Ehrung
Ehrenzeichen für Hans Morgenstern
Das Ehrenzeichen der Stadt St. Pölten soll an Dr. Hans Morgenstern verliehen werden. Dies soll nach dem bereits erfolgten einstimmigen Jurybeschluss im Kuratorium für die Auszeichnung von verdienten Persönlichkeiten durch die Landeshauptstadt St. Pölten in der nächsten Sitzung des Gemeinderates beschlossen werden.
ST. PÖLTEN (pa). Dr. Hans Morgenstern erhält das Ehrenzeichen der Stadt St. Pölten nicht, weil er der letzte Jude dieser Stadt ist. Diese traurige Tatsache ist weder ehrenvoll noch sein Verdienst. Er erhält es für sein Wirken gegen das Vergessen. Es ist dies auch ein Zeichen der Wertschätzung vor allem im Gedenkjahr 2018 vor der Jährung der November-Ereignisse.
Flucht und Rückkehr
Geboren am 11. Dezember 1937 als eines der letzten hier geborenen jüdischen Kinder, flohen seine Eltern Stella und der bekannte Rechtsanwalt Dr. Egon Morgenstern im März 1939 noch rechtzeitig nach Israel, damals Palästina. Hans Morgenstern gewöhnte sich rasch ein, sprach im Kindergarten Hebräisch, genoss das Meer und die Sonne und war sehr traurig, als seine Eltern 1947 in das zerstörte graue St. Pölten zurückkehrten. Sein Vater half den Beraubten bei der Rückerhaltung ihrer Häuser und hatte dabei mit demselben Beamten zu tun, der davor die „Arisierungen“ durchgeführt hatte. Hans Morgenstern studierte in Wien Medizin, engagierte sich bei den Sozialistischen Akademikern und eröffnete eine Praxis als Dermatologe in St. Pölten.
Gegen das Vergessen
Neben seiner Tätigkeit als Arzt nahm er seine Arbeit gegen das Vergessen auf: Er sammelte tausende Biographien jüdischer Menschen, die auf einem künstlerischen oder wissenschaftlichen Gebiet Bedeutendes geleistet hatten. Das Resultat dieser jahrzehntelangen Arbeit erschien 2009 im LIT-Verlag Wien als „Jüdisches Biographisches Lexikon. Eine Sammlung von bedeutenden Persönlichkeiten jüdischer Herkunft ab 1800. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Anton Pelinka.“ Zu seiner Motivation sagte er bei der Buchpräsentation, er habe es von Jugend an als unsagbar bedrückend, ungerecht und kränkend empfunden, dass Menschen, die derart viel zum Gemeinwohl, zum Fortschritt und zur Kultur ihrer Heimatländer beigetragen hätten, ausgegrenzt, verfolgt und schließlich sogar ermordet wurden.
Auch seine beiden Großmutter und vier Großtanten waren im Holocaust ermordet worden. Ihnen und den anderen mehr als 500 Opfern der völlig vernichteten Kultusgemeinde St. Pölten galt und gilt sein Wirken. In seinem Kopf befindet sich ein riesiges Archiv. Er kennt einen Großteil der Namen der Ermordeten und den Fluchtort von vielen Überlebenden. Er war die erste Anlaufstelle für die Vertriebenen selbst oder deren Nachkommen bei ihrer Kontaktaufnahme mit der alten Heimat. Unter anderem durch seine Initative wurde 1980 die Synagoge renoviert und seine Informationen bildeten die Grundlage für einen 1992 davor errichteten Gedenkstein. Ungeheuer wertvoll ist sein Fotoalbum von Überlebenden und von Ermordeten, aus der ganzen Welt zusammengetragen, die erste Sammlung zur St. Pöltner jüdischen Gemeinde. „Nicht zuletzt“, schrieb Hans Morgenstern im Vorwort seines Lexikons, „soll dieses Werk als Erinnerung an die Ermordeten und Vertriebenen dienen und sie so dem völligen Vergessen Werden entreißen.“ Sein Werk war die Basis für zahlreiche weitere Forschungen bis hin zu den Steinen der Erinnerung in St. Pölten. Die ersten zwölf Steine der Erinnerung für 28 ermordete St. Pöltnerinnen und St. Pöltner wurden am 4. Oktober von Angehörigen und Hinterbliebenen aus Österreich, der Schweiz, den USA, Großbritannien und Argentinien an acht Adressen der St. Pöltner Innenstadt gesetzt. Diese Zeremonie erfolgte in Zusammenarbeit mit den heutigen Hausbesitzern und -bewohnern. Die Steinsetzungen werden jährlich fortgesetzt. Ziel sind Steine der Erinnerung an allen etwa 60 St. Pöltner Wohnadressen von jüdischen NS-Opfern und weitere in allen Wohnorten des Einzugsgebiets der früheren Kultusgemeinde.
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