Landesgericht St. Pölten
Minderjähriges Mädchen mit Messer bedroht
Wegen schwerer Nötigung landete ein 30-jähriger, bislang unbescholtener Mann vor Gericht und fasste auf Anhieb eine teilbedingte Freiheitsstrafe aus. Von insgesamt 15 Monaten soll er fünf hinter Gittern verbringen (nicht rechtskräftig).
ST. PÖLTEN (ip). Nur schwer nachvollziehbar scheinen die Reaktionen des Beschuldigten, wenn er der Ansicht ist, jemand „habe ihn ins Auge gefasst“. Als er am 30. Oktober vergangenen Jahres auf einer Bank in der Innenstadt von St. Pölten saß, war er überzeugt, dass ein Mädchen seine Handykamera auf ihn gerichtet und ihn fotografiert habe. Er sprang auf, ging auf die etwa zehn Meter entfernt stehende Schülerin zu und schrie sie an. Die nahezu Gehörlose verstand ihn kaum und war überrascht, als er sie an den Schultern packte, sie schüttelte, aufhob und rückwärts gegen einen Fahrradständer stieß. Das Eingreifen eines Passanten verhinderte eine mögliche weitere Attacke. Gegenüber Richter Slawomir Wiaderek erklärte die 14-Jährige, dass sie an einem Workshop teilgenommen habe, bei dem es um Fotos von der Innenstadt St. Pöltens ging. Sie habe ihre Kamera eigentlich nicht gezielt auf den Mann, sondern mehr auf die gesamte Umgebung gerichtet.
Ähnlich aggressiv soll sich der Mann am 28. Jänner dieses Jahres im Traisenpark verhalten haben. Eine 13-Jährige, die ihn aufgrund seines seltsamen Verhaltens vielleicht etwas zu genau ins Visier genommen hatte, dürfte ihn derart verärgert haben, dass er auf ihre Straßenseite wechselte. Sie habe ein Messer klicken gehört und es auch kurz gesehen, als der Beschuldigte drohte: „Wenn du mich noch einmal anschaust, stech ich dich ab!“ Total verängstigt wandte sich die Schülerin umgehend an die Polizei, wo sie den 30-Jährigen in einer zweiten Vernehmung anhand eines Fotos identifizierte.
Der Angeklagte bestritt im Prozess am Landesgericht, an diesem Tag im Traisenpark gewesen zu sein. Er habe kein Messer und er habe auch keine Jacke, wie sie das Mädchen beschrieben habe. Verteidiger Michael Sedlacek sprach daher von erheblichem Zweifel, ob die Schülerin tatsächlich seinen Mandanten gesehen habe. Zum Vorfall im Oktober meinte der Beschuldigte, dass er die 14-Jährige nicht weggestoßen, sondern sie selbst vielleicht das Gleichgewicht verloren habe.
„Ich habe keinerlei Zweifel an den Aussagen der Zeuginnen“, erklärte Wiaderek in seiner Urteilsbegründung und sah in der Verwendung des Messers eine Steigerung der Gewaltbereitschaft des Mannes, die keinesfalls zu tolerieren sei. Nach kurzer Rücksprache mit dem Verteidiger meinte dieser: „Mein Mandant möchte volle Berufung!“
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