Wenn Erdbeeren aus Spanien sauer aufstoßen
LOSENSTEIN. Die Supermarktregale im Winter sind voll mit Obst und Gemüse, das in dieser Jahreszeit „eigentlich“ nichts verloren hat: Tomaten im Dezember, Erdbeeren und grüner Salat im Jänner – die Liste ließe sich lange fortsetzen. Dass diese Lebensmittel im südspanischen Almeria unter zum Teil unmenschlichen Arbeitsbedingungen hergestellt werden, das wissen die wenigsten Konsumenten.
Dieter Alexander Behr, Absolvent der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien und Mitglied des Europäischen Bürgerforums (http://www.forumcivique.org), informierte darüber beim gut besuchten Vortrag „Saure Erdbeeren“ im Gasthof Blasl. Das Europäische Bürgerforum ist ein internationales Netzwerk, das soziale Missstände aufzeigt und sich für eine gerechte Welt einsetzt.
„Wir müssen kleiner werden“
Rege wurde nach dem Vortrag über Alternativen zum „System Supermarkt“ diskutiert. „Wir müssen kleiner werden“, regte der freie Kaufmann Bernd Fischer an. Als Nah-& Frisch-Partner in Losenstein bietet er gleichzeitig erfolgreich Waren von örtlichen und regionalen Produzenten an. Er fördert damit die heimische Wirtschaft und spart indirekt durch kurze Transportwege Energie und CO2 ein.
Um Ressourcen zu sparen, gibt es in Fischers Supermarkt auch ein „Schenk-Regal“. Dort kann jeder kostenlos Waren abgeben und/oder entnehmen, ähnlich einem Flohmarkt.
Nachhaltigkeit ist dem Quereinsteiger und gelernten Ergotherapeuten aus Deutschland, der seit acht Jahren in Losenstein lebt, seit jeher ein wichtiges Anliegen. Ebenso die „Ernährungssouveränität“. Selbstversorgung und regionaler Handel zählen mehr als Importe. „Wir sind hochgradig abhängig von unserem Kühlschrank“, meinte Fischer. Er ist Teil des Systems, aber trotz-dem anders.
„Man kann etwas verändern“, ist Bernd Fischer sicher. „Jede Kaufentscheidung ist letztlich eine Möglichkeit der Mitbestimmung.“ Auch Dieter Behr ist überzeugt: „Man muss lokal handeln, und wenn’s geht, so lokal wie möglich kaufen."
An uns Konsumenten liegt es, was wir kaufen und essen. Die Entscheidung für regionale und saisonale Lebensmittel kann nie falsch sein. Auch nicht im Winter, wenn hierzulande Kraut, Erdäpfel, Karotten, aber auch andere Gemüsesorten Saison haben. Man muss sie vielleicht erst „entdecken“. Dann stellt sich diese Frage gar nicht mehr: „Sind die spanischen oder die italienischen Erdbeeren besser?“ ...
Soziale Ausbeutung
Der Großteil der mehr als 100.000 Arbeiter in Almeria stammt aus Afrika, viele sind illegal eingereist und haben als Schwarzarbeiter keine Rechte. Sie kamen in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Spanien. Stattdessen sind sie mit schlechter Bezahlung, sozialer Ausbeutung, fehlenden Sicherheitsstandards in der industriellen Landwirtschaft sowie Barackenunterkünften konfrontiert.
Ihr Arbeitsplatz: Plastikgewächshäuser im Ausmaß von mehr als 40.000 Hektar. Für jeden Europäer werden dort im Durchschnitt jährlich zehn Kilogramm Treibhaus-Gemüse produziert. Behr stellte Initiativen vor, die für bessere Bedingungen der Migranten aus Afrika kämpfen, darunter die südspanische Landarbeiter-Gewerkschaft SOC.
Die Preise hierzulande für das frische Obst und Gemüse aus dem Ausland sind gering, ganz zu schweigen von der Umweltbelastung durch lange Transportwege. „Viele Produzenten und Lieferanten, auch aus Österreich, werden im Preis gedrückt, um zusätzliche Marktanteile zu gewinnen“, sagt Dieter Behr mit Bezug auf den großen Preiskampf unter den Lebensmittelketten. REWE, Spar und Hofer kontrollieren achtzig Prozent des Markts in Österreich.
Behr, er wohnt im Burgenland, schreibt derzeit an seiner Disseration zum Thema „Ausbeutung und Widerstand“, in der er das „System Supermarkt“ hinterfragt. Bereits in seiner Diplomarbeit setzte er sich mit den Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft (im Marchfeld) auseinander. Im Mai 2011 war er mit dem ÖGB zugehörigen entwicklungspolitischen Linzer Verein „Weltumspannend arbeiten“ (http://www.weltumspannend-arbeiten.at) in Almeria.
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