Schwimmen lernen kann Leben retten
Wegen Covid19 gab es keine Schwimmkurse. Ein Versäumnis, das dringend aufgeholt werden muss.
STEYR. Wegen der geschlossenen Schwimmbäder und der abgesagten Schwimmkurse im letzten Jahr ist die Zahl der Nichtschwimmer unter Kindern stark gestiegen. So können einer aktuellen Studie zu Folge in Österreich rund 160.000 Kinder bis 19 Jahre nicht schwimmen. Die Bewegung im Wasser bringt jedoch nicht nur Abkühlung und Spaß, schwimmen schützt und kann Leben retten. Wasser übt auf Kinder einerseits eine geradezu magische Anziehungskraft aus, andererseits können Kinder Gefahren und die Wassertiefe noch nicht richtig einschätzen. Umso wichtiger ist es, dass Kinder schwimmen lernen und am Wasser immer ein Erwachsener mit dabei.“, weiß Primar Oliver Wagner, Leiter der Kinder-und Jugendheilkunde im Pyhrn-Eisenwurzen Klinikum Steyr.
Deshalb ertrinken Kinder meistens lautlos
Weil Kinder nicht schreien, wenn sie ins Wasser fallen, bemerken anwesende Erwachsene das Unglück oft erst, wenn es zu spät ist. Auch heftiges Armrudern oder auffallendes Spritzen im Wasser sind eher selten. „Kinder verlieren nach einem Sturz ins Wasser oft die Orientierung und/oder erleiden eine Schockreaktion. Stimmritze und Rachen schließen sich und die Atmung wird blockiert“, erklärt Primar Wolfgang Riedelberger, Leiter der Unfallchirurgie am Pyhrn- Eisenwurzen Klinikum Steyr. „Das führt dazu, dass Kinder oft bewegungslos und starr werden und daher lautlos und schnell versinken. Sie ertrinken ohne einen Tropfen Wasser in der Luftröhre oder Lunge.“ Kleinkinder bis zu fünf Jahren sind besonders gefährdet, weil sie im Vergleich zu ihrer Körpergröße einen überproportional großen Kopf haben. Stürzen sie oder verlieren sie das Gleichgewicht, fallen sie daher häufig mit dem Kopf voran ins Wasser. Darüber hinaus sind Kinder oftmals noch nicht in der Lage Mund und Nase über Wasser zu halten. Sie können somit nicht um Hilfe rufen.
Planschen nur unter Aufsicht und mit Schwimmweste
Eltern und anderen Aufsichtspersonen sollte bewusst sein, dass schon ein kurzer Moment der Ablenkung weitreichende Folgen haben kann – auch dann, wenn der Nachwuchs bereits schwimmen kann. Nichtschwimmer und Kinder unter zehn Jahren sollten ohnehin nur beaufsichtigt ins Wasser gehen, und auch ältere Kinder sollten mindestens zu zweit oder noch besser in der Gruppe bleiben. Zudem empfehlen Fachleute das Tragen einer zertifizierten Schwimmweste. Spielzeug wie Schwimmreifen, -tiere, -nudeln und Luftmatratzen schützen nicht vor dem Ertrinken – das Gegenteil ist der Fall. „Die bunten, lustigen Schwimmtiere, die im Wasser treiben, können vor allem kleine Kinder ins Wasser locken. Sie können sich jedoch an den großen Schwimmtieren oft nicht festhalten und geraten so in lebensbedrohliche Situationen.“ weiß Wagner. Sein Appell: „Schwimmtiere daher nicht alleine im Wasser treiben lassen und Kinder nie aus den Augen lassen.“
Schwerpunkt im Turnunterricht
"Schwimmscheiben sind am Besten um Kinder zu schützen, Schwimmflügerl helfen auch, Bei den Scheiben kann man variieren. So kann das Kind auch ohne einen Kurs einfach schwimmen lernen. Zusätzlich müssen Kinder unter einem gewissen Alter am und im Wasser immer beaufsichtigt sein", sagt Jürgen Unger-Ellmaier, ehemaliger Sportleiter des ASKÖ Schwimmclub Steyr. Unger-Ellmaier rät, Kinder ab vier Jahren Schwimmen beizubringen. "Aber es ist nie zu spät. Auch im Alter kann und soll man noch Schwimmen lernen". Ab Herbst wird es auch wieder Kurse beim ASKÖ Schwimmclub Steyr geben. Infos dazu unter sc-steyr.at.
Durch die Pandemie war es letztes Jahr unmöglich Schwimmkurse abzuhalten. "Es gab welche in Freibädern. Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich wohlfühlen und beim Schwimmen lernen entspannen. Das geht am Besten im warmen Wasser. Eine der Grundfähigkeiten fürs Schwimmen ist das Schweben im Wasser. Und das funktioniert nur, wenn das Wasser warm ist". Unger-Ellmaier vermutet, dass durch die ausgefallenen Kurse eine ganze Generation nicht gut schwimmen können wird und kritisiert auch, dass ordentliche Schwimmkurse nicht im Lehrplan von Schulen verankert ist. "Das Schwimmen im Lehrplan ist eher ein Plantschen im Wasser. Die Vereine müssen da selber agieren, bekommen keine Unterstützung". Ihm schwebt vor den Schwerpunkt Schwimmen im Turnunterricht zu integrieren.
So machen Sie Ihren Pool kindersicher
Mit einigen technischen Vorkehrungen können viele Unfälle schon im Vorfeld verhindert werden. Eine stabile und sichere Begrenzung rund um den Pool schützt den eigenen Nachwuchs genauso wie fremde Kinder, die in den Garten gelangen könnten. Gleiches gilt für Gartenteiche, Biotope, Regentonnen und Planschbecken. Der Beckenrand soll immer rutschsicher sein und der Pool, wenn er nicht in Betrieb ist, zur Gänze verschlossen werden, am besten mit einer Abdeckung, die einer Belastung von 100 Kilogramm standhält. Ist das nicht möglich, sollten Poolbesitzer wenigstens die Leiter entfernen oder den Einstieg blockieren. Zusätzlichen Schutz bieten akustische Warnanlagen, die einen Alarm auslösen, sobald sich jemand dem Pool nähert oder außerhalb der Nutzungszeiten ins Wasser fällt.
Erste Hilfe: Im Notfall zählt jede Minute
Ist das Unglück trotz allem passiert, empfiehlt Primar Riedelberger, möglichst ruhig, aber rasch zu handeln: „Kontrollieren Sie die Lebensfunktionen und beginnen Sie sofort mit Erste-Hilfe-Maßnahmen. Führen Sie Beatmung und Herzdruckmassage bei Kindern aber besonders vorsichtig durch. Wählen Sie außerdem umgehend den Notruf 144, tauschen Sie die nasse Kleidung gegen eine Decke oder Aluminiumfolie, um eine Unterkühlung zu vermeiden, und folgen Sie den weiteren Anweisungen des Rettungsteams.“
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