15.500 Integrations-Beauftragte

Mag. Heinz: "Die Angst vor dem Fremden ist noch nicht überwunden. Wir müssen weiterhin Begegnungen wagen."
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  • Mag. Heinz: "Die Angst vor dem Fremden ist noch nicht überwunden. Wir müssen weiterhin Begegnungen wagen."
  • hochgeladen von Georg Larcher

TELFS. Integration, Friedensglocke, Netzwerk, Tourismusverband, Volksschauspiele - Mag. Ewald Heinz übt seit 1996 viele Funktionen in Telfs aus. Mit 1. Juli ging der Gemeindebedienstete in Pension. Im BEZIRKSBLATT lässt Heinz die Integrationsbemühungen Revue passieren.

Seit 2005 gibt es in Telfs den Integrationsbeauftragten, wie kam es dazu?
Die Minarett-Diskussion damals war der Auslöser, hat ein Defizit aufgezeigt. Bgm. Dr. Opperer hat mich beauftragt, die Entwicklung der Bevölkerung zu erheben. 2006 wurde das erste Weißbuch veröffentlicht, die Zuwanderung wurde analysiert. Dr. Stefan Dietrich im Vorwort: "Irgendwann stößt jeder in seiner Ahnenreihe auf einen Nichttelfer. Das ist nur eine Frage der Zeit."

Was war der Sinn der Erhebung?
Es galt das Thema zu objektivieren. Es gab viel Panikmache rund um den geplanten Gebetsturm. Fakten mussten auf den Tisch. Wir erkannten: Die Problematik betrifft alle Tiroler Zentralorte. Dass immer von den Türken gesprochen wird, rührt daher, dass die am auffälligsten sind, von ihrer Kultur her. Wir haben aber Menschen aus 79 Nationen in Telfs, 18 Religionsgemeinschaften zugehörig.

Wo setzt der Integrationsbeauftragte den Hebel an, wenn er in diesem Durcheinaner ein Miteinander schaffen soll?
Es gibt zwei unterschiedliche Bereiche: Zum einen die für jeden Bürger verbindlichen Vorgaben: die Menschenrechte, die österr. Verfassung, öffentliche Regeln, die Amtssprache. Hier muß sich jeder verpflichtet fühlen. Der zweite Bereich ist die Kultur- und Religionsfreiheit. Hier ist Respekt und Toleranz gefragt. Manche fühlen sich bedroht durch die bunte Vielfalt fremder Kulturen. Diese ist nicht nur zu akzeptieren, sie hat auch einen eigenen Reiz.

Hat sich in den letzten Jahren die Gesellschaft hinsichtlich Kultur- oder Religionsfreiheit geändert?
Die Minarett-Diskussion ist lange vorbei. Ein gutes Beispiel ist auch die positive Aufnahme der Asylwerber im Telfer Flüchtlingsheim. Nach einer entsprechenden Aufklärung gab es kaum mehr Vorbehalte.

Die Bevölkerung ist also weniger fremdenfeindlich gesinnt? Ihr Verdienst als Integrationsbeauftragter?
Wir haben in Telfs 15.500 Integrationsbeauftragte - so sage ich immer. Ich selbst bin nur namhaft gemacht, als Schnittstelle. Schlussendlich ist es eine Herausforderung für alle im Gemeinwesen. Viele Leute haben gute Ideen. Meine Aufgabe war es, mit voller Kraft das auch zur Umsetzung zu bringen, die Politik für die Finanzierung zu überzeugen. Mit den Landesstellen habe ich immer gute Erfahrungen gemacht. Schwierig wird es, wenn wir um EU-Gelder ansuchen, z.B. für die Sprach-Startgruppe im Kindergarten, die Bürokratie ist enervierend. Am Ende war der Berg an Original-Akten 7 kg schwer!

Hat sich das Bewusstsein bei den Migranten selbst geändert?
Es hat sich gebessert, etwa bei Vereinen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Ein gutes Beispiel ist das Rote Kreuz, und es gibt jetzt den ersten türkischstämmigen Feuerwehrmann. Das ist natürlich noch ausbaufähig. Wir haben einen türkischstämmigen Gemeinderat. Auch gehen Staatsbürger mit Migrationshintergrund vermehrt zur Wahlurne, wollen mitentscheiden. Bei den Freizeitvereinen gibt es sehr unterschiedliche Durchmischungen.

Wo gibt es noch Handlungsbedarf?
Es muss Überzeugungsarbeit vor allem für die Bildung gleistet werden, erst wenn die Zusammensetzung der Maturanten dem ethnischen Hintergrund der Bevölkerung entspricht, wären wir der Lösung nahe. Ich sage immer den Eltern, dass der Mercedes, den der Sohn gerne fahren will, letztlich durch Arbeit finanziert wird, und je qualifizierter die Ausbildung, umso eine bessere bezahlte Arbeit ist zu erwarten. Aber auch die Angst vor dem Fremden ist noch nicht überwunden. Hier müssen wir weiterhin Begegnungen wagen. Teilhabe und Teilnahme am öffentlichen Leben ist weiter zu vertiefen. Mein Ziel für Telfs: jeden Tag einen Schritt hin zum friedlichen Miteinander, und einen Schritt zu einem respektvollen Nebeneinander.

Zur Sache: Integration in Telfs

Wie in vergleichbaren Zentralorten Tirols ist auch in der Marktgemeinde Telfs während der letzten Jahrzehnte ein deutlicher Wandel in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung wahrnehmbar. Nach Jahren mit starkem Bevölkerungszuwachs bewegt sich die Gesamtbevölkerungszahl konstant um 15.500 Einwohner. Staatsbürger aus über 60 Nationen wohnen in Telfs. Durch Einbürgerung, Familiennachzug und Geburten wächst die Zahl der Bürger mit Migrationshintergrund. Signifikant ist die türkischstämmige Volksgruppe (über 2.500 Personen), die fallweise bis in die vierte Generation und zu über 65% als österreichische Staatsbürger in Telfs lebt und über 30 % der Kinder stellt. Ein vermutlich noch lang andauernder Integrationsprozess zwischen Aufnahmegesellschaft und Migranten ist unerlässlich. Durch die wachsende islamische Religionsgemeinschaft mit zwei Moscheen entsteht darüber hinaus die Notwendigkeit zum interreligiösen Dialog.
(www.telfs.eu

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