"Werde keinen Ton auslassen"

"Werde keinen Ton auslassen" - Hellmuth Drewes im Gespräch mit WOCHE-Redakteurin Verena Niedermüller
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SPITTAL (ven). WOCHE: Wie sind Sie aufgewachsen?
DREWES: Ich bin in Spittal geboren, mein Vater war evangelischer Pfarrer in Unterhaus. Meine Eltern sind keine Kärntner, sondern mein Vater stammt aus Wien und ist in Znaim aufgewachsen. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Cilli, im jetzigen Slowenien. Meine Mutter war aus Znaim. 1932 ist mein Vater als Pfarrer nach Unterhaus gekommen. Meine älteren Geschwister kamen mit, ich bin hier geboren. Ich bin in Treffling in die Volksschule gegangen, in Spittal Gymnasium, habe dort maturiert. Eigentlich wollte ich dann nach Leoben gehen und eine Ausbildung im Hüttenbau absolvieren, aber mein Bruder war Epileptiker und das hat meinen Eltern sehr viel Geld gekostet. Also habe ich mich für ein schnelles Studium entschlossen. Das hat insofern gepasst, als dass ich damals schon mit der Musik in Berührung war. Im Februar 1955 habe ich nach dem Studium meinen ersten Lehrerposten in Pusarnitz gehabt. Später kam ich dann nach Spittal.

Sie haben bereits früh angefangen, musikalisch zu arbeiten..
In Unterhaus gab es - im Gegensatz zu jetzt - unglaublich viele junge Menschen. Ein Lehrer kam dort rauf und fragte, was wir in der Freizeit so machen. Ich habe damals viel gesungen und er meinte, wir sollten doch eine Dorfgemeinschaft machen. Er fuhr mit mir zu einem Kurs an den Thurnersee. Dort traf ich einen Schulfreund, Günther Mittergradnegger, der den Kurs abhielt. Er leitete den Madrigalchor in Klagenfurt. Damals war ich erst 16 Jahre alt und hab dann in Unterhaus einen Chor mit ungefähr 30 jungen Leuten geleitet.

Wäre das Pfarreramt für Sie jemals in Betracht gekommen?
Nein, nie. Mein Vater hat es mit Leidenschaft gemacht, aber für mich wär es nie etwas gewesen.

1983 wurden Sie Bürgermeister..
Es war einer von vielen Abschieden. Der erste war eben der von der Schule und der zweite war wesentlich leichter, vom Bürgermeisteramt. Ich hab es sehr gern gemacht, aber da habe ich sechs Jahre vorher gewusst, dass ich es nur bis 1997 machen werde. Es gab auch ein paar unangenehme Situationen mit der Nachfolge, die bereits in den Startlöchern scharrte. Schwer gefallen ist mir der Abschied vom Singkreis. 1956 habe ich ihn gegründet und 50 Jahre lang geleitet. Es war immer mein Plan, dann aufzuhören, wenn ich das Gefühl hatte, ich könntes es noch. Gerade im Chorwesen passiert es immer wieder, dass die Sänger sagen "Hört er noch gut?" oder "Wann wird er denn aufhören?"
1964 erfolgte dann die Gründung des Chorbewerbes. Der Abschied war nicht so schlimm, denn ich werde auch in Zukunft, so lange ich kann, keinen Ton auslassen.

Sie waren auch Präsident der Komödienspiele..
Ja 24 Jahre lang. Als Präsident arbeite ich noch ein bisschen im Heimatmuseum mit.

Man könnte also sagen, Sie gehören in Spittal zum Inventar?
Ja schon ein bisschen (lacht). Ich hätte Möglichkeiten gehabt, wegzugehen, da ich auch in Klagenfurt zum Rundfunk gehen hätte können. Ich habe lange mit meiner Frau diskutiert und meine Kinder waren schon auf der Welt, aber wir haben uns entschieden hier zu bleiben.

Wie sind sie in die Politik gekommen?
Das war eigenartig. Das Kulturelle hat dazu beigetragen. Ich war immer Sozialdemokrat, aber nie ein "Sozi". Habe nie Fanatismus in diese Richtung gekannt. Bürgermeister Hatz hat mich gefragt, ob ich nicht in den Gemeinderat wolle. 1973 bin ich dann in den Gemeinderat gekommen und 1978 ist der Kulturreferent Robert Jannach gestorben. Zwei Wochen später fand ich mich im Stadtrat für Kultur, Jugend und Sport wieder. 1983 ist mein Vorgänger Franz Jamnig zurückgetreten und man hat mich auserkoren, Bürgermeister zu werden. Damals gab es noch keine Direktwahl, sondern der Gemeinderat hat den Bürgermeister gewählt. Es musste aus dem Kreis der Gemeinderäte sein. Erst 1991 gab es die Bürgermeister-Direktwahl.

Sie waren lange Zeit Lehrer und Direktor der Hauptschule Spittal. Was halten Sie vom derzeitigen Schulsystem wie NMS und Zentralmatura?
Die NMS ist sicher eine gute Idee. Ich glaube nur, dass so manches am Beginn nicht ausgereift war. Wahrscheinlich ist es aber notwendig, etwas anzufangen und zu versuchen und aus den Fehlern zu lernen und so denke ich, hat sie in vielen Bereichen ihre Berechtigung.
Zur Zentralmatura: Leitende Bereiche im Ministerium haben anfangs versagt. Aber dadurch lässt sich ein Gymnasium von Linz mit einem aus Klagenfurt vergleichen. Man wird auch besser auf ein zukünftiges Studium vorbereitet. Bin beeindruckt, wie gut es sein kann, wenn man vorbereitet ist.

Wie sind Sie zur Musik und zum Chorgeschehen gekommen?
Ich habe gewusst, dass mein Vater ein guter Musiker ist. Er konnte mir nicht helfen, denn Geige hat mich nicht interessiert, Musikschule gab es zu der Zeit noch keine. Mit zwölf, 13 Jahren habe ich bei einer Lehrerin in Treffling Harmonium gelernt und mich selbst mit Noten beschäftigt. Ein Trefflinger Lehrer hat mir die ersten Griffe auf der Gitarre beigebracht. Dann kam das Singen in kleinen Gruppen und mit dem Chor. Im Gymnasium hat sich musiktechnisch gar nichts getan. Danach war ich im Konservatorium in Klagenfurt. Dort habe ich auch angefangen, bisschen was zu schreiben. Einer meiner Kollegen war Jürgen Bockelmann. Ich habe natürlich seinen Werdegang mit Interesse verfolgt. Er spielte Klavier, ich Klavier und Gitarre. Er hatte damals schon eine Jazzband und hat mich mal zu einem Konzert eingeladen. Leider ist der Kontakt irgendwann abgebrochen.

Sie haben Unmengen an Liedern komponiert. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration dazu?
Ich habe von Josef Hopfgartner Texte bekommen. Daraus wurde ein Zyklus, dann die Kärntner Messe, die erste Mundart-Messe in Kärnten überhaupt. Ich habe relativ viel Liedsätze von alten Kärntnerliedern und österreichischen Volksliedern gemacht, darunter auch sehr viel Weihnachtliches. Es schaut aus, als ob es viel wäre, aber es sind ja 40, 50 Jahre dahinter. Oft passierte Monate lang überhaupt nichts. Ich habe auch von Kärntner Dichtern das eine oder andere vertont. Natürlich fällt einem hier und da etwas ein, aber dann muss man einfach dran arbeiten.

Sie haben die Leitung des Singkreis Porcia 2006 an Bernhard Wolfsgruber abgegeben. Nun auch die künstlerische Leitung des Internationalen Chorbewerbs. Wurde es nun Zeit?
Ja. Bernhard hat sich eingelebt und sich im Singkreis etabliert. Er hat auch die Chorleiterausbildung bei unserem Schwiegersohn im Konservatorium in Graz gemacht. Es war mir wichtig, dass mein Nachfolger Kärntner Wurzeln hat. Er hat sein Probejahr in Spittal am Gymnasium bekommen und als Betreuer auch Singkreismitglied Günter Aiglsberger. Am Ende des Adventkonzertes 2006 habe ich ihm die Leitung übergeben.

Hat sich Ihre Tochter auch einen gleich musikalischen Mann gesucht, wie ihr Vater ist?
Das war Zufall. Sie hat Musik studiert und ihn dort kennengelernt.

Sie haben die Musikalität an Ihre Kinder weitergegeben..
Ja, unser Sohn hört auch unglaublich gut. Er war 15 Jahre lang Obmann von "Chorus sine nomine" in Wien.

Sing Ihre Frau auch?
Meine Frau war Solistin beim Madrigal-Chor. Eine besondere Sängerin.

Ich stelle mir nun vor, dass bei Ihnen zu Weihnachten die gesamte Familie singend unterm Weihnachtsbaum steht..
Nein. Wenn man das ganze Jahr über mit dem Singen zu tun hat, dann muss man nicht unbedingt. Das haben wir nie getan (lacht). Sicher mal ein "Stille Nacht", aber sonst nichts. Vor allem die Kinder wollten nicht (lacht). Ich sehe es noch vor mir: Die Mutter meiner Frau wollte das immer, mein Sohn drehte die Augen über, ich auch (lacht).

Sie waren viele Jahre Vorstandsmitglied im Verein Komödienspiele Porcia, auch lange als Präsident. Wie viele Stücke haben Sie sich heuer bereits angesehen? Welches hat Ihnen besonders gefallen?
Ich habe die drei Hauptstücke gesehen, das Stück im Theaterwagen, am besten haben mir die "Acht Frauen" gefallen. "Kunst" werden wir uns noch ansehen und meine Frau wird sich noch den "Kleinen Prinz" ansehen.

Wenn Sie an Ihre Amtszeit als Bürgermeister von Spittal denken, die von 1983 bis 1997 dauerte, welches Erlebnis blieb Ihnen hier besonders im Gedächtnis?
Im wirtschaftlichen Bereich vor allem der Aufstieg der Firma Gabor, so traurig es heute auch klingt. Sie wurde immer größer. Dann die Entscheidung der Oberkärntner Molkerei, nach Spittal zu gehen. Das waren sicher die beiden größten und wichtigsten Dinge. Die Renovierung vom Schloss außen und innen. Wir hatten auch eine Färbelungsaktion. Jeder, der sein Haus renoviert hat, bekam Förderungen. Wenn es denkmalgeschützt war, das doppelte. Damals wurde auch das Schloss Rothenthurn renoviert. Da waren die Handwerker gut ausgelastet. War damals finanziell möglich, heute ginge das nicht mehr.
Positiv war auch der Kampf gegen die Draustufe. Landeshautpmann Wager wollte die Drau aufstauen. Bei der Brücke nach Amlach wäre eine Mauer in der Höhe von Bäumen hingekommen. Nur noch der Gemeinderat Spittal hat dies verhindern können. Es gab eine Initiative, die dagegen gekämpft hat, der ich mich auch angeschlossen habe. Im Gemeinderat haben wir einen einstimmigen Beschluss dagegen gefasst und ich bin auch sehr angefeindet worden.
Menschlich hat es auch einige Dinge gegeben. Es gehört dazu, dass einem in einer Funktion Dinge besser und weniger gut gelingen. Fehler darf man machen, nur muss man daraus lernen.

Wie zufrieden waren Sie mit ihrem Nachfolger Gerhard Köfer?
Zu diesem Thema möchte ich überhaupt nichts sagen. Da sind so viele Dinge passiert, die zu den menschlichen Enttäuschungen dazu gehören.

Wenn Sie an die derzeitige Stadtregierung denken, welche Adjektive fallen Ihnen dazu ein?
Ich kann es nur von zwei Personen sagen. Ich sehe, dass sich mein Nachnachfolger sehr bemüht, engagiert und interessiert ist. Und der jetzige Kulturreferent Franz Eder ist sehr bemüht und identifiziert sich mit den Dingen, die in Spittal passieren. Er kämpft auch, dass sie weiterbestehen. Das war auch meine Philosophie. Es gibt Menschen, die nicht nur sagen, sie haben eine Funktion, sondern wirklich versuchen, zu funktionieren. Die restliche Stadtregierung kenne ich nicht gut genug.

Was würden Sie anders machen?
Das ist wie die Muppet-Show. Die zwei alten Herren am Balkon (lacht). Ich möchte nicht zu denen gehören, die am Balkon sitzen. Ich habe eine Freundesrunde, die kreuz und quer durch den politischen Gemüsegarten geht. Da haben wir oft einen Spaß und stänkern uns gegenseitig an (lacht).

Welches Buch lesen Sie gerade?
Derzeit lese ich Bücher, die ich noch nie gelesen habe. Einerseits die "Göttliche Komödie". Bei den Prüfungen redet man drüber und habe es selbst aber nie gelesen (lacht). Und dann noch "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus. Und "Das Geisterschiff" von Egyd Gstättner.

Was ist für Sie Luxus?
Leben in Gesundheit. Das ist es eigentlich schon.

Haben Sie ein Rezept für eine glückliche Ehe?
Ja bei uns muss es ganz gut gehen. Ein wichtiger Tipp ist, nicht immer glauben, Recht zu haben. Was auch ganz wichtig ist: Man darf nicht aufeinander kleben. Ich rede meiner Frau zu, sie soll sich doch mit ihren Freundinnen treffen. Ich tu das mit meinen Freunden auch. Es gibt eine Radlrunde, eine Runde, mit der jährlich eine Schiffsreise mache. Freundschaften muss man pflegen. Auch wenn es beruflich oft nicht leicht ist, aber ein gscheider Mann nutzt diese Gelegenheiten.

Meine letzten Worte sollen sein:
Schön wars.

Zur Person:

Name: Hellmuth Drewes
Geburtstag: 25. Jänner 1934
Familie: Verheiratet mit Gerlinde seit 1958, zwei Kinder (Walter, geb. 1962, Barbara, geb. 1965), von sonstingen Kindern weiß ich nichts ;-)
Beruf: Hauptschullehrer in Deutsch, Englisch und Musik, später Hauptschuldirektor. Bürgermeister von 1983 bis 1997 - manche glauben, es ist eine Berufung, aber damit geben sie nur an (schmunzelt)
Werdegang: Volksschule in Treffling, Gymnasium in Spittal, Lehrerausbildung, Hauptschuldirektor, 1956 Gründung des Singkeises Porcia
Politischer Werdegang:
Hobbies: Lesen, Radfahren, Schwimmen, meine Frau
Vorbilder: Mein väterlicher Freund und Lehrer Günther Mittergradnegger. Er hat mir ganz viel bedeutet. Natürlich auch mein Vater, der ein exzellenter Musiker war. Er war ein guter Geiger und im Ersten Weltkrieg Militärtrompeter. Er hat Medizin und Theologie studiert.
Lieblingsspeise: Lamm in jeder Form und zum Frühstück gern einen Sterz
Lieblingsplatz: Da gibt es zwei. Einer in Unterhaus, wo ich aufgewachsen bin. Da gab es aus meinem Zimmer einen Blick vom Tschiernoch übern Mirnock, MIttagskogel, Goldeck bis hin zum Dobratsch. Oben am Turm von der Burg Sommeregg hat man einen 360-Grad-Blick. Der zweite ist das Schloss. Wobei ich nicht ganz glücklich bin über das, was sich nun hier getan hat.
Lebensmotto: Jeden Tag genießen, aber nicht, weil ich in Pension bin, sondern vor allem auch dann, wenn besonders viel zu tun ist.

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