Zwei Volksbefragungen in Neustift: "Nein" machen noch lange keine Planänderungen!

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Bgm. Peter Schönherr sieht sich im März mit zwei von den Oppositionsparteien „erzwungenen“ Volksbefragungen konfrontiert. Mit beiden Abstimmungen hat der Neustifter Ortschef – zum jetzigen Zeitpunkt – wenig Freude. Warum, das erläutert er im BEZIRKSBLATT-Interview!

BEZIRKSBLATT: Herr Schönherr, jeweils weit über 1.000 Unterschriften machen laut Tiroler Gemeindeordnung die Abhaltung dieser Volksbefragungen obligatorisch. Ihre Begeisterung hält sich aber in Grenzen. Warum?
Schönherr:
Stimmt, ich bin mit dem Ganzen nicht glücklich, zumal ich teilweise das Gefühl habe, dass diese Volksbefragungen eher gegen unsere Politik gerichtet sind und weniger der Sache dienen sollen. Die Vorgangsweise ist legitim, klar, aber mir kommt doch vor, dass hier versucht wird, politisches Kleingeld zu verdienen.

„Es muss nicht zu jedem Thema eine Volksbefragung stattfinden“

BEZIRKSBLATT: Trotzdem handelt es sich um zwei „Dauerbrenner“. Warum also sollen die NeustifterInnen nicht nach ihrer Meinung gefragt werden?
Schönherr:
Grundsätzlich vertrete ich die Einstellung, dass ein Gemeinderat gewählt wird, um Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Was die TIWAG-Befragung angeht, sehe ich die Abstimmung nicht als großes Instrument, eine Wasserableitung zu verhindern. Das Ergebnis wird voraussichtlich den einstimmig-negativen Gemeinderatsbeschluss bestätigen – mehr aber nicht. Was die Schule betrifft, so fällt diese zwar in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, aber: Der Zeitpunkt ist nicht der richtige! Und ehrlich gesagt, macht es in meinen Augen auch nicht das beste Bild, wenn die Opposition vor der Abstimmung im Gemeinderat geschlossen den Saal verlässt, um im Nachhinein eine Volksbefragung zu initiieren! Als Junges Neustift hätten wir übrigens auch schon mehrmals die Möglichkeit gehabt, Volksbefragungen – etwa zur Causa Agrargemeinschaft – durchzuführen und so die politische Stimmung für uns auszunützen. Das ist aber nicht unser politischer Stil!

BEZIRKSBLATT: Es tauchte die Frage auf, warum die zwei Volksbefragungen nicht in einem Aufwasch gemacht werden?
Schönherr:
Ja, aber die Leute stimmen über total unterschiedliche Themen ab und wir wollten das sauber trennen. Es muss in einer Demokratie möglich sein, zwei Sonntage für zwei Themen aufzuwenden. Und: Die Begehren wurden zwar gleichzeitig eingebracht, die Forderung, alles an einem Tag durchzuziehen, ist aber – entgegen anderen Meldungen der Opposition – nie gestellt worden. Außerdem muss man nicht zweimal hingehen, es gibt für jeden Bürger die Möglichkeit, mittels Wahlkarte abzustimmen.

BEZIRKSBLATT: Wieso halten Sie eine Untermauerung des TIWAG-Beschlusses für „entbehrlich“ – sollte es so kommen?
Schönherr:
Weil nicht die Gemeinde Neustift, sondern die Wasserrechtsbehörde entscheidet! Und für den Fall, dass das TIWAG-Ansinnen positiv beurteilt wird, wird unsere Verhandlungsposition eher schlechter als besser, denn im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen haben wir sehr viel erreicht: Gemeinsam mit den Gschnitzern konnte bewirkt werden, dass das Projekt um 2/3 abgespeckt wurde. Es liegt jetzt in einer Größenordnung am Tisch, von der ich glaube, dass eine Zustimmung durch die Wasserrechtsbehörde denkbar ist. Ich bin Realpolitiker! Neustift wird demzufolge irgendwann über einen Interessensausgleich mit der TIWAG verhandeln müssen.

BEZIRKSBLATT: Ist es richtig, dass von mancher Seite Druck in Richtung „Ja“ zu den Wasserableitungen ausgeübt wurde?
Schönherr:
Nein! Weder mündlich noch schriftlich, weder vom Landeshauptmann noch von sonst wem! Das möchte ich ganz klar hervorstreichen! Ich verwehre mich gegen solche Vermutungen und weise diese zu hundert Prozent zurück! Mich kann man nicht unter Druck setzen!

BEZIRKSBLATT: Wurden mit der TIWAG schon Ausgleichsmaßnahmen ins Auge gefasst?
Schönherr:
Nein, es gibt nichts Konkretes. Was soll ein Bürgermeister auch im Alleingang aushandeln, es gibt einen einstimmigen Beschluss gegen die Wasserableitungen. Weil es immer heißt, wir Standortbürgermeister würden das Wasser verschachern – das stimmt einfach nicht! Für uns ist vorrangig, dass wir auch in Zukunft entlang der Ruetz selber noch Kraftwerke errichten können und für den Fall, dass die geplanten Bäche abgeleitet werden, die Gemeinde Neustift entsprechend entschädigt werden muss. Ich denke da an jährliche finanzielle Zuwendungen. Zudem müsste der alte bestehende Talschaftsvertrag „Oberberg“ an die geänderten Voraussetzungen angepasst werden. Ich weiß um den Wert des Wassers fürs Stubai, bin aber auch Realist! Deshalb frage ich mich, wo ist Plan B der Opposition? Eine Volksbefragung alleine ist zu wenig. Wenn das Ergebnis keine Wirkung zeigt, was dann? Dazu hört man nichts! Vielmehr sollten wir alle darüber nachdenken, ob es richtig ist, aus der TIWAG ein Feindbild zu kreieren? Wir stehen ja alle zur Nutzung der Wasserkraft!

BEZIRKSBLATT: Und was spricht derzeit gegen eine Volksbefragung zum Schulneubau?
Schönherr:
Ich denke, die ist in der jetzigen Phase für das Thema nicht sehr produktiv. Der Gemeinderat hat sich nach zig Vorgesprächen und Expertisen jetzt auf einen Standort geeinigt – das alles kommt ja nicht aus der Hüfte raus, sondern ist gut überlegt – und hier sollte nun Schritt für Schritt angeknüpft werden. Der Faktor Bildung wird künftig eine Schlüsselrolle spielen und da muss es uns darum gehen, das Beste für die Kinder zu erreichen. Das beinhaltet auch infrastrukturelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten und die wären in Kampl gegeben. Alle bestehenden Schulgebäude sind in die Jahre gekommen. Sollte dieses Schulzentrum realisiert werden können, sehe ich das als Jahrhundertchance! Neustift darf nicht sitzen bleiben!

BEZIRKSBLATT: Es sind ja auch noch viele Fragen offen ...
Schönherr:
Genau darum gehts! Besser wäre gewesen, das Projekt erst zu entwickeln und sich dann, wenn alle Informationen vorliegen, öffentlich damit auseinander zu setzen. So aber ist etwa noch nicht einmal die Finanzierungsfrage geklärt. Die Leute wissen einfach noch zu wenig, die Diskussion kann erst beginnen.

BEZIRKSBLATT: Sollte mit „Nein“ gestimmt werden, wie sähe die weitere Vorgangsweise aus?
Schönherr:
Dann werden wir sicher nicht am 21. März alle Pläne vernichten, sondern so lange am Projekt weiterarbeiten, bis alle wesentlichen Infos am Tisch sind und die Bevölkerung davon überzeugen. Wir werden jedenfalls bei der Schule um ein „Ja“ zum bestehenden Projekt kämpfen.

BEZIRKSBLATT: Neustift gehört zu jenen Kommunen, in denen es politisch gesehen zeitweise richtig heiß her geht. Haben Sie ein „schweres Los“ gezogen?
Schönherr:
Es ist nicht einfach – weder für die gewählten Vertreter im Gemeinderat noch für die Bevölkerung, die diesen Auseinandersetzungen laufend ausgesetzt wird. Auch das Image unserer Gemeinde leidet Schaden, wenn alle Meinungsverschiedenheiten öffentlich ausgetragen werden. Im Gemeinderat sind sehr viele Fraktionen vertreten und meine Liste hat keine Mehrheit. Ich gebe aber auch zu, dass wir nicht davor zurückgescheut haben, jedes heiße Eisen, wie etwa das Thema Agrar, anzufassen. Das schafft nicht nur Freunde und andere wiederum meinen, überall dagegen sein zu müssen. Aber ich lasse mich nicht beirren und ich werde versuchen, für Neustift das Beste zu geben. Politik ist immer eine große Herausforderung.

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