Interview mit Jugendcoach
"Wichtig ist es, Schülern Druck zu nehmen"

Der Peuerbacher Stefan Griesinger vom Berufsförderinstitut (BFI) Oberösterreich ist seit Oktober 2021 im Auftrag des Sozialministeriums als Jugendcoach an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) im Bezirk Schärding und Grieskirchen tätig. | Foto: Griesinger
  • Der Peuerbacher Stefan Griesinger vom Berufsförderinstitut (BFI) Oberösterreich ist seit Oktober 2021 im Auftrag des Sozialministeriums als Jugendcoach an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) im Bezirk Schärding und Grieskirchen tätig.
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Laut Jugendcoach Stefan Griesinger überfordern Lern- und Leistungsdruck derzeit viele Jugendliche. Da entlastende Aktivitäten fehlen, sind mitunter Depressionen die Folge.    

BEZIRK SCHÄRDING. Stefan Griesinger vom Berufsförderinstitut (BFI) Oberösterreich ist im Auftrag des Sozialministeriums als Jugendcoach an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) im Bezirk Schärding und Grieskirchen tätig. Im Interview erzählt er, was jugendliche Schüler derzeit besonders fordert, was Eltern und Schulen unterstützend tun können und wieso die Devise "weg vom Gas" heißen muss.

Sie sind Jugendcoach. Wo sind sie als solcher im Einsatz?
Griesinger: Jugendcoaching wird seit 2013 an jeder Schule angeboten. Unabhängig vom Schultyp steht es jeder und jedem Jugendlichen ab dem 9. Schulbesuchsjahr zur Verfügung. Dabei ist immer das Ziel, für die Jugendlichen da zu sein und damit den Ausbildungsweg abzusichern und Ausgrenzung zu verhindern. Ich bin am 1. Oktober 2021 als Coach eingestiegen und darf Jugendliche in allen Gymnasien inklusive BORG, allen Fachschulen inklusive den Landwirtschaftlichen Fachschulen und allen Höheren Schulen wie etwa HTL und HAK in den Bezirken Schärding und Grieskirchen unterstützen.

Und wie funktioniert das in den Schulen?  
Coachinggespräche können in den Schulen stattfinden, soweit seitens der Schulleitung ein Beratungsraum bereitgestellt wird. Ist das nicht möglich, können die Jugendlichen nach Terminvereinbarung zu mir nach Grieskirchen in die Trattnacharkade oder nach Schärding in die Arbeiterkammer kommen, da stehen mir Beratungsräume zur Verfügung. Wenn es die Schulleitungen bzw. Lehrerinnen und Lehrer erlauben, können die Schülerinnen und Schüler in den Schulen auch während des Unterrichts zu mir kommen.

Was heißt Jugendcoaching konkret? Was bieten Sie Schülerinnen und Schülern, die zu Ihnen kommen?
Das Ziel von Jugendcoaching ist, einen Ausbildungsabbruch zu verhindern und Unterstützung anzubieten, um die Schule zu schaffen. Wenn es aber der Wunsch der Jugendlichen beziehungsweise ein Ausbildungswechsel unumgänglich ist, begleitet der Jugendcoach den Ausbildungswechsel, etwa in eine Lehre. Anders gesagt, wenn man nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll und einem alles über den Kopf wächst, ist es höchste Zeit einen Termin mit dem Jugendcoach zu vereinbaren, um wieder ruhig schlafen zu können und Klarheit für die nächsten Schritte zu bekommen. Ich biete Vertrauen und eine verlässliche Beziehung, viel Erfahrung und die Gewissheit gemeinsam Lösungen für Fragen und Ängste zu finden.

Hat sich der Bedarf an Jugendcoaching an den Schulen seit Beginn der Corona-Pandemie erhöht? 
Da ich erst seit Herbst 2021 als Jugendcoach arbeite, muss ich mich hier auf die Erfahrungen und Erzählungen meiner Kolleginnen und Kollegen beziehen. Demnach hat sich sowohl der Bedarf erhöht, also auch die Themenschwerpunkte verändert. In den Zeiten der Lockdowns war es für viele Schülerinnen und Schüler sicher schwerer, einen Weg ins Jugendcoaching zu finden, obwohl auch Online-Beratung angeboten wurde.

Mit welchen Problemen kommen Jugendlichen an den Schulen aktuell zu Ihnen? Und was fordert die Jugend derzeit besonders?
Mit dem Distanzlernen zurecht zu kommen, gehört sicher zu den größten Herausforderungen. Der Lern- und Leistungsdruck wird intensiver wahrgenommen, und diese Anforderungen zeitlich unter einem Hut zu bringen, überfordert viele Jugendliche. Andererseits fehlen den Jugendlichen entlastende Aktivitäten und die Zeit mit Freundinnen und Freunden abzuhängen. Rückzug und depressive Verhaltensweisen sind die Folge. Leider kommen dann oft auch noch familiäre Krisen dazu, und dann wird es wirklich eng. Die Balance zwischen Herausforderungen und Ressourcen ist oft nicht mehr gegeben.

Gibt’s da regionale Unterschiede?
Regionale Unterschiede kann ich keine wahrnehmen, es sind alle Lehrerinnen und Lehrer und die Direktorinnen und Direktoren sehr engagiert keine Schülerinnen und Schüler zu verlieren. Jugendliche, die viele Freunde haben und bei denen die Familie unterstützend wirken kann, haben es sicher leichter mit den Belastungen und dieser Situation zurecht zu kommen. Sollten dieses soziale Netzwerk einmal nicht zugänglich sein, springt der Jugendcoach ein. Kein Thema ist bei mir tabu, und ich nehme mir ausreichend Zeit.

Kommen eher Burschen oder Mädchen zum Coaching? 
Das Geschlechterverhältnis ist meist ausgewogen. Unsere besondere Aufmerksamkeit ist auf jene Schülerinnen und Schüler gerichtet, die gerade die Schule gewechselt haben. Da überlagern sich oft die Herausforderungen. Auffallend ist, dass sich oft Jugendliche über ihre Mitschülerinnen und Mitschüler große Sorgen machen und damit zum Jugendcoach kommen. Das kommt vor, wenn das soziale Verantwortungsgefühl und die Klassengemeinschaft funktionieren. Ich finden das super und unterstütze solche Aktivitäten gerne. Mein Ziel ist es, möglichst bald mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen, um Kontakthürden bei Krisen abzubauen. Wir haben dafür ein paar Angebote, wie die Erstgespräche oder den Stop-Dropout-Fragebogen, die wir abgestimmt mit den Schulen anbieten.

Was raten Sie Jugendlichen dann bei den Beratungsterminen?
Es geht im Coaching nicht um Ratschläge. Wir hören zuerst einmal zu und wollen gemeinsam einen Weg finden, um wieder den schulischen Vorgaben folgen zu können beziehungsweise einen passenden Ausbildungsweg zu finden. Es geht oft darum, die individuell passende Zeitstruktur, Lernplan und Lernrhythmus zu entwickeln. Es gibt auch kein Patentrezept für persönliche Krisen. Wir bieten eine stabile, verlässliche Beziehung an und suchen gemeinsam bei Bedarf Wege zu Expertinnen und Experten, wenn erforderlich. Den Beratungsansatz nennt man Casemanagement.

Was brauchen Jugendlichen, Ihres Erachtens, in der aktuellen Situation besonders?
Einfach gesagt: "weg vom Gas" – soll heißen, den Druck herausnehmen und Sicherheit geben. Jugendliche müssen sich eine verlässliche Gesprächspartnerin oder einen verlässlichen Gesprächspartner wählen können. Beim Jugendcoach können sich die Schülerinnen und Schüler sicher fühlen. Die Gespräche sind vertraulich und niemand erfährt, was besprochen oder vereinbart wurde.

Was können Schulen tun, um zu helfen? Was Eltern?
Wie schon gesagt, Zeit nehmen, zuhören, in Alternativen denken. Hört sich einfach an, ist es aber oft nicht. Darum: Ehestmöglich den Weg zum Jugendcoach einschlagen. Lehrerinnen und Lehrer können und sollen Schülerinnen und Schüler empfehlen zum Jugendcoach zu gehen. Eltern können ein Coaching ebenfalls empfehlen und auch mitkommen. Wichtig ist aber, dass die Jugendlichen wollen – Jugendcoaching ist ja freiwillig.

Was ist Ihnen beim Coaching besonders wichtig?
Dass jede und jeder Jugendliche, wenn er oder sie nur den Gedanken hat, die Schule abzubrechen oder sich abzumelden, zu mir kommt. 

Wo gibt's nähere Infos zum Jugendcoaching?
Näheres zum Jugendcoaching gibt es auch auf der NEBA-Homepage www.neba.at/ und auf der Homepage des BFI www.bfi-ooe.at/jugendcoaching . Am besten ist es aber, mich anzurufen unter der Telefonnummer +43/664/8870 6816 oder via Mail zu kontaktieren:  Stefan.Griesinger@bfi-ooe.at. Ich freue mich!

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