Höchstpersönlich zugeschnitten

Unter ihrem Label "Bernanderl" fertigt Bernadette Hartl besondere Taschen
STEYR. "Bei mir ist eigentlich alles alt", lacht Bernadette Hartl. "Ich arbeite mit einer alten Nähmaschine, alten Büchern oder anderen in die Jahre gekommenen Materialien", ergänzt sie. Upcycling ist das Stichwort, das auch in der Werkstatt von Hartl in der Fabrikstraße im Mittelpunkt steht. "Mittlerweile hat sich mein Fokus beinahe ausschließlich auf die Fertigung von Taschen gerichtet", so Hartl. In rund zwei bis fünf Stunden Arbeitszeit entstehen diese besonderen Unikate, die allesamt eine Geschichte mit sich tragen. "Alles beginnt eigentlich mit der Auswahl eines geeigneten Buches. Als passionierte Flohmarktbesucherin werde ich hier eigentlich immer fündig. In letzter Zeit werden mir schöne alte Bücher auch zunehmend zur Verfügung gestellt. Sehr gerne verbinde ich ein Buch mit einem alten Schlips. Und bevor ich zur Tat schreite, verliere ich mich nicht selten in den schönen alten Büchern", erklärt die Handwerkerin. Wenn die gedankliche Arbeit abgeschlossen ist, kann die handwerkliche beginnen. Das Buch wird zerschnitten und die gebundenen Seiten in einem Stück herausgetrennt. Der Bucheinband wird sofort imprägniert, damit dieser in Taschenform auch im Regen getragen werden kann. "Bei dünnen Büchern muss ich eine Verbreiterung vornehmen und eine wertschätzende Applikation des Buchrückens am Boden durchführen. Hierfür wird meine über 100 Jahre alte Singer-Schusternähmaschine mit Fußantrieb gestartet", sagt Hartl. "Sie ist meine stärkste und wichtigste Partnerin bei der Fertigung der Taschen." Anschließend werden aus aufgetrennten Krawatten und dem Innenfutterstoff die Taschenseitenteile gefertigt. "Damit die Tasche auch alltagstauglich wird, wird sie mit Kantenschutz und Taschenfüßchen versehen. Wenn eine Verschlusslasche schließen und zieren soll, befestige ich auch einen Magnetverschluss." Danach werden die Seitenteile angeleimt und die Arbeit im Tascheninneren fortgesetzt. Dazu gehören meist ein Reißverschluss, Innentäschchen, Trennfächer sowie Schlüsselbänder. Nun werden Bucheinband und das Tascheninnere zusammengeführt. "Dann wird noch ein Taschenriemen angefügt und fertig ist die Tasche", so Bernadette Hartl.

Laptoptasche für Fischer

"Die Taschenunikate werden immer von mir fotografiert und eine liebevolle Botschaft an die künftige Trägerin oder den Träger gerichtet, in der ich alles über die Herkunft des Buches aufliste und alle weiteren interessanten Informationen ergänze. Ich möchte die Geschichte weitergeben und damit weiterleben lassen", fügt sie hinzu.
Die Bernanderl-Taschen werden im Heimatwerk OÖ und in der Edelwerkstatt in Linz sowie bei Damn Plastic in Salzburg verkauft. "Von den Inhabern bekomme ich oft die Rückmeldung, dass Käuferinnen sehr stark an der Geschichte der Tasche bzw. des Buches interessiert sind und dass ein Zusammenhang mit der eigenen Lebensgeschichte sehr häufig von Bedeutung ist." Hartl hat unter anderem Heinz Fischer eine Laptoptasche aus einem Faksimile der alten Fassung des Bundesverfassungsgesetzes inklusive der Seite mit den Unterschriften geschenkt. Grund hierfür war sein Referat im Museum Arbeitswelt anlässlich des 100. Geburtstages der österreichischen Bundesverfassung 2020.
Auch Alma Zadic durfte sich schon über eine Tasche aus dem Atelier von Bernanderl freuen. "Für die Justizministerin habe ich eine Tasche aus einem Buch mit dem Titel "Novellen" gefertigt. Das Buch stammte von ihrem Amtsvorgänger Egmont Foregger, der in den 80er-Jahren dieses Amt bekleidete. Das Buch habe ich vor einigen Jahren nichtsahnend am Naschmarkt-Flohmarkt erstanden", erklärt die Handwerkerin.
"Ich freue mich natürlich sehr, dass meine Taschen so gut angenommen werden. Wenn das so weitergeht, dann überlege ich, eventuell eine Hilfe für die Produktion zu suchen", sagt Bernadette Hartl, die darüber nachdenkt, ihre Taschen auch in Wien zum Verkauf anzubieten.