Schule, Geschichte
"Die lebendige Bibliothek" geht in die nächste Runde
Vergangene Woche startete die diesjährige "Die lebendige Bibliothek", ein Format der Theatervermittlung im Rahmen des Erinnerungsbüros, mit einer Auftaktveranstaltung in den Klassen 4 a und 4 b in der MS Dr. Theodor Körner, St. Georgen am Steinfeld und mit dem Klassenzimmerstück „Name: Sophie Scholl“ Landestheaterensemblemitglied Bettina Kerl.
ST. PÖLTEN (pa). Das partizipative Schulprojekt "Die lebendige Bibliothek" ist ein Beitrag zum Thema Erinnerungskultur und ein Teil der Programmschiene Erinnerungsbüro des Landestheaters Niederösterreich und findet in der Spielzeit 22/23 bereits zum dritten Mal statt.
Suche nach Geschichte
Immer mehr Zeitzeugen, die vom Nationalsozialismus erzählen könnten oder den Holocaust überstanden haben, leben nicht mehr. Umso wichtiger ist es, ihre Geschichten von Widerstand, Verfolgung und Solidarität lebendig zu halten und eine Auseinandersetzung mit ihren Erlebnissen durch eine junge Generation zu fördern. Schülerinnen und Schüler der MS St. Georgen am Steinfelde gehen unter Anleitung von Julia Perschon, der leitenden Theaterpädagogin des Landestheaters Niederösterreich und der beteiligten Lehrpersonen auf die Suche nach solchen Geschichten. Der regionale Bezug und die Nähe zur Schule ist hierbei wichtig.
Es werden einerseits bereits erschlossene Quellen unter die Lupe genommen: z.B. das Buch "Eine schwere Zeit" des 82-jährigen St Georgener Hobby-Historikers Oskar Toman oder die ÖBB-Dauerausstellung "Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 – 1945" direkt in St. Georgen am Steinfelde. Andererseits kann auch neues Material aus der eigenen Familie erschlossen werden bzw. auch zu der Geschichte der Rüstungsindustrie vor Ort und der Nähe zu dem KZ-Außenlager von Mauthausen in Melk.
Kern dieser künstlerischen, geschichtlichen und fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Kulturpartner und Schulpartner ist einerseits die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit autobiografischen Texten von schon verstorbenen Zeitzeugen mit regionalem Bezug und andererseits die Übersetzung von ausgewählten Textpassagen in kurze Filme, die die Schülerinnen und Schüler unter der Anleitung von Filmregisseuren und Filmvermittlern selbst konzipieren, drehen und schneiden.
Theater ist Teil des Projekts
Zu Beginn und am Ende des Projektes finden jeweils ein Theaterbesuch im Landestheater Niederösterreich zum Thema „Erinnerungskultur“ bzw. zu Themen wie Menschlichkeit, Zivilcourage und Mut statt. Zusätzlich können auch Filme Impulse für die Auswahl und Umsetzung der jeweils autobiografischen Geschichten durch die Schülerinnen und Schüler geben. Zum Abschluss ist ein kleines Screening in der Schule oder dem Theater angedacht.
Die Videos der Schülerinnen und Schüler werden auch auf der Webseite der Programmschiene Erinnerungsbüro www.erinnerungsbuero.at präsentiert und lassen dort die "lebendige" digitale Bibliothek weiterwachsen. Es wird versucht, in Zusammenarbeit mit den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern, das Projekt im Regelunterricht durchzuführen, auch über Projekttage.
Das war im Jahr 2022
2022 wurde "Die lebendige Bibliothek" dem media literacy award [mla] in der Kategorie „Medien und Innovation“ ausgezeichnet.
Der media literacy award [mla] wird jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung von mediamanual.at für die besten und innovativsten medienpädagogischen Projekte an europäischen Schulen vergeben.
Er gebührte 2022 vor allem den projektbeteiligten Schülerinnen und Schülern der 7a des Mary Ward Privatgymnasiums St. Pölten.
Zu den gewonnenen Beiträgen
„Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus ist gegenwärtig von dem Ende der (Zeit)Zeug_innenschaft gekennzeichnet“,
konstatiert der Historiker Felix Axter in der Begründung der Jury. Weiters meint er:
„Daraus folgt, dass die mündliche Überlieferung abreißt und die nachkommenden Generationen und die medialen Repräsentationen in den Mittelpunkt rücken.
Vor diesem Hintergrund zeigt das innovative medienpädagogische Projekt „Die Lebendige Bibliothek“ auf, wie der Erinnerungsdiskurs im Schulkontext auch in Zukunft fortgesetzt werden kann. In den Kurzfilmen stellen die Schüler/innen des Mary Ward Privatgymnasiums St. Pölten eine Verbindung her zwischen der heutigen Gegenwart und den historischen Tagebuchtexten bereits verstorbener KZ-Überlebender. Die kurzen filmischen Portraits offenbaren Einzelschicksale, die den Betrachter/inne/n in Erinnerung bleiben, und leisten einen wertvollen Beitrag gegen das Vergessen."
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