Schleusung
Prozess gegen Schleuserkriminalität

Nach Schlag gegen europaweit agierende Schleuserorganisation - Staatsanwaltschaft Traunstein erhebt Anklage gegen vier mutmaßliche Bandenmitglieder wegen des Verdachts der Durchführung zahlreicher gewerbsmäßiger Schleusungen, unter anderem mit Todesfolge, sowie wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag, Verabredung zur Anstiftung zum Mord und Geldwäsche

Traunstein. Die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität nach dem „Traunsteiner Modell“ hat nach umfangreichen internationalen Ermittlungen Anklage zum Schwurgericht des Landgerichts Traunstein gegen vier Männer mit syrischer Staatsangehörigkeit im Alter von 28 bis 44 Jahren erhoben. Bei der europaweiten Spezialoperation am 20.11.2024 wurden über 20 Personen in Deutschland und in mehreren anderen europäischen Ländern festgenommen. Die vier Männer, die in Deutschland festgenommen und jetzt angeklagt wurden, befinden sich seit ihrer Festnahme in Untersuchungshaft. Sie sollen als führende Mitglieder eines international agierenden Schleuser-Clans für zahlreiche banden- und gewerbsmäßige Schleusungstaten verantwortlich sein.
Der 35-jährige Angeschuldigte, der als einer der Anführer des Schleuser-Netzwerks gilt, soll zudem eine Schleusung organisiert haben, bei der auf dem Fußweg von Belarus nach Lettland zwei Frauen infolge körperlicher Erschöpfung zu Tode kamen. Diesem Angeschuldigten wird darüber hinaus Anstiftung zum versuchten Totschlag und zur schweren Körperverletzung sowie Verabredung zur Anstiftung zum Mord in zwei Fällen vorgeworfen, wobei an zwei dieser Verabredungen auch der 28-jährige Angeschuldigte mitgewirkt haben soll. Der 35-Jährige und der 28-Jährige sollen außerdem einen bewaffneten Überfall auf den 44-jährigen Angeschuldigten, der als „Hawaladar“ die illegalen Finanztransaktionen des Clans durchgeführt haben soll, organisiert und durchgeführt haben, um von diesem gewaltsam Bargeld zu entwenden.

An der groß angelegten, europaweiten Durchsuchungs- und Festnahmeaktion im November 2024 waren neben Beamten der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft Traunstein auch weitere Behörden sowie Europol und Eurojust beteiligt. Zuvor hatte die Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein zur Bekämpfung der organisierten und grenzüberschreitenden Kriminalität nach dem

„Traunsteiner Modell“ in Zusammenarbeit mit der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München mehr als zwei Jahre gegen den mutmaßlichen Schleuser-Clan ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Traunstein geht in der Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisendem Sachverhalt aus:

Die Angeschuldigten sind Mitglieder eines international agierenden Schleusernetzwerks. Dieses ist für den Großteil der Schleusungen entlang der Balkanroute von Syrien bis nach Deutschland verantwortlich. Das Ziel ist dabei stets, Personen meist syrischer Herkunft vornehmlich ab Serbien über Ungarn und Österreich nach Deutschland und teilweise in benachbarte EU-Länder zu schleusen. Die Schleusungen verlaufen als so genannte Garantieschleusungen, bei denen erst nach Ankunft am Zielort die von den Geschleusten bei einem „Hawaladar“ hinterlegten Gelder freigegeben werden. Im Zeitraum von 2022 bis 2024 erwirtschaftete die Schleuserbande über 3,3 Millionen Euro an Schleuserlohn; von einer wesentlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. Insgesamt wurden mindestens 129 banden- und gewerbsmäßige Schleusungen mit mindestens 797 geschleusten Personen ermittelt. Der 35-jährige Angeschuldigte agierte als einer der Anführer des internationalen Netzwerks in Deutschland. Er gab Schleusungen in Auftrag und organisierte Fahrer und Bezahlung. Auch die beiden 32 und 28 Jahre alten Angeschuldigten organisierten Schleusungen im großen Stil von Deutschland aus. Der 44-jährige Angeschuldigte war hingegen als „Hawaladar“ in Deutschland für die Freigabe der Gelder nach erfolgreichem Abschluss einer Schleusung und die Abwicklung der sonstigen illegalen Finanztransaktionen des Clans zuständig.

Die Angeschuldigten schlossen sich spätestens Mitte Mai 2022 zu dieser Schleuserorganisation zusammen, um planmäßig und zur Erzielung von erheblichen Einkünften Garantieschleusungen gegen Zahlung von ca. 4.500 bis zu 12.000 Euro pro geschleuster Person durchzuführen. Bei einem Teil dieser Schleusungen wurden mehrere Personen auf den Ladeflächen des Schleuserfahrzeugs transportiert, sodass es ihnen nicht möglich war, sich zu setzen und anzuschnallen. Im Falle einer Vollbremsung oder eines Unfalls hätten sie zumindest lebensgefährliche Verletzungen erlitten.

Der 35-jährige Anführer organisierte mehr als 40 Schleusungen, darunter sechs Taten, bei denen für die Geschleusten Lebensgefahr bestand. Bei einer weiteren Schleusung, für die der 35-Jährige verantwortlich ist, sind im April 2023 auf dem geplanten Abschnitt der Route von Belarus nach Lettland, den die geschleusten Personen fußläufig zurücklegen mussten, zwei damals 31 und 39 Jahre alte Schwestern mit syrischer Staatsangehörigkeit infolge der durch die Schleusung verursachten völligen körperlichen Erschöpfung zu Tode gekommen.

Das 32-jährige Bandenmitglied organisierte mehr als 60 Schleusungen, wobei in zwei Fällen Lebensgefahr für die geschleusten Personen bestand.

Der 44 Jahre alte Angeschuldigte finanzierte als „Hawaladar“ nicht nur zwei Schleusungstaten, darunter eine gefährliche, sondern beging in seiner Funktion als Verantwortlicher für das Finanzsystem innerhalb des Schleuser-Clans 739 Straftaten der gewerbsmäßigen Geldwäsche, wobei er jeweils auch den Straftatbestand nach Paragraph 63 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes über die

Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz - ZAG) verwirklichte. Er transferierte Gelder, die von seinen Kunden mehrheitlich durch Schleusungskriminalität erwirtschaftet wurden und in der Folge meist der Finanzierung weiterer Schleusungen dienten. Dem Hawala-System entsprechend erfolgten all diese Transaktionen am offiziellen Bankensystem vorbei, um diese Gelder zu verschleiern. Gegen Provision organisierte er außerhalb des regulären und staatlich kontrollierten Finanzsystems den Transfer von Geld aus Deutschland nach Syrien sowie in andere Länder. Dabei übergaben „Einzahler“, die Geld an Empfänger transferieren wollten, Bargeld an den Angeschuldigten. Die eingezahlten Gelder wurden hier gesammelt und in diversen Hawala-Apps verbucht. Zusätzlich nahm der Angeschuldigte Buchungen in den Hawala-Börsen von Einzahlern an und verbuchte diese virtuell auf andere Konten innerhalb dieses Systems. Gerade die Gelder, die er innerhalb der Hawala-Börsen entgegennahm, rührten aus rechtswidrigen Vortaten, insbesondere Schleusungsstraftaten, her. Auf diese Weise transferierte der 44-Jährige von 2022 bis 2024 über 150.000 Euro und zahlte über drei Hawala-Börsen über 2,9 Millionen Euro an verschiedene Empfänger aus.

Der 28-jährige Angeschuldigte organisierte als Bandenmitglied eine Schleusungstat, bei der das Leben der geschleusten Personen gefährdet wurde. Er beging jedoch gemeinsam mit dem 35-jährigen Anführer des Clans in Deutschland mehrere weitere schwere Straftaten:

Der 35-jährige Angeschuldigte gab über die ihm vorgeworfenen Schleusungstaten hinaus die Tötung von drei Personen in „Auftrag“. Bei den Opfern handelt es sich um seine Ex-Ehefrau, die in der Türkei wohnhaft ist, deren Vater, der in Syrien lebt, und deren neuen Ehemann, der sich derzeit in Deutschland aufhält. Diese Aufträge waren dadurch motiviert, dass der Angeschuldigte nach seiner Vorstellung seine Ex-Ehefrau bei deren Vater „gekauft und bezahlt“ hat. Durch das Scheitern der Ehe fühlte er sich um das damals bezahlte „Brautgeld“ betrogen. Für die aus seiner Sicht damit einhergehende Ehrverletzung wollte er sich rächen und sein Geld zurückerhalten. Deshalb beauftragte er spätestens Mitte März 2023 vier unbekannte Täter damit, den Vater seiner Ex-Ehefrau in Syrien mittels Schusswaffeneinsatz zu töten. Die vier unbekannten Täter schossen dem Geschädigten spätestens Mitte März 2023 mehrfach in die Brust. Hierdurch wurde er lebensgefährlich verletzt, sodass er in der Folge in einem Krankenhaus in Syrien auf der Intensivstation lag. Einer der Schüsse durchdrang dessen Rückenmark und verursachte eine Lähmung.

Mit dem Ziel der Tötung seiner in der Türkei lebenden Ex-Ehefrau kontaktierte der 35-Jährige im September 2023 den 28-jährigen Angeschuldigten, der über entsprechende Kontakte in die Türkei verfügte. Sie einigten sich darauf, gemeinsam einen Täter anzustiften, der die Geschädigte mittels eines Schusses oder eines Unfalls beseitigen und dafür deren Vermögen erhalten sollte. Der 28-Jährige gab den Auftrag an „seine Leute“ in der Türkei weiter. Ende Dezember 2023 kontaktierte der 35-Jährige zudem einen weiteren - bisher nicht identifizierten - Mann, um mit diesem gemeinschaftlich einen Täter anzustiften, der der Geschädigten für einen Lohn von 100.000 Euro die Knochen brechen und diese vergewaltigen sollte. Auch dieser Mann willigte in die Pläne ein. Zur Ausführung der geplanten Taten kam es jedoch nicht.

Ende Februar 2024 kontaktierte der 35-jährige Angeschuldigte wiederum den bisher nicht identifizierten Mann, um nun gegen den jetzigen Ehemann seiner Ex-
Ehefrau, der sich in Deutschland aufhielt, vorzugehen. Sie beschlossen, gemeinsam einen Täter zu suchen, der den Geschädigten zusammenschlägt und erforderlichenfalls tötet. Als Entlohnung sollte der anzustiftende Täter dann die circa 70.000 Euro erhalten, die sie beim Geschädigten vermuteten. Nur wenige Tage später wandte sich der 35-Jährige zusätzlich an den 28-jährigen Angeschuldigten. Sie kamen überein, dass sie gemeinsam einen Täter suchen werden, der den Geschädigten so zusammenschlagen soll, dass „es dem Tod gleich ist“. Auch dieser Täter sollte mit circa 70.000 Euro des Geschädigten bezahlt werden. Zur Umsetzung dieser Tatpläne kam es nicht, da sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufgedeckt und Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.

Ende August 2024 vereinbarten der 35-jährige und der 28-jährige Angeschuldigte den 44-jährigen „Hawaladar“ des Schleuser-Netzwerks in einen Hinterhalt in dessen Gartenlaube zu locken, ihn dort zu schlagen und zu fesseln, ihm dabei den Autoschlüssel zu entwenden und das in dessen Fahrzeug vermutete Bargeld in Höhe von 400.000 Euro zu entwenden und sich damit abzusetzen. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan rekrutierte der 28-Jährige vier Mittäter. Das erbeutete Geld sollte zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden. Anfang September 2024 wurde der geschädigte „Hawaladar“ in seiner Gartenlaube in Hannover vom 28-jährigen Angeschuldigten und den vier angeworbenen Mittätern überfallen und gefesselt. Sie bedrohten den Geschädigten mit einer Gasschreckschusspistole, einem Küchenmesser sowie einem Reizstoffsprühgerät, um diesen dazu zu bringen, dass dieser seinen Autoschlüssel aushändigt, um das dort vermutete Bargeld in Höhe von 400.000 Euro an sich nehmen zu können. Nach mehrfacher Gewaltanwendung übergab der Geschädigte schließlich dem 28-jährigen Angeschuldigten seinen Autoschlüssel. Dieser nahm nach Durchsuchung des Wagens 5.000 Euro an sich, die er in der Mittelkonsole fand.

Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und damit über die mögliche Terminierung einer Hauptverhandlung hat das Landgericht Traunstein - Schwurgericht - zu entscheiden. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für die Angeschuldigten die Unschuldsvermutung.

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