St. Pöltens Stadtgeschichte
Standort der alten Synagoge gefunden
Stadtarchäologie St. Pölten nützt Zeit für unterirdische Geschichtsforschung
ST. PÖLTEN (pa). Im Oktober 2022 startet die Renovierung und Adaptierung der Ehemaligen Synagoge St. Pölten in ein modernes Zentrum für Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und Geschichtsvermittlung. Die NÖ Museum Betriebs GmbH nützte gemeinsam mit der Stadtarchäologie das Zeitfenster bis zum Beginn der Arbeiten für archäologische Befundungen, und das mit Erfolg: In einem Grabungsfeld neben der heutigen Synagoge konnten Rückwand, Stiege und Ostmauer des Vorgängergebäudes gesichert werden. Damit ist die Lage des Bauwerks erstmals bis auf den Zentimeter genau bekannt.
Bundesrat Florian Krumböck in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bürgermeister Matthias Stadler, Alfred Kellner, Leiter der Abteilung Kultur und Bildung der Stadt St. Pölten, Martha Keil, Direktorin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs (Injoest), Matthias Pacher, Geschäftsführer der NÖ Museum Betriebs GmbH, Klaus Hoffmann, Generalsekretär für kaufmännische Angelegenheiten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Martin Grüneis von der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich und Martina Hinterwallner vom Bundesdenkmalamt haben die Funde heute begutachtet.
„Auf diesem Areal wurde 1885 ein Fabriksgebäude der Waffenfirma Gasser zu einer Synagoge adaptiert“, erklärt Archäologe Ronald Risy. „Dieser Bau diente bis zur vollständigen Fertigstellung der heutigen Synagoge im Jahr 1913 als Gotteshaus und wurde dann abgerissen“
, verweist er auf ein historisches Foto, auf dem beide Gebäude zu sehen sind. „Auf Basis von Bodenradar-Untersuchungen im Frühjahr konnten wir nun die Rückwand, einen Stiegenaufgang vom Hof in das Bethaus und die Ostmauer freilegen. Eine Münze aus dem Jahr 1860, Keramikscherben, Verputzreste und Fragmente von Bodenplatten aus Stein wurden gefunden, können allerdings nicht zweifelsfrei der Synagoge zugeordnet werden.“
„Diese Untersuchungen liefern wichtige Informationen für die Vermittlung der Geschichte des Hauses und seiner Gemeinde, die ab Frühjahr 2024 in der Ehemaligen Synagoge stattfinden wird“, ist Martha Keil überzeugt. Das Injoest ist in diesem Gebäude beheimatet und lieferte die historischen Fakten für die Grabungen. „Die archäologischen Überreste bezeugen das aufstrebende Wachstum der damals noch jungen jüdischen Gemeinde.“
Zur Vorgeschichte
Zwischen 1860 und 1870 kaufte die Waffenfirma Gasser das Areal des Standorts, das vom heutigen Altoona-Park bis in die Lederergasse reichte. 1885 stellte sie der jüdischen Gemeinde eine ehemalige Trockenhalle als Synagoge zur Verfügung. Der Hauptbau war anfangs durch seinen niedrigeren Vorbau und später durch einen innenseitigen Hof zugänglich. Aufgrund des niedrigeren Niveaus des Hofes wurden zum Gebetshaus beidseitig mindestens drei Stufen angelegt, die jetzt auf einer Seite durch die Grabung sichtbar wurden. Für die rasch wachsende jüdische Gemeinde wurde der Raum allerdings bald zu klein. Die heute noch erhaltene Ehemalige Synagoge wurde 1913 nach Plänen von Theodor Schreier und Viktor Postelberg errichtet und in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 schwer beschädigt.
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