 Millionen Euro für soziale Wohlfahrt und Wohnbauförderung.
Wo fühlen sich die Gemeinden, wie Sie es genannt haben, als letzte in der Nahrungskette?
GÜNTHER MITTERER: Ein Beispiel sind die Folgen aus dem Wegfallen des Pflegeregresses. Der Bund sagt, Länder und Gemeinden würden die Mehrbelastungen ausgeglichen bekommen. Das Land Salzburg hat aber trotzdem Ausgabenssteigerungen im Sozialbereich von 16 Prozent. Diese müssen die Gemeinden stemmen.
Was wollen Sie für Salzburgs Gemeinden aktuell vom Bund?
GÜNTHER MITTERER: Im Bildungssystem braucht es zum Beispiel eine Kompetenzbereinigung. Die Gemeinden sind im Pflichtschulbereich Schulerhalter, das ist klar. Unklar ist aber, was hier unsere konkreten Aufgaben sind. Wir glauben, dass wir nicht dafür zuständig sind, Laptops für jedes Kind zu finanzieren, genauso wenig wie Softwareprogramme für den Unterricht, die Assistenz für den Schuldirektor oder das Personal für die Freizeitbetreuung innerhalb der Nachmittagsbetreuung. Es braucht klare Regeln, damit wir sagen können: das übernehmen wir und das schaffen wir nicht.
Diskussionen um eine neue Steuerreform sind in vollem Gange. Machen diese Salzburgs Gemeinden nervös?
GÜNTHER MITTERER: Ja, das birgt gewisse Unsicherheiten. Man hört zum Beispiel, dass die Kommunalsteuer gesammelt eingezogen und dann an die Gemeinden pro Kopf ausgeschüttet werden könnte. Das wäre ein Problem. Denn wir sind ein Bundesland mit sehr hohen Einnahmen über die Kommunalsteuer im Vergleich zur Steiermark beispielsweise.
Was würde das bedeuten?
GÜNTHER MITTERER: Für Gemeinden, aber auch Bundesländer gesamt, die wenig Betriebe im haben, wäre das positiv, weil sie dadurch Kommunalsteuer beziehen könnten, die sie sonst nicht hätten. Jene Gemeinden und Bundesländer mit vielen Betrieben erhalten dann aber vielleicht weniger Anteile der Kommunalsteuer, obwohl sie diverse Aufgaben für diese Betriebe erfüllen. Damit hätte ich ein massives Problem.
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl sagt, dass drei Viertel des Budgets der österreichischen Gemeinden verplant sind, bevor an eine Voranschlagserstellung gedacht werden kann. Wie schlimm steht es um Salzburgs Orte?
GÜNTHER MITTERER: Das ist keine reine Schwarzmalerei, was ich hier betreibe. Die Ansätze gehen tief und wir brauchen Lösungen dafür. Es ist wichtig, früh genug auf Probleme aufmerksam zu machen und Lösungen zu finden. Denn auch Gemeinden, die durch ihre Lage, ihre geringe Einwohnerzahl, oder ihre Größe benachteiligt sind, sollen die Möglichkeit haben sich, weiterzuentwickeln.
Wie gehen Salzburger Gemeinden mit diesen finanziellen Problemen um?
GÜNTHER MITTERER: Wir finden individuelle Lösungen – das zeichnet unsere Salzburger Gemeinden aus. Während sich St. Johann als Stadt die Müllabfuhr selbstständig regeln kann, müssen Goldegg, Schwarzach und St. Veit zum Beispiel zusammenarbeiten. Hier wird jeder Mülleimer gewogen und so gerecht abgerechnet. Die Salzburger Gemeinden sind in der Zusammenarbeit sehr kreativ und arbeiten wirklich effizient.
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