„Erbbiologisch minderwertig“

Die 13. Jahrestagung der Österr. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, die Ende April im Toscana Congress in Gmunden abgehalten wurde, stand unter dem Motto „Drinnen und Draußen“. Ein plakatives Tagungsthema, das schon im Titel auf mögliche Konfliktpotentiale schließen ließ. Einer der Höhepunkte dieses Psychiater-Kongresses war die Gedenkveranstaltung „Psychiatrie im Nationalsozialismus“, wo der berühmte ehemalige Chirurg, Autor und jetzige Pflegeombudsmann Werner Vogt (75) mit Friedrich Zawrel (84), einem Überlebenden des NS-Euthanasieprogrammes sprach. Friedrich Zawrel wurde als Kind in der Zeit des Nationalsozialismus in eine Erziehungsanstalt eingewiesen und war auch in jenem Pavillon im Steinhof interniert, wo medizinische Versuche an vielen Kindern vorgenommen wurden. Dort war er u. a. auch dem Arzt Heinrich Gross ausgeliefert. In der Krankenanstalt Spiegelgrund wurden ungefähr 7.500 Patienten, davon etwa 800 Kinder, ermordet. In erschütternden Worten berichtete Zawrel aus seiner Kindheit: „Die Nazis drahn alle Depperten ham . . . ich fühlte mich nicht als deppert, also hatte ich auch keine Angst . . . ein großer Irrtum!“ Fritzi Zawrel durfte nicht einmal der Hitlerjugend beitreten, weil seine Familie als „nicht mehr förderungswürdig“ galt. Am „Spiegelgrund“ wurde er von Dr. Gross vom Schulunterricht ausgeschlossen, der kleine Fritzi war es nicht mehr wert, unterrichtet zu werden. Friedrich Zawrel gelang die Flucht, bald aber wurde er wieder geschnappt – Ziel: Pavillon 17. „Das war die Hölle! In meiner leeren Zelle sah ich nicht mehr, ob der Himmel blau oder grau war. Ich fragte den Herrn Pfleger, warum ich Tabletten nehmen müsse, wo ich doch nicht krank sei.“ Zur Tür kamen zwei bärenstarke Männer herein, die ihm den Mund aufrissen, ihn mit Tabletten vollstopften und sagten: „Du wirst jeden Tag den Herrn Pfleger um die Medikamente bitten, damit Du wieder gesund wirst!“ „Einmal“, so erinnert sich Friedrich Zawrel, „musste ich mich als Zwölfjähriger vor einer Klasse von Krankenschwestern-Schülerinnen splitternackt auf den Tisch legen, ein Arzt erklärte den Schülerinnen mit dem Zeigestab, welche Teile an meinem Körper erbbiologisch minderwertig seien . . . das Gelächter der Mädchen habe ich bis heute nicht vergessen!“

Friedrich Zawrel überlebte die NS-Psychiatrie und wurde in die Justizanstalt Stein überstellt. Dort begegnete er in den 1970er-Jahren erneut Heinrich Gross, als dieser - nun als meistbeschäftigter Gerichtsgutachter in Wien - ihn psychiatrisch begutachten sollte. Zawrel erkannte den Arzt wieder, der für sein Gutachten sogar die Krankenakte aus dem „Spiegelgrund“ benutzte. Es fiel vernichtend aus, weil Groß den unliebsamen Zeugen unglaubwürdig machen und zum Schweigen bringen wollte. Jedoch die Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin, insbesondere der Mediziner Werner Vogt, der in der Folge von Gross wegen Ehrenbeleidigung verklagt wurde, leistete Wesentliches, um Zawrel zu rehabilitieren. Im Prozess gegen Werner Vogt unterlag NS-Arzt Heinrich Gross, der mittlerweile schon verstorben ist.

Werner Vogt im Gespräch mit der BezirksRundschau: „Herr Zawrel ist ein außerordentlich gebildeter Mann, der sich sein Wissen selbst in der Haftanstalt Stein beigebracht hat – ein Wunder, dass er bei allem Schrecklichen, was er erlebt hat, nicht psychot wurde.“
Heute ist Friedrich Zawrel, Träger der Goldenen Verdienstzeichens der Stadt Wien, ein gesuchter Vortragsgast in vielen Schulen. Am 15. Mai wird Friedrich Zawrel mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. „Schade, dass Heinrich Gross das nicht mehr erleben kann“, so Friedrich Zawrel bei seinem Besuch in Gmunden, „am Ende bekomme ich sogar noch ein gekröntes Haupt!“

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