ÖBB Wanderausstellung "Verdrängte Jahre" in St. Pölten

Verdrängte Jahre Wörth - Werner Kovarik, Matthias Stadler, Konstanze Breitebner, Alfred Klein-Wisenberg, Traude Kogoj, Milli Segal, Roman Hebenstreit | Foto: ÖBB/Marek Knopp
  • Verdrängte Jahre Wörth - Werner Kovarik, Matthias Stadler, Konstanze Breitebner, Alfred Klein-Wisenberg, Traude Kogoj, Milli Segal, Roman Hebenstreit
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ST. PÖLTEN (red). Im Jahr 2012 feierte die Eisenbahn in Österreich ihr 175-jähriges Jubiläum. Dabei wurden die enormen technischen Errungenschaften und die Bedeutung der Bahn für die industrielle Revolution, für Erneuerung und den wirtschaftlichen Aufschwung thematisiert. Die ÖBB haben sich aber auch mit den dunklen Zeiten des Systems Schiene beschäftigt. In der Ausstellung „Verdrängte Jahre...“ wurde jener Zeitraum thematisiert, in dem die Österreichischen Bundesbahnen (damals BBÖ) ein Teil der Deutschen Reichsbahn waren. Von 1938 bis 1945 war die Bahn eine der wichtigsten Stützen des nationalsozialistischen Staates. In sieben thematischen Schwerpunkten werden verschiedenste Bereiche dieser dunklen Zeit eindrucksvoll und emotional gezeigt. Auch die Bahngeschichte zur NS-Zeit im Bundesland Niederösterreich wird dargestellt. Nach den bisherigen Stationen in Wien, Linz, Salzburg, Graz und Wiener Neustadt wechselt die für Besucher kostenlose Wanderausstellung nun nach St. Pölten ins Bildungszentrum Wörth. Heute hat Dr. Werner Kovarik von den ÖBB die feierliche Eröffnung gemeinsam mit St. Pöltens Bürgermeister Mag. Matthias Stadler, Roman Hebenstreit, Vorsitzender des ÖBB- Konzernbetriebsrats, Julia Scherzer, ehem. ÖBB Lehrling, und Milli Segal, Kuratorin der Ausstellung, vorgenommen.

Grausamer Missbrauch des Systems

„Die Bahn hat mit ihrer logistischen Kapazität einen furchtbaren Beitrag zum industriellen Massenmord und zum Vernichtungskrieg geleistet. Was damals geschehen ist, war der denkbar grausamste Missbrauch des Systems Schiene. Wir müssen diese dunkle Geschichte der Bahn als Teil unserer Unternehmensgeschichte akzeptieren und sind verpflichtet, der Opfer zu gedenken und daraus zu lernen“, so Dr. Werner Kovarik, Leiter des Geschäftsbereichs „Bildungszentrum Eisenbahn“ bei den ÖBB.
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!“ (George Santayana, Philosoph und Schriftsteller)
St. Pöltens Bürgermeister Mag. Matthias Stadler zur Ausstellung: "Gerade St. Pölten als Eisenbahnerstadt und mit ihrer Rolle im Zweiten Weltkrieg ist ein sehr guter Ort, um diese Ausstellung zu zeigen. Die Schau ist eine beeindruckende Aufarbeitung dieser dunklen Zeit und ein enorm wichtiger Beitrag zu einem 'Nie wieder!“.“
Roman Hebenstreit, Vorsitzender des ÖBB-Konzernbetriebsrats, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft vida: „Die österreichischen Eisenbahner haben in der Widerstandsbewegung große Verdienste errungen und diese oft auch mit dem Leben bezahlt. 154 Bahnbedienstete wurden wegen Ihres Widerstandes zum Tode verurteilt, 135 starben in Konzentrationslagen oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen verurteilt. Man darf aber nicht ausklammern, dass viele damals auch zu Mitläufern und Mittätern der Nazis wurden. Das dürfen wir niemals vergessen. Dass wir uns mit dieser Ausstellung unserer historischen Verantwortung stellen und die dunklen Kapitel in der Geschichte der Eisenbahn in Österreich aufarbeiten, ist richtig und unerlässlich. Wir Eisenbahner tragen aus unserer Geschichte heraus eine politische Verantwortung. Es liegt an uns, den zukünftigen Generationen zu lehren, auch heute und in Zukunft wachsam zu sein, wenn in Österreich wieder ähnliche faschistoide und totalitäre Töne angeschlagen werden.“

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden Wien, Steiermark und Kärnten: „Dem Besucher wird hier anhand der Bahn vor Augen geführt, wie vorhandene Infrastruktur von den Nationalsozialisten vereinnahmt und eingesetzt wurde, um so ihren Plan zur Vernichtung von Millionen Menschen in die Tat umzusetzen. Leider sind in der Gegenwart wieder alarmierende Entwicklungen in Europa zu beobachten. Diese Ausstellung zwingt zum Nachdenken und lässt wohl kaum jemanden unberührt.
„Ich habe mich bemüht die vielerlei Facetten in der Geschichte der Bahn in dieser Zeit aufzuzeigen. In der Ausstellung ist eine überdimensionale Landkarte zu sehen, auf der die Entfernungen von Wien in die einzelnen KZs und Ghettos eingetragen sind. Dadurch wird schmerzlich erkennbar und bewußt, ohne andauernde Mithilfe der Bahn hätte der Massenmord an Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, Politisch Andersdenkende, Homosexuelle usw. nicht stattfinden können“, sagt Milli Segal, Kuratorin der Ausstellung.

Die Eckpunkte der Themenausstellung

Verdrängte Jahre
Obwohl die Bahn in der Zeit des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle spielte, blieb sie in der Geschichtsschreibung der Österreichischen Bundesbahnen bisher so gut wie unerforscht und ausgeblendet. Die Österreichischen Bundesbahnen wurden 1938 sofort in die Deutsche Reichsbahn integriert. Ohne Bahn als Transportmittel wäre die Kriegslogistik der deutschen Wehrmacht nicht machbar gewesen. Wie und in welcher Form wird in der Ausstellung gezeigt.

Züge in den Tod
Ohne die logistische Kapazität der Bahn wäre der systematische Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden, an Roma und Sinti, die Deportation von Sloweninnen und Slowenen, von Homosexuellen, Zeuginnen und Zeugen Jehovas und politisch Andersdenkenden nicht möglich gewesen. Drei Millionen Menschen aus fast ganz Europa wurden im Zweiten Weltkrieg mit Zügen in die Vernichtungs- und Tötungslager des NS-Regimes transportiert. Die Deutsche Reichsbahn war durch die Deportation zahlloser Menschen unmittelbar am Holocaust beteiligt und mit ihr auch die ehemals österreichischen Bahnbediensteten, die während der Zeit – nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 – Bedienstete der Deutschen Reichsbahn waren. Über 200.000 Österreicherinnen und Österreicher, fast die gesamte jüdische Bevölkerung wurden gezwungen ihre Heimat zu verlassen oder in Konzentrations- und Vernichtungslager geschickt. Die Transporte erfolgten mit der Bahn.

Eisenbahner im Widerstand
Die nationalsozialistischen Machthaber versuchten von März 1938 die Eisenbahnbediensteten an ihr Regime zu binden. Eisenbahnerinnen und Eisenbahner hatten strengere Regeln als Berufsbeamte zu befolgen, mussten „jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten“ und sie wurden flächendeckend einer politischen Untersuchung und Überwachung unterzogen. Dennoch waren Eisenbahnerinnen und Eisenbahner maßgeblich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. So berichtet das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) 1941 über den Widerstand bei der Bahn, dass im Vergleich zum „Altreich... die Ostmark seit Ausbruch des Krieges 1939 in sabotagepolizeilicher Hinsicht eine größere Rolle spielte, da hier die fremdländischen Nachrichtendienste und die inländischen Gegnergruppen es bereits früher verstanden hatten, Sabotageorganisationen aufzubauen, ...“ 154 Eisenbahner wurden wegen Ihres Widerstandes zum T ode verurteilt und hingerichtet, 135 starben in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen verurteilt.

Die Reichsbahnzentralschule Wörth
1923 wurden im Bereich der Bundesbahn Oberbauwerkstätten und dem Oberbaulager St. Pölten Wörth die ersten Kurse der Bahnmeisterschule abgehalten. 1934 erweitert und als neue Dienstanfängerschule strukturiert, wurden nun Eisenbahnspezifische Fachausbildungen für Dienstanfänger angeboten. Wenige Tage nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen in Österreich im März 1938 waren die Bundesbahnen Österreichs Teil der Deutschen Reichsbahn. Die neue Organisationsform nach den Normen der Deutschen Reichsbahn hatte unterschiedliche Auswirkungen auf die Dienstanfängerschule Wörth, die alsbald als “Reichsbahnzentralschule Wörth“ bezeichnet wurde. Am Personalsektor wurden rund 20% der Bahnbediensteten wegen ihrer jüdischen Herkunft oder anderen politischen Gründen entlassen, während innerhalb weniger Wochen ca. 9.000, meist altgediente Nazis – die sogenannten “Alten Kämpfer“ neu eingestellt wurden. Viele davon, vor allem die im Betriebsdienst stehenden Bediensteten mussten rasch ausgebildet und dienstgeprüft werden. Da dafür die bestehenden Räumlichkeiten nicht annähernd ausreichten, waren Erweiterungsbauten umgehend notwendig. Diese Bauten wurden ganz im Sinne der neuen, zeitgenössischen Ästhetik sowie unter den erzieherischen Komponenten der Epoche errichtet. Dafür wurden die Gemeinschaftsräume großzügig gestaltet und auf die körperliche Ertüchtigung vermehrtes Augenmerk gelegt. So wurden auch ein richtiger Sportplatz und ein eigenes 50m Sportbecken im Freien gebaut. Eine besondere Herausforderung bestand darin, möglichst rasch die neu geltenden Reichsbahn-Betriebsvorschriften und auch die geänderten technischen Bau- und Erhaltungsvorschriften für Gebäude, Strecken, Bahnhöfe und Fahrzeuge zu unterrichten.

Zur Sache:

Die Dauerausstellung kann ab 24. Oktober 2016 nach Anmeldung unter bildungszentrum.stpoelten@oebb.at während der Öffnungszeiten des Bildungszentrums von Montag bis Donnerstag, jeweils 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr besichtigt werden. ist.

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